von Kathrin Buholzer » 07.09.2007, 00:44
Mein Sohn ist fünf Jahre alt und geht seit zwei Wochen in den Kiga. Er ist ein sehr lebhafter und selbstbewusster junger Mensch, welcher genau weiss was er will und was er nicht will.
Das ist ja an und für sich ganz gut und wichtig.
In der Spielgruppe war er sehr dominant. Es musste so laufen wie ER wollte.
Wie äussert sich denn das? Was macht er denn genau? Kannst du mir da ein Beispiel nennen?
Als erstes ist ganz wichtig, dass du versuchst, den Fokus auf das Positive zu richten. D.h Tun deineKinder etwas, dass du toll findest, etwas dass sie mehr machen sollten, dann versuch sie zu loben. Also wenn sie z.B einen Moment ganz ruhig und lieb spielen, dann geh später zu ihnen und sage: „ Das isch de schön, dass dir so ruehig und lieb gspielt heit.“ Oder „das hett mi de gfreut, dass dir so schön gspilt heit. Aufpassen dass du nicht ins negative fällst. „Es isch de schön, dass der itze ändlich mal nid so lut sit gsi.“ Man nennt das „Beschreibendes Lob“, also genau die Situation beschreiben die du beobachtet hast und diese loben. Versuch ganz stark, dieses Loben in den Alltag einzubeziehen. D.h nimm dir vor, dein Kind mind. 5 Mal am Tag beschreibend zu loben.
Dann ist ganz wichtig, dass du mit deinen Kindern zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Die Grösseren können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es untereinander keinen Streit gibt. Schreib es so auf, dass sie wissen WAS GENAU du von ihnen erwartest, was sie tun sollen. Also nicht: „I wott nid, dass du duesch houe“, sondern „I wott, dass du fiin, lieb, aständig bisch. Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihm genau erklärst was du von ihm möchtest. Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Frag sie auch, was passiert, wenn man jemanden beisst oder schlägt, wie sie sich fühlen würde, wenn ihr jemanden weh tut. Versuch auch evt. Alternativen mit ihnen zu besprechen, „ i verstah, dass du mängisch wüetig bisch, was chönnt me denn mache?“.Hesch e Idee? We öpper nid das macht, wo du möchschts, was wär denn e gueti Idee, was chönntsch mache?“ Gib ihnen erst Vorschläge, wenn sie selber keine wissen.
Bei Regeln musst du auch mit ihnen abmachen, was passiert, wenn sie sich nicht daran halten. Bei beissen, kratzen, schlagen usw. würde ich dir vorschlagen, den Stillen Stuhl oder die Auszeit anzuwenden. Bei uns müssen die Kinder bei diesem Verhalten sofort in die Auszeit. D.h du gehst zu ihm, sagst was er falsch gemacht hast, erinnerst ihn an die Regel und sagst: „Luca, du hesch itze grad der Lea gschlage, mir hei abgmacht, dass mir fiin und lieb mitenand umgöh, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“ Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln. Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.
Seit einiger Zeit ist er zu seiner Schwester (10 Jahre) extrem fies. Er plagt sie, ginget und zoicklet sie auf eine ganz gemeine Art, und zwar immer dann, wenn ich nicht gerade dabei bin.
Auf was führst du das zurück? Was läuft denn da genau ab? Wie reagierst du denn, wenn es einen Streit gibt?
Sie wehrt sich natürlich und es gab in den letzten Tagen ganz wüste Szenen mit Mordiogeschrei und beinah Verletzte.
Ich habe mir nun überlegt, ob es gut ist, wenn ich mit meiner Tochter abmache, dass wenn er wieder was gegen sie macht/sagt, dass sie zu mir kommt und es mir erzählt (sie ist ein ganz korrektes und ehrliches Kind). Sohnemann muss dann sofort für 5 Minuten in sein Zimmer, Türe zu. Sie soll sich nicht gross wehren und vorallem nicht zurückschlagen.
