sich selber beschäftigen

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

sich selber beschäftigen

Beitragvon Sabine » 07.06.2008, 15:33

Hoi Kathrin,

ich habe heute Deine Webpage entdeckt und bin froh darüber.
Ich habe eine bald 3jährige Tochter. Sie geht zwei Tage die Woche in eine Kindertagesstätte während ich arbeite (Montag und Mittwoch). Nun fällt mir auf, dass sie jeweils den darauffolgenden Tag extrem quengelig, weinerlich, trotzig und irgendwie schlecht drauf ist. D.h. Dienstag und Donnerstags. Sie geht aber gern in die Kita, das bestätigen mir auch immer wieder die Betreuerinnen.

Nun zum Problem. In der Regel bestimme ich spontan je nach Wetter oder anfallenden Arbeiten was wir an den Kita freien Tagen machen. Nur am Dienstagmorgen habe ich mir meinen "Putzmorgen" eingerichtet.

Doch dieser ist für die Kleine jedesmal ein Riesenproblem, da sie sich dann alleine beschäftigen sollte. Ich muss vielleicht noch erwähnen, dass sie ein Einzelkind ist. Manchmal terrorisiert sie mich dermassen, schreit die ganze Zeit oder liegt mir vor die Füsse, so dass es für mich zur Tortur wird zu putzen. Es ist schon vorgekommen, dass ich am Mittag so erschöpft war vom ganzen Kampf, dass ich nur noch geweint habe sobald sie im Bett ihren Mittagsschlaf machte.

Ich finde aber, das es von ihr nicht zuviel verlangt ist sich mal einen halben Tag in der Woche alleine zu beschäftigen. Ich mache ihr dann auch Vorschläge, sie soll doch ein Büechli anschauen oder sich mit ihren Spielsachen beschäften, von denen sie ja reichlich hat.

Hast Du mir einen Typ, wie sich dieser Dienstagmorgen nicht zum Kampfmorgen entwickelt?


Vielleicht gehört das ja zu der sogenannten Trotzphase. Momentan ist es auch schwierig mit ihr einkaufen zu gehen. Sie will dann ins Wägeli, kaum ist sie drin, will sie raus, kaum ist sie raus, will sie wieder rein usw. Hast Du mir auch da eine Typ wie ich dem begegnen kann ohne zu schimpfen?

Manchmal habe ich sowieso das Gefühl ich bin immer nur am schimpfen.......

Danke und liebe Grüsse
Sabine



:o
Sabine
 
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Beitragvon Kathrin Buholzer » 07.06.2008, 23:29

Hoi Kathrin,

ich habe heute Deine Webpage entdeckt und bin froh darüber.

Hallo Sabine! Komme erst jetzt zum zurück schreiben.. Musste halt heute Fussball gucken...
Herzlich willkommen und schön dass du hier dabei bist.


Ich habe eine bald 3jährige Tochter. Sie geht zwei Tage die Woche in eine Kindertagesstätte während ich arbeite (Montag und Mittwoch). Nun fällt mir auf, dass sie jeweils den darauffolgenden Tag extrem quengelig, weinerlich, trotzig und irgendwie schlecht drauf ist. D.h. Dienstag und Donnerstags. Sie geht aber gern in die Kita, das bestätigen mir auch immer wieder die Betreuerinnen.

Das gibt es immer wieder. Du musst dir vorstellen, dass ganz viele Eindrücke jeweils auf deine Tochter niederprasseln. Sie muss sich gegen viele Kinder behaupten, teilen, sich durchsetzen, es ist laut mit vielen versch. Kindern usw. Oft müssen Kinder diese Eindrücke verarbeiten, manchmal fallen sie auch wie in ein "Loch".

Nun zum Problem. In der Regel bestimme ich spontan je nach Wetter oder anfallenden Arbeiten was wir an den Kita freien Tagen machen. Nur am Dienstagmorgen habe ich mir meinen "Putzmorgen" eingerichtet.

