Geschwister, wie am besten damit umgehen

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Geschwister, wie am besten damit umgehen

Beitragvon Sox » 28.05.2010, 15:02

Hallo Katrin,

Hast Du mir ein paar Vorschläge wie ich meine Erziehung mit meiner tochter 2,5 und mein Sohn von 9monate vorgehen kann. Meine Tochter fängt nämlich jetzt an mit Eifersucht, Spielsachen wegnehmen, auf den Kleinen hauen undundund.
Grüsse Sandra
Sox
 
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Re: Geschwister, wie am besten damit umgehen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 03.06.2010, 00:45

Hallo Sandra

Deine Tochter befindet sich in der Trotzphase. Zuerst ein paar allgemeine Hinweise:
In der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Deine Tochter versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und sie merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie sie das gerne möchten.

(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:

... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>

Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihr genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihr her und versuch sie nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihr nicht alles abnimmst und ihr dann deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."

- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihr eine Auswahl geben und sie kann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.

- In Situationen in denen sie sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst sie abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihr immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass sie sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.

Hab auch schon ein Video dazu gemacht, Clip Nr. 32, schau mal hier:
http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... basar.html

Wenn ein Baby auf die Welt kommt, dann gerät die Welt des Kindes ganz gehörig aus den Fugen. Wenn das Kind dann nimmt das dem älteren Kind vorübergehend seine sichere Orientierung. Wenn es aggressiv ist, dann ist das vorallem ein Ausdruck seiner Verunsicherung sind. Kleine Kinder handeln meistens spontan und können nicht gleichzeitig über die Folgen ihres Handelns nachdenken. Sie sind sich auch noch nicht bewusst, welche Gefahren von ihrem Handeln ausgehen.

Wenn kleine Geschwister grösser werden, ein aktiver Teil der Familie werden und dann auch ins Territorium der Grösseren einbrechen, dann ist das oft ganz schwierig für die "Grösseren". Schliesslich sind sie doch selber auch noch klein.
Gerade wenn die kleineren Kinder grösser werden, müssen ältere Geschwister vieles (auch gerade im Umgang mit ihnen) wieder neu lernen. Er wird sicher auch gemerkt haben, dass die Kleine manchmal vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit kriegt als vielleicht eine Zeitlang vorher. Das kann gut sein, dass ihn das ärgert. Oft steigen an die "Grösseren" auch rasch die Erwartungen. Obwohl sie selber noch klein sind, hat man als Eltern dann das Gefühl, das sie doch jetzt "vernünftig" sein sollen, dies und jenes besser machen sollen und das am liebsten von heute auf morgen.

Schau einmal genau hin und achte dich, wann und in welchen Situationen es passiert. Oft sind ja die Kleinen auch nicht immer ganz unschuldig, doch meistens werden dann "die Grossen" bestraft. "Jetzt lass sie doch mal, sie ist ja noch klein, sei doch vernünftig, du bist schon gross und sie ist noch so klein..." usw.
Um was geht es denn bei diesen Streitereien genau? Ist es einfach seine Art sich auszudrücken, weil er vielleicht nicht weiss, wie er es anders machen könnte. Ist es ein Machtspiel, ein buhlen um Aufmerksamkeit?
Zeig deiner Tochter immer wieder (auch vor anderen) wie stolz du auf sie bist. Lobe und ermutige sie. Sag ihr wie stolz du auf ihr Können, ihr Hilfbereitschaft und Selbstständigkeit bist. Lass sie auch immer wieder Sachen tun, die ältere Kinder schon tun dürfen. z.B am Abend länger aufbleiben, einmal alleine mit Mama oder Papa oder dem Gotti etwas unternehmen. Dann hat sie nicht das Gefühl, sie sei immer im Nachteil. Wenn sie sich nämlich genügend bestätigt fühlt, dass sie die Grössere und Stärkere ist, dann hat sie es etwas weniger nötig, dies seiner kleinen Schwester gegenüber immer unter Beweis zu stellen.
Schau auch, dass sie genügend "Rückzugsmöglichkeiten" hat. Es ist durchaus normal, dass sie auch einmal etwas ohne das Dabeisein seines Bruders machen will. Es ist auch ok, wenn sie Spielsachen hat, die nur sie allein brauchen will. Schaff ihr eine Spielecke, oder sag ihr, dass sie sich in ihrem Zimmer zurückziehen kann. Du kannst auch jedem Kind seine eigene Spielkiste zusammenstellen. Dort packst du die Spielsachen rein, die nur für deine Tochter sind. Du kannst diese zusammen mit ihr raussuchen. Dann könnt ihr zum Beispiel noch eine Kiste machen, die für beide bestimmt ist. Alle Spielsachen in dieser Kiste dürfen dann beide brauchen.
Hab auch ein bisschen Verständnis: Kleine Brüder können ja manchmal auch ganz schön nerven.
Versuch auch immer wieder Zeiten zu schaffen, wo du ausschliesslich Zeit für sie hast. z.B am Mittag, wenn der Kleine schläft, oder vielleicht gehst du zusammen mit ihr in einen Schwimmkurs, ins turnen usw. Denk auch daran, dass sie mit ihren 2,5 Jahren noch nicht immer so gut Rücksicht nehmen kann. Zeig ihr wie das geht und hilf ihr dabei.

