von Kathrin Buholzer » 22.06.2008, 00:27
Hallo Kathrin,
vielen lieben Dank für die schnelle Antwort.
Bitte gern geschehen!
>>Kaum hatte ich sie unter das Blatt geschoben, klappte er sein Mäppchen zu und meinte, er sei fertig. Also räumte ich die Unterlage wieder weg.
Ähm, warum räumst DU die Unterlage weg? Gib ihm vorher klare Anweisungen, Aufträge, dann kann er die Sachen nachher, also wenn er das Gefühl hat er sei fertig auch selber versorgen. Er kann dann selber entscheiden, ob er wirklich fertig ist. <<
Gute Frage. Ich stand noch daneben und habe mir die Zeitung praktisch reflexartig genommen, damit sie nicht hinterher rumliegt. Außerdem hatte ich sie auch angebracht. Wir machen solche Vorbereitungen meist gemeinsam, nach dem Motto: "Hol du schon mal das, ich kümmere mich in der Zwischenzeit um jenes."
Mach dir das Leben nicht unnötig schwer! Lass ihn halt die Sache selber wegräumen, dann muss er sich nicht ärgern und du auch nicht. Lass ihn möglichst viel selber erledigen.
Zum Thema Selbständigkeit - das sehe ich eigentlich genau so, wie du es beschrieben hast. Er hat letztens einen richtigen Entwicklungssprung gemacht und möchte nun ALLES selbst machen, was einfach noch nicht geht. Bei den meisten Dingen ermutige ich ihn, sage ihm, dass er es schon schaffen wird und warte auch geduldig, bis z. B. der Schuh dran ist oder er eine Dose aufgepfriemelt hat.
Biete ihm dort Hilfe an, wo es nötig ist. Lass ihn dann selber versuchen.
>>Überleg dir einmal, was wolltest du denn überhaupt in dieser Situation von ihm? Wenn er schon am Schreien und ausflippen ist, dann bringt diskutieren und zutexten oft gar nix. <<
Hm, ich wollte ihm zeigen, dass dieses Hin und Her (jetzt will ich malen, dann wieder nicht, dann doch) nicht okay ist und dass er sich für das eine oder das andere entscheiden sollte. Wenn er sagt, er ist fertig, dann soll er es eben auch sein.
Versuch in solchen Situationen nicht zu nah an ihm dran zu sein. Wenn er nicht mehr malen will, dann soll er die Sachen wegräumen. Wenn er sie dann weggeräumt hat und es sich dann anders überlegt, dann lass ihn, er soll dann die Sachen halt wieder hervor nehmen. Auch hier: Mach dir das Leben nicht unnötig schwer. Versuch nicht jede Angelegenheit von deinem Kind zu deinem Problem zu machen.
Anderes Beispiel: Er wollte nach draußen zum Spielen, wofür ich ihn kurz umziehen musste. Eigentlich wollte ich grade seinen kleinen Bruder (9 Monate) füttern, aber ich dachte, das geht ja schnell. Mittendrin auf einmal die Erkenntnis, er möchte doch nicht umgezogen werden. Inzwischen hatte der Kleine angefangen, sich zu beschweren. Ich meinte, dann könne Richard (der Große) gerne so bleiben, aber halt nicht raus. Als er die Meinung wieder änderte, sagte ich, okay, ich ziehe dich um, aber jetzt muss ich mich erst um den Kleinen kümmern.
Lass ihn doch einfach sich selber anziehen. Wenn er raus will, dann sag ihm, dass es ok ist und dass er sich anziehen soll. Du kannst in dieser Zeit den Kleinen füttern. Wenn er's sich dann anders überlegt, ist es auch wieder nicht dein Problem. Wenn er es noch nicht ganz selber schafft, dann gib ihm Hilfestellung aber mach es nicht für ihn. Überleg dir auch einmal, was er denn alles schon selber kann. Oft ist es so, dass wir Eltern aus Bequemlichkeit, weil es einfach schneller geht, weil wir kein Geschrei möchten, den Kindern viel zu viel abnehmen. Die Kinder können oft viel mehr, als wir eigentlich meinen. Versuch ihm nicht alles abzunehmen, es gibt ein gutes Motto: Hilf mir, es selbst zu tun. Wenn er etwas nicht schafft, dann tu es nicht einfach für ihn. Sag z.B "Was musst du als erstes tun, wenn du deine Jacke anziehen willst? Genau, du musst zuerst hier in den Ärmel schlüpfen und dann?" Versuch die Aufgabe in kleine Schritte aufzuteilen und ihn immer danach zu fragen, was als nächstes kommt. Lobe und ermutige ihn, wenn er es schafft. Wenn es nicht klappt, dann gib ihm nur soviel Hilfe wie nötig und lass es ihn dann selber versuchen.
