Sohn (5) hat sehr grosse Angst vor neuen Situationen

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Moderator: Kathrin Buholzer

Sohn (5) hat sehr grosse Angst vor neuen Situationen

Beitragvon sax » 15.06.2010, 13:27

Hallo Kathrin,

Wir haben 2 tolle Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren. Yasmin geht seit letztem August in die 1. Klasse und Leandro seit letztem August in den 1. Kindergarten.
Mit Yasmin haben wir keine nennenswerte Probleme, obwohl sie seit sie in der Schule ist vermehrt ihre/unsere Grenzen austestet. Dies bewegt sich aber im normalen Bereich.
Leandro war schon immer sehr anhänglich und körperlich. Es war ihm schon immer sehr wichtig dass ich ihn halte (z.B. seine Hand beim Einschlafen), er kuschelt sehr gerne mit mir und rauft sehr gerne mit meinem Mann, wird sehr gerne gekitzelt etc. Diese Nähe geniesse ich natürlich und gebe sie ihm auch gerne.
Zudem ist er sehr draufgängerisch, klettert überall hoch, schwimmt schon seit er 4 ist, springt vom 5-Meter Sprungbrett, fährt halsbrecherisch Fahrrad (erst mit dem Laufrad, dann mit einem normalen Rad), traut sich auch grösseren Kindern die Meinung zu sagen, hat also in dem Bereich kaum Ängste.
Anders sieht es aus, wenn er in eine neue Situation kommt. Dann geht gar nichts mehr. Bevor er in den Kindergarten kam, lag er uns 2 Monate vorher schon in den Ohren, dass er nie 5 werden wolle weil er dann in den Kiga müsse. Er wolle nie in den Kindergarten etc…..
Er hatte solche Angst, obwohl er die Kindergärtnerin, die „grossen“ Kindergärtner, den Kindergarten-Ort von aussen und innen und den Kindergartenweg schon sehr gut kannte. Zudem wusste er, dass es dann mit dem Nachbarsjungen (mit dem er gut befreundet ist) jeden Tag in den Kindergarten laufen kann, weil der dann in den 2. Kindergarten kam. Unsere Tochter war vorher dort im Kindergarten und kam dann ja in die Schule.
Wir haben auf ihn eingeredet, ihm alles erklärt, ihn zu beruhigen versucht, ihm versichert, dass wir so lange bei ihm im Kiga bleiben werden, bis es ok sei für ihn. Ich hatte mich auf mehrere Tag resp. Wochen eingestellt. Es nützte kein Reden, er war untröstlich und ängstlich.

Am ersten Kiga Tag ging mein Mann wie abgemacht mit. Nach etwa 1 Stunde meinte Leandro zu ihm er könne jetzt gehen. Am 2. Kigatag habe ich ihn auf seinen Wunsch hin bis zum Kiga begleitet, etwa 10 Meter vor der Türe zum Kindergarten meinte er, „Mami Du kannst jetzt gehen und abholen musst Du mich schon gar nicht“.
Von da an ging er problemlos alleine. Allerdings nur wenn nichts Besonderes geplant ist. Am Morgen vor der ersten Turnstunde, oder wenn die Zahnputzfrau kommt, wenn der Nachbarsjunge krank ist und er die Hälfte des kurzen Weges alleine machen muss (die erste Hälfte gehen sie zusammen mit Yasmin), wenn Waldtag ist, wenn der Schularzt kommt……. also immer wenn etwas Aussergewöhnliches ansteht will er nicht mehr in den Kindergarten. Ich muss dann jeweils mit ihm mitgehen bis zum Kindergarten und er umklammert meine Hand. Im Kindergarten muss ich ihn der Kindergärtnerin „übergeben“ während er weint und „Mami nicht gehen“ ruft und dann ganz schnell gehen. Wenn ich länger bleibe und ihn zu trösten versuche wird es nur schlimmer. Wenn er dann jeweils am Mittag nach Hause kommt ist aber alles Bestens und er erwähnt die Angst am Morgen mit keinem Wort.

Das gleiche passierte als wir das 2. Mal im Schlagzeugunterricht waren (er wollte unbedingt Schlagzeug oder Trompete lernen) und ich auf Anweisung des Lehrers 5 Minuten raus ging. Als ich zurückkam war der Lehrer hilflos am Telefon um mich zu erreichen und Leandro hinter dem Schlagzeug in Tränen. Beim ersten Mal musste ich sogar direkt hinter ihm sitzen und ihn anfassen (sein Wunsch), es reichte nicht dass ich vor ihm stand. Der Lehrer meinte er sei sehr talentiert und wenn ich die Geduld aufbringen würde, solle ich ihn unbedingt weiterhin bringen. Ich habe mir (und ihm) eine Frist bis zu den Sommerferien gegeben. Bis dann soll er normal am Einzelunterricht teilnehmen können (ich bleibe natürlich dort), sonst brechen wir das Ganze ab und verschieben es. Letzte Woche wollte er wieder nicht gehen, hat gebockt, wollte die Schuhe nicht anziehen usw. Er sagte er gehe nicht gerne in den Unterricht. Da habe ich mit ihm abgemacht, dass wir dieses Mal noch gehen müssen, weil wir den Termin abgemacht haben, aber dass er danach sagen könne ob er wieder gehen wolle oder nicht und wenn nicht, dass wir dann ab sofort nicht mehr gehen. Nach dem Unterricht meinte er aber zu mir, er wolle wieder kommen, es mache ihm grossen Spass.