Schau mal, was du damit anfangen kannst und meld dich einfach wieder, mit Fragen, Feedback oder auch mit Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
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Re: Geschwister, wie am besten damit umgehen

Beitragvon Sox » 10.06.2010, 15:33

Hallo Kathrin,

besten Dank für Deine Antwort. Es ist leider nicht so einfach im moment mit meiner Tochter.

Heute mal ein Beispiel das Sie immer macht. Wir waren heute wieder auf dem Spielplatz.
Das ich mich langsam schon gar nicht mehr traue. Sie schlägt auf ein alteres Mädchen ein
(und das heisst richtig einschlagen) bis Sie das kriegt was Sie will. Wenn ich nicht dazwischen
gehen weiss ich nicht was passieren kann. Ich habe Sie schon aus der Situation genommen Sie schon
betraft, Sie schon angeschriehen, Sie schon an den Ohren gepackt weil ich nicht weiss was ich machen
soll das Sie entlich mit dem Schlagen und Stossen aufhören wird. Und das macht Sie auch mit Ihren kleinen
Bruder. Ich habe schon versucht gar nicht zu sagen, doch leider ist es immer so das sich noch kein anderes
Kind wehren würde. Immer wahr Sie die Gewinnerin. Ich traue mich schon gar nicht mehr auf den
Spielplatz, geschweige zu irgend jemand nach Hause. Sie spielt auch nicht mir anderen Kinder.
Sie hat vor nichts Angst und Sie ist schon mir gegenüber richtig frech.
Es ist leider auch so in der Spielgruppe, Sie ist eigentlich eine einzelgängerin uns sobald jemand zu Nahe kommt wird sofort geschlagen oder gestossen. Es hat sich auch ein kleines Mädchen ziemlich gestossen dadurch.

Ich habe nach Ihren Vorschläge gehandeld doch irgendwann habe ich keine Nerven mehr und dann wird halt mal an
den Ohren gepackt. Ich weiss das sollte ich nicht machen und ich habe auch ein schlechtes gewissen.

Ich hoffe schon länger das dies irgendwann aufhört und Sie bereits dazu ist mit anderen Kinder zu spielen.

Grüsse Sandra
Sox
 
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Re: Geschwister, wie am besten damit umgehen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 13.06.2010, 00:36

Hallo Kathrin,

besten Dank für Deine Antwort. Es ist leider nicht so einfach im moment mit meiner Tochter.

Heute mal ein Beispiel das Sie immer macht. Wir waren heute wieder auf dem Spielplatz.
Das ich mich langsam schon gar nicht mehr traue. Sie schlägt auf ein alteres Mädchen ein
(und das heisst richtig einschlagen) bis Sie das kriegt was Sie will.

Versuch gut vorauszuplanen. Sag ihr, was du von ihr erwartest und was sie tun soll. Sag ihr das auch noch einmal bevor ihr auf den Spielplatz geht. Wenn du merkst, dass sie haut, dann geh zu ihr und sag ihr was sie falsch gemacht hat. Zeig ihr, welche anderen Möglichkeiten sie denn sonst noch hätte, anstatt das Mädchen zu schlagen. Nimm sie dann einen Moment aus der Situation raus. Also aus dem Sandkasten oder von der Rutschbahn wegnehmen. Versuch ruhig zu bleiben. Nimm sie an der Hand und geh dann mit ihr z.B zu einer Sitzbank oder verlass kurz den Spielplatz mit ihr.

Wenn ich nicht dazwischen gehen weiss ich nicht was passieren kann. Ich habe Sie schon aus der Situation genommen Sie schon betraft, Sie schon angeschriehen, Sie schon an den Ohren gepackt weil ich nicht weiss was ich machen
soll das Sie entlich mit dem Schlagen und Stossen aufhören wird.

Das wird sie nicht verstehen und ist auch ganz unlogisch. Du sagst ihr, sie solle das Mädchen nicht stossen und schlagen und du ziehst sie an den Ohren...
Deine Tochter kann ihr Tun noch nicht richtig einschätzen. Sie denkt sich nicht: So, jetzt will ich dieses Mädchen hauen. Es ist ihre Art sich in einer solchen Situation durchzusetzen. Das ist für Kinder ganz schwierig und das müssen sie immer wieder üben. Kinder merken schnell, dass sie ihren Körper auch als "Waffe" einsetzen können. Mit Konflikten umzugehen, sich zu behaupten ist ganz schwierig.