Danach gerne. Daraufhin eben auch großes Gejammere, wobei er aber diesmal wirklich todunglücklich war, nicht trotzig. Nachdem Robert (der Kleine) dann auch so richtig mitheulte und an Füttern nicht mehr zu denken war, half ich Richard eben doch beim Umziehen.
Was die anderen Tipps angeht, die dugeschrieben hast, so versuche ich bereits, die meisten zu beherzigen, z. B. rechtzeitig Bescheid sagen, wenn er kommen soll. Gestern Abend ging das leider gründlich daneben. Er wollte absolut nicht ins Bett gehen (trotz Ankündigung), worauf ich meinte, dann gäbe es eben keine Gute-Nacht-Geschichte.
Drohe nicht mit der Konsequenz. Wenn er nicht kommt, dann sei bereit die Konsequenz durchzuziehen.
Am Abend ist es halt einfach immer so eine Sache. Die Kinder sind müde und da ist es oft besser, die Kinder eher abzulenken.
Dann kam er immer noch nicht, weil seine Feuerwehrleute unbedingt noch etwas löschen mussten. Gut, meinetwegen, sie konnten ja die Playmobilfigur nicht brennen lassen. Als sie dann aber noch umständlich ihr Werkzeug einräumen mussten, sagte ich noch mal, er sollte jetzt bitte kommen (dabei stand ich neben ihm).
Versuch das Ganze spielerisch anzugehen. Vielleicht hättest du ja z.B eine Uhr stellen können. "Also wir stellen jetzt noch den letzten Alarm, wenn der Alarm losgeht, wenn die Uhr läutet. Dann muss alles weggeräumt sein und die Feuerwehrleute müssen ins Bett.
Er ging darauf gar nicht ein, also trug ich ihn nach unten in sein Zimmer. Als er merkte, dass ich auf die Gute-Nacht-Geschichte nun wirklich keine große Lust hatte, war er völlig verzweifelt und tat mir sehr leid. Er bekam sie dann auch noch. Er hatte es ja auch nicht böse gemeint, als er nicht kam, aber irgendwann muss ja abends Schluss sein. Etwas Logischeres als die Gute-Nacht-Geschichte fiel mir in dem Moment als Konsequenz auch nicht ein; normalerweise schätzt er sie so, dass das gut funktioniert (kommt aber ganz selten vor, da er in der Regel prima ins Bett geht).
Wie oben schon geschrieben. Wenn er wirklich nicht kommt und du ihn auch nicht ablenken kannst, dann musst du halt auch einmal die Gute-Nacht-Geschichte weglassen. "Schau, jetzt bist du nicht gekommen, hast so lange Zeit verplempert, jetzt reicht es nicht mehr für die Geschichte. Wir können es morgen wieder versuchen.
Oh je, jetzt habe ich dir so richtig lang mein Herz ausgeschüttet Also, konkret: In einer Situation, in der ich merke, dass er wirklich unglücklich ist - wie kann ich etwas zurücknehmen, ohne dass er mich nicht mehr ernst nimmt?
Was meinst du mit zurücknehmen? Eine Anweisung die du bereits gegeben hast? Diese solltest du eigentlich nicht zurücknehmen, vor allem nicht, wenn er dann jammert oder weint. Er wird so lernen, dass er eine Anweisung von dir mit jammern und weinen umgehen oder sogar umstossen kann.
Versuch auch immer vorher kurz zu überlegen, ob diese Anweisung Sinn macht. Wenn du das Gefühl hast sie sei wichtig, dann gib diese Anweisung (so wie ich es dir im letzten Posting erklärt habe).
Ich denke auch, dass du recht hohe Erwartungen hast an dich und auch an deinen Sohn. Damit machst du dir oft unnötig Stress und Probleme.
Siehe das Beispiel mit dem Umziehen. Ich hätte gar nicht erwartet, dass er dann so schluchzt, sonst hätte ich halt den Kleinen noch kurz jammern lassen. Aber dann konnte ich irgendwie auch nicht mehr zurück - oder sehe ich das falsch?