Hier ist es wichtig, dass du nicht als „Polizist“ in die Situation rein gehst, sondern als „Vermittler“. Wenn sie sich streiten und du zu ihnen gehst, dann versuche nicht gleich selber die Situation zu klären. Also nicht: „ was isch itze hie scho wider los, Luca was hesch ume gmacht? Muesch immer mit de andere stritte, itze gib ihne sofort die Sache zrügg/la se i Rueh usw.“ Versuch als erstes mal zuzuhören. Was genau ist passiert, versuch nicht zu bewerten und Partei für jemanden zu ergreifen. Hör zu und mach dir ein Bild. Wenn nötig fass das Gehörte zusammen: „Also hani das richtig verstande, Luca du bisch verruckt worde, wüll d Lea nid hett wölle mit dir spile.“ Versuch auch hier nicht gleich selber die Lösung zu geben. Probier deine Kinder zu einer Lösung zu bewegen. „Also, Lea du möchtsch nümme mit em Luca spile und du Luca möchtsch, no chli mit ihre witer spiele. Was mache mer itze? Was gits itze für ne Möglichkeit, heit der e Idee. Wie chönntet dir das Problem itze löse?“
Kinder haben meistens selber sehr gute Ideen Probleme zu lösen, man muss sie nur lassen. Wichtig ist, dass du ihnen nur soviel Hilfe wie nötig gibst, so dass sie das Problem eigentlich selber lösen können. Wenn es dann nicht klappt, oder sie sich nicht einigen können, dann kannst du immer noch einschreiten od. eine Lösung vorschlagen. „Luget, wenn dir öich nid chöit einige, wär itze mit dem Outo spilt, de nimenis itze für ne Moment wäg. 10 Minute gibenis euch de wider und de chöit der de nomal versueche das z löse.“ Es ist nicht deine Aufgabe abzuwägen und den Schiedsrichter zu spielen, du sollst nur Hilfestellungen geben und die Kinder müssen es dann selber versuchen. Das ist für dich einfacher, denn sonst stehst du immer zwischendrin, du bist immer für irgendjemanden „die Böse“ du kannst es nicht allen recht machen. Deshalb ist es für dich auch viel entspannter, wenn deine Kinder nach Lösungen suchen. Sie werden mit der Zeit auch merken, dass sie dich auch nicht immer rufen müssen, denn du ergreifst ja „keine Partei“ mehr für jemanden. Ich weiss, das ist sehr schwierig am Anfang, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Es wird sicher auch nicht gleich beim ersten Mal klappen, aber probier es einfach immer wieder. Du kannst mir ja ein Feedback geben wie es geklappt hat.
Was meinst Du, wäre dies ein Ansatz um das Problem in den Griff zu bekommen? Kann ich sie in die Problemlösung einspannen, oder ist dies eher "gefährlich" als Schwester?
Ich würde damit aufpassen. Sie lernt so, dass sie ihren Bruder immer anschwärzen darf und lernt nicht Probleme selber zu lösen. Das Verhältnis zwischen den beiden wird so nicht verbessert, im Gegenteil.
Ich muss noch hinzufügen, dass ich letzte Woche ein Gespräch mit der Kiga Lehrerin hatte, da er sehr frech zu ihr und zu anderen Kindern war und sie nach einigem Warnen ganz fest mit ihm geschimpft hat. Er kam dann weinend nach Hause und sagte, dass er nie mehr in den Kiga gehen will. Ich ging am anderen Tag zur Kiga Lehrerin und fragte nach. Sie erzählte mir, was im Detail passiert war. Ich sagte ihr, was im Moment zu Hause abgeht und wir besprachen, dass sie im Kiga und ich zu Hause konsequenter die Grenzen klar und enger anziehen werden, damit er weiss, was er darf und was nicht.
Versuch auch hier mit ihm Regeln auszuarbeiten, lass ihn selber aufzählen. Was darf man, wie soll man sich verhalten? Was passiert wenn man andere schlägt? Wie soll man mit anderen Kindern umgehen? Was passiert, wenn man zu anderen Kindern immer frech ist? usw...
Lobe ihn, wenn es gut geht. Eine Punktekarte macht in diesem Fall nicht viel Sinn, da es schwierig zu kontrollieren ist. Lasse lieber eine log. Konsequenz folgen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mir Deine Meinung dazu schreiben würdest. Ich glaube, es braucht nur ein paar wenige Veränderungen und etwas mehr Sicherheit bei mir, dann sollte das Schiff wieder flott sein. Lg
Ich hoffe, du kannst mit diesen vielen Antworten etwas anfangen. Nimm dir nicht zu viel aufs Mal vor. Gib mir ein Feedback und frag nach, wenn du etwas nicht verstanden hast, ok? Ich wünsch dir viel Erfolg und viel Energie beim ausprobieren! Liebe Grüsse
Kathrin