Und das macht Sie auch mit Ihren kleinen Bruder. Ich habe schon versucht gar nicht zu sagen, doch leider ist es immer so das sich noch kein anderes Kind wehren würde.

Wenn sie "Gewalt" anwendet, dann musst du eingreifen und Stellung beziehen.
Immer wahr Sie die Gewinnerin. Ich traue mich schon gar nicht mehr auf den Spielplatz, geschweige zu irgend jemand nach Hause. Sie spielt auch nicht mir anderen Kinder.
Sie hat vor nichts Angst und Sie ist schon mir gegenüber richtig frech.
Sie ist ein kleines Mädchen, das in der Trotzphase ist und gerade entdeckt sie ihr eigenes "ICH".

>>>Ein Kind in diesem Lebensabschnitt möchte die Welt erobern und in Besitz nehmen und "seine eigenen Wege" gehen - ganz und grenzenlos. Dabei stößt es unweigerlich und permanent an "natürliche" Grenzen. Gleichzeitig erfährt es auch, dass sogar die geliebten und bislang so einfühlsamen Eltern nicht so "funktionieren", wie es sich das vorstellen und wünschen würde. Sie verbieten, sagen nein und unterbinden ständig den Drang alles auszuprobieren; kurz, sie setzen Grenzen, wenden sich ab und entfernen sich dabei weit davon "gute Eltern" zu sein.

Diese Begrenzungen und Einschränkungen des eigenen Weges führen das Kind in eine tiefe Verzweiflung, da sein Wille nicht mit dem der Eltern oder mit den eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten übereinstimmt. Die Welt scheint für das Kind auseinander zu triften und alle bislang gewohnten Ordnungen lösen sich auf. Ein inneres Chaos von Gefühlen stellt sich ein, dem das Kind nicht Herr werden oder sich entziehen kann. Dementsprechend "chaotisch" sind in solchen Ausnahmesituationen die Reaktionen bzw. das Verhalten des (Aber Vorsicht, die "Symptome" können ganz unterschiedlich sein. Bei manchen Kindern verläuft die Trotzphase völlig unspektakulär. Es gibt aber auch eine Art stummen Trotz - wenn ein Kind sich z.B. zurückzieht und kaum noch sprechen oder essen mag. Am häufigsten äußert sich Trotz jedoch in den für diese Phase typischen Wutausbrüchen.). Die Probleme in der Trotzphase verschärften sich noch, wenn zusätzliche "Stressoren" (Geburt eines Geschwisterchens, Beziehungsprobleme der Eltern, Wohnortwechsel etc.) gegeben sind.>>>Ausschnitt aus einem Artikel aus familienhandbuch.de


Es ist leider auch so in der Spielgruppe, Sie ist eigentlich eine einzelgängerin uns sobald jemand zu Nahe kommt wird sofort geschlagen oder gestossen. Es hat sich auch ein kleines Mädchen ziemlich gestossen dadurch.
In diesem Alter spielen Kinder noch meistens alleine, sie können auch noch nicht so gut mit anderen zusammen. Das müssen sie erst lernen.
Versuch nicht zu hohe Erwartungen an deine Tochter zu haben. Hilf ihr, biete ihr Unterstützung, sei für sie da, zeig ihr Alternativen auf und wenn sie einfach nicht zu bremsen ist, dann nimm sie aus der Situation raus.


Ich habe nach Ihren Vorschläge gehandeld doch irgendwann habe ich keine Nerven mehr und dann wird halt mal an
den Ohren gepackt. Ich weiss das sollte ich nicht machen und ich habe auch ein schlechtes gewissen.

Es braucht viel Geduld und Kraft, viel Energie und sie muss es immer und immer wieder üben. Ich weiss, es ist extrem anstrengend mit 2 kleinen Kindern. Unsere beiden Mädels sind ja auch nur 18 Monate auseinander. Mir ging es damals ähnlich wie dir und ich empfand es als sehr anstrengend. Schau, dass du immer mal wieder einen Moment Zeit für dich hast. Sei es kurz am Mittag oder auch mal an einem Nachmittag. Hast du die Möglichkeit die Kinder mal einen Moment abzugeben? Oder auch mal mit deiner Tochter mal etwas alleine zu unternehmen? Wenn du zufrieden bist und auch deine Bedürfnisse nicht allzu sehr vernachlässigst, dann kannst du auch in der Kindererziehung viel gelassener sein.

Ich hoffe schon länger das dies irgendwann aufhört und Sie bereits dazu ist mit anderen Kinder zu spielen.
Da musst du dich schon noch ein bisschen gedulden.

liebe Grüsse
Kathrin



Grüsse Sandra
Kathrin Buholzer
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