Und: Gibt es irgendwelche Tricks, wie ich die Ruhe bewahren kann? In ein anderes Zimmer gehen hilft nicht, wenn er hintersaust und weiterbrüllt, bis entweder ich zurückbrülle oder er sich fast übergibt.
Nochmals vielen Dank und liebe Grüße
Yvonne
Ruhe bewahren kannst du vor allem, wenn du dir vorher gut überlegst, WAS du eigentlich genau von deinem Sohn willst. Formuliere positiv. Warte ein paar Sekunden (auf 5 zählen), wenn es nicht ein Problemverhalten ist, dann kannst du die Anweisung noch einmal geben. Wenn es klappt, dann lobe und ermutige ihn. Wenn es nicht klappt, dann sei bereit eine log. Konsequenz anzuwenden. Drohe nicht mit der Konsequenz sondern tu es einfach.
Wenn es einmal keine log. Konsequenz gibt, oder das Problemverhalten grösser ist, dann setze ihn für eine bis 2 Minuten auf den stillen Stuhl. Er muss dann kurz auf einen Stuhl, Treppe, Boden sitzen, sich beruhigen, kurz nachdenken und du holst ihn dann wieder. (Wie bei der Auszeit). Wenn er nicht still ist, dann bring ihn in die Auszeit. Sag ihm warum: „du bisch nid still gsi, drum muesch itze e moment id uszyt/timeout ids zimmer.
In 99% der Fälle, wird der stille Stuhl die ersten paar Male nicht klappen. D.h er wird aufstehen und wegrennen und du musst ihn dann in die Auszeit bringen.
Die Auszeit ist die letzte Möglichkeit und steht am Ende einer langen Kette von Erziehungsfertigkeiten. (Fam. Regeln, direktes ansprechen, klare ruhige Anweisungen, Log. Konsequenzen, Stiller Stuhl und Auszeit. Die Auszeit funktioniert nur, wenn du vor allem auch die anderen Erziehungsstrategien (beschreibend loben, Aufmerksamkeit schenken, Zuneigung zeiten bei positivem Verhalten, beiläufiges lernen usw.) regelmässig anwendest.
Wichtig bei der Auszeit:
einen uninteressanten Raum wählen (wenn möglich nicht das Kinderzimmer, das Schlafzimmer, Gästezimmer oder auch das WC). Erklär ihm in einer ruhigen Situation, wie die Auszeit abläuft. Sag ihm dann, was du von ihm erwartest. "Ich möchte, dass du dich jetzt beruhigst." Lass ihn dann einfach und verlasse evt. auch den Raum. Bei einem Wutanfall hat es keinen Sinn auf ihn einzureden. Wenn er dich dann haut oder der Wutanfall wirklich ganz heftig ist, dann schick ihn in die Auszeit. Sag ihm warum du es tust.
Den st. Stuhl und die Auszeit/Time Out vorher, in einem ruhigen Moment, also wenn kein Problemverhalten besteht mit dem Kind besprechen. Sag ihm und erklär ihm, wie das abläuft und wann er in die Auszeit oder auf den st. Stuhl muss.
Bei der Auszeit erhalten Kinder und Eltern die Möglichkeit in hitzigen Situationen zu beruhigen und tief durchzuatmen. Wichtig ist dabei sicher zu stellen, dass das Kind keine Angst bekommt. DEnn im Unterschied zur Strafe soll die Auszeit weder demütigen noch wehtun, sondern die Aufmerksamkeit (z.B für aggressives Verhalten) entziehen. Ähnlich wie beim Eishockey wirkt auch die Auszeit nicht, weil die "zwei Minuten" an sich unangenehm sind, sondern weil das "Time In", das Mitspielen, we[rvoll ist. Richtig angewendet bietet die Auszeit für Kinder eine Chance zu lernen mit ihren Gefühlen (Enttäuschung, Ärger, Wut) umzugehen.
Genau wie beim Sport soll die Auszeit natürlich auch in der Erziehung möglichst wenig zum Einsatz kommen. Es ist eine Möglichkeit auf hitzige Situationen vorbereitet zu sein und bietet auch den Eltern eine Möglichkeit sich zu beruhigen und nichts Unüberlegtes zu tun.
Also, melde dich einfach wieder. Vielleicht mit ein paar Beispielen mehr.
liebe Grüsse
Kathrin