Das ist häufig ein Problem. Wenn du deine Tochter so quasi mit deinen "Plänen" überraschst.
Wichtig ist, dass du ihr immer sagst, was jetzt gerade passiert. (Vorausplanen). "Wir können jetzt eine Runde zusammen spielen und dann muss ich das Mittagessen vorbereiten." Versuch über den Tag immer kurz zu sagen, was als nächstes passiert. So gibt es eine Struktur und deine Tochter weiss immer was als nächstes kommt und was du von ihr erwartest. Versuch auch, wenn immer möglich, dir kurz die Zeit zu nehmen. Nicht immer auf später vertrösten, "ja ich komme gleich, ich muss vorher noch schnell dies und das machen." Wenn deine Tochter etwas von dir will, dann versuch deine Tätigkeit kurz zu unterbrechen. Hör ihr zu, hilf ihr, geh zu ihr und schau was sie von dir möchte. Ein paar Sekunden bis zu einer Minute reichen da aus.


Doch dieser ist für die Kleine jedesmal ein Riesenproblem, da sie sich dann alleine beschäftigen sollte. Ich muss vielleicht noch erwähnen, dass sie ein Einzelkind ist. Manchmal terrorisiert sie mich dermassen, schreit die ganze Zeit oder liegt mir vor die Füsse, so dass es für mich zur Tortur wird zu putzen. Es ist schon vorgekommen, dass ich am Mittag so erschöpft war vom ganzen Kampf, dass ich nur noch geweint habe sobald sie im Bett ihren Mittagsschlaf machte.

Sag ihr auch hier, was jetzt passiert. Was du jetzt machst und was du von ihr erwartest, was sie genau tun soll.
Versuch auch viele interessante Beschäftigungen zu suchen. Überleg dir einmal, was sie bei euch zu Hause tun kann. Mit welchen Sachen, Gegenständen, Materialien könnte sie spielen. Dinge, mit denen sie selber etwas "schaffen" kann. Die ihr Fantasie anregen und mit denen sie selber immer wieder neue Spielvarianten erfinden kann.
Gib deiner Tochter z.B Tücher, alte Kleider (z.B verkleiderlen), Kartonschachteln, Wäschekorb, Stühle, Zeichnungspapier... Du kannst ihr auch eine "Krimskrams-Kiste" machen. Einfach eine Schachtel mit wertlosem Material wie Schnur, Korkzapfen, Silberpapierchen, Knöpfe usw... Schmeiss dort immer wieder etwas rein. Mit dieser Kiste kann sie sich dann beschäftigen, basteln, zeichnen, kleben usw.
Wenn du im Haushalt zu tun hast, dann lass sie mithelfen, gib ihr Aufgaben, damit sie etwas zu tun hat. Auch wenn es dir vielleicht nicht allzu viel hilft, lass sie z.B die Türen abwaschen, die Fussleisten putzen, abstauen usw. Du weisst dann was sie tut, sie hat etwas zu tun, macht keinen Unsinn und kann bei dir sein.



Ich finde aber, das es von ihr nicht zuviel verlangt ist sich mal einen halben Tag in der Woche alleine zu beschäftigen. Ich mache ihr dann auch Vorschläge, sie soll doch ein Büechli anschauen oder sich mit ihren Spielsachen beschäften, von denen sie ja reichlich hat.

Mach ihr nicht immer Vorschläge, lass sie auch mal selber eine Idee haben, oder dann gib ihr konkrete Aufträge zum mithelfen. Du kannst auch nicht erwarten, dass du jetzt eine ganze Std. etwas machen kannst. Du kannst ihr z.B auch anbieten, dass du jetzt staubsaugst und sie dir dies oder jenes helfen kannst und ihr dann z.B zusammen etwas machen könnt.

Wenn du allgemein das Gefühl hast, dass sie selbstständiger werden sollte, dann kann ich dir folgenden grundsätzlichen Rat geben:

Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihr nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihr grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihr eine Lösung zu finden. Frag ihr, was sie tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie sie das jetzt anpacken könnte. Gib ihr Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für sie.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass dein Kind die Dinge die es selbst tun kann auch selber tun. Beobachte dein Kind und wenn du merkst, dass es Hilfe braucht, dann sei ihm eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Versuch sie mit kleinen Dingen zu unterstützen. Selber anziehen, waschen, Jacke anziehen, Brot streichen, Dinge wegräumen...
Sag ihr immer genau, was du von ihr erwartest. Wenn du merkst, dass sie es noch nicht alleine schafft, dann frag sie, was sie als erstes tun muss: "z.B wenn du deine Schuhe anziehen willst, was musst du zuerst machen?" - "Den Verschluss aufmachen." - "Genau, und dann...?" Geh mit ihr das schön Schritt für Schritt durch, lobe und ermutige sie.




Hast Du mir einen Typ, wie sich dieser Dienstagmorgen nicht zum Kampfmorgen entwickelt?


Vielleicht gehört das ja zu der sogenannten Trotzphase. Momentan ist es auch schwierig mit ihr einkaufen zu gehen. Sie will dann ins Wägeli, kaum ist sie drin, will sie raus, kaum ist sie raus, will sie wieder rein usw. Hast Du mir auch da eine Typ wie ich dem begegnen kann ohne zu schimpfen?

Beim einkaufen kann ich dir auch das Vorausplanen empfehlen. Mach einen "Aktivitätenplan", der sieht so aus:

1. Gute Vorbereitung
Sag ihr genau wo ihr hingeht, was passiert, wie lange usw. Mach mit ihr zusammen eine Einkaufsliste. Schaut was ihr alles braucht und schreibt es auf einen Zettel. Sie darf ja vielleicht auch einen machen, sie kann auch einen zeichnen. Sag ihr, dass ihr nur das kauft was auf dem Zettel steht.

2. Regeln festlegen
Besprich mit ihr die Regeln. Sag ihr was du genau von ihr erwartest. Positiv formulieren "Ich möchte, dass du im Geschäft bei mir bleibt. Ich habe Angst, dich sonst zu verlieren." Evt. kannst du sie ja selber danach fragen, was passieren kann, wenn sie wegläuft.

3. Belohnungen abmachen
Besprecht zusammen, was passiert, wenn sie sich gut an die Abmachungen hält. z.B zusammen etwas trinken gehen, auf den Spielplatz, ein Dessert nach dem Mittagessen, ein Büechli schauen usw.

4. Konsequenzen einsetzen
Wenn es nicht klappt, sei bereit logische Konsequenzen einzusetzen. (Du musst die Konsequenzen nicht ankünden, also nicht drohen "Wenn du wegläufst dann...")
Also z.B keine Belohnung oder das kleine Einkaufswägeli zurück bringen, einen Moment in den Wagen sitzen, einen Moment mit ihr rausgehen und auf die Treppe sitzen. Sag ihr dann immer warum du es tust. "Du bist jetzt grad davon gelaufen, obwohl wir abgemacht haben, dass du bei mir bleibst, deshalb gehen wir jetzt kurz raus, oder deshalb gehen wir nach dem einkaufen nicht mehr auf den Spielplatz.

5. Nachbesprechen
Sag ihr was gut war, lobe sie dafür und sage ihr auch , was sie evt. das nächste Mal noch besser machen könnte.

Das alles z.B schon am Morgen bevor ihr euch auf den Weg macht, kurz mit ihr zu besprechen. Bevor du dann in den Laden gehst, kannst du nochmals kurz zu ihr runter knien und sie nochmals kurz nach den Regeln fragen. (Positiv formulieren, also sagen WAS genau du von ihr erwartest)


Manchmal habe ich sowieso das Gefühl ich bin immer nur am schimpfen.......

Danke und liebe Grüsse
Sabine

Schau mal, ob du mit diesen Tipps und Anregungen etwas anfangen kannst und melde dich mit Fragen, Feedback oder auch mit mehr Beispielen einfach wieder.
Liebe Grüsse
Kathrin
Kathrin Buholzer
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