Noch ein Beispiel ist ein 1-wöchiger Fussballkurs, den er bereits in den Herbstferien besucht hatte (auf seinen Wunsch hin, zusammen mit einem Freund). Schon damals musste ich die ganze Woche jeden Tag die 2 Stunden in der Turnhalle sitzenbleiben. Es hatte mich zwar genervt, hab’s aber trotzdem getan. Er liebt Fussball und vor allem den Match, den sie jeden Tag hatten. Die Übungen, die er zusammen mit seinem Freund machen „musste“ fand er aber gar nicht toll und da musste ich manchmal sogar neben ihn stehen!
Weil er so gerne Fussball spielt habe ich ihn in den Frühlingsferien wieder angemeldet, wieder zusammen mit seinem Freund, in „unserem“ Schulhaus, wieder mit demselben Lehrer. Habe ihm wieder versprechen müssen jeden Tag immer dort zu bleiben.
Ich dachte nun wird es sicher besser werden, war aber nichts. Er wollte wieder dass ich neben ihm stehe wenn er weiter von mir weg positioniert wurde durch den Lehrer. Einmal sollte ich sogar mit ihm mitlaufen bei einer Übung. Ich habe mich geweigert, dann soll er halt nicht Fussball spielen. Er hat sich dann neben mich gesetzt. Sobald der Match angepfiffen wurde war alles ok, er spielte mit und gab alles.
Ich werde ihn natürlich in nächster Zeit nicht mehr an Ferienkurse anmelden.

Letztes Jahr wollte ich ihn an einen Schwimmkurs anmelden damit er „richtig“ schwimmen lernt (gleiche Schwimmschule wie Yasmin). Er war nicht ins Wasser zu bewegen, obwohl er eine riesen Wasserratte ist und keine Angst vor dem Schwimmen oder der Lehrerin hatte. Auch als Yasmin ihm anbot mit ihm ins Wasser zu kommen und bei ihm zu bleiben war nichts zu machen. Wir hatten es sofort abgebrochen.

Ich weiss nicht wie ich damit umgehen soll. Ich will ihm natürlich die nötige Sicherheit geben und ich bin noch nie weggegangen und nicht zum vereinbarten Zeitpunkt wiedergekommen. Er war seit er 8 Monate alt war bis er fast 3 Jahre war, zusammen mit seiner Schwester in einer Krippe. Danach hatten wir bis er in den Kindergarten kam eine Nanny bei uns zu Hause (ich arbeite 2 Tage/Woche). Seit letztem August gehen beide zu besagtem Fussball- und Schulfreund meiner Tochter nach Hause nach dem Kiga und der Schule an meinen Arbeitstagen. Dort bei dieser Tagesmutter war es noch nie ein Problem.

Ich habe einfach das Gefühl er steht sich selbst im Weg. Er sagt er würde gerne Judo oder Karate machen aber mir graust es davor. Vor den Tränen, vor seiner Angst, vor dem immer-dabei-sein-müssen…..
Morgen machen sie mit dem Kiga einen Ausflug. Ich weiss nicht ob ich ihn, wenn er wieder nicht hin will, einfach in den Kiga begleiten und dann wieder gehen soll oder ihn auf den Ausflug begleiten soll (könnt ich zeitlich machen, hätte aber dringenderes zu erledigen).
Was kann ich machen um es ihm einfacher zu machen und ihn noch mehr (oder anders) zu unterstützen ?
Mir wurde einmal von einer Spielgruppenleiterin gesagt, ich könne ihn nicht loslassen und darum sei er so. Ich bin aber sicher, dass ich ihn gut loslassen kann. Ich möchte ja, dass er auch ohne mich etwas neues erleben kann. Ich denke, Angst vor etwas Neuem zu haben ist normal und gesund, aber in dem Ausmass wie bei Leandro habe ich es noch nie erlebt und auch noch nie von anderen gehört. Ich hoffe Du kannst mir Ideen, Anregungen oder Tipps geben wie ich sein Verhalten besser verstehen und ihn auch besser unterstützen kann.

Tut mir leid, ist ein riesiger Roman geworden.
Danke, sax
sax
 
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Re: Sohn (5) hat sehr grosse Angst vor neuen Situationen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 21.06.2010, 09:48

Hallo Sax

ganz wichtig ist immer das Vorausplanen. Als den Kindern zu sagen, was auf sie zu kommt. Das machst du glaub ich auch schon ganz gut. Sag ihm immer was passiert, besprich mit ihm die Details, dadurch gibst du ihm eine Sicherheit.
Manchmal kann man die Situation auch ein bisschen mit ihnen "üben" also so ein kleines Rollenspiel mit ihnen machen. Frag ihn auch, was er denn z.B machen könnte, wenn dieses oder jenes passiert.
Wichtig ist, dass du ihm Mut machst ohne ihn zu verunsichern. Manchmal önnen aber zu viel Diskussion, zu viel gut gemeinte Ratschläge, die KInder mehr verunsichern. Sie spüren dann, dass etwas ganz Grosses auf sie zu kommt und trauen sich das dann selber gar nicht mehr zu. Am besten finde ich immer, wenn man versucht das möglichst locker und normal anzugehen. Vorbereiten und vorbesprechen aber ohne zu signalisieren, dass man das dem Kind vielleicht gar nicht so recht zu traut, oder dass man Angst hat, dass es die Situation vielleicht nicht meistern kann. Auch wenn du vielleicht nicht das Gefühl hast, dass das so rüber kommt, spürt er vielleicht doch deine Verunsicherung, da es ja schliesslich schon einige solche Situationen gegeben hat.
Es ist ok, wenn du dich in kleinen Schritten verabschiedest oder die Hürde nicht zu gross ist für ihn. Trotzdem musst du aufpassen, dass du ihm nicht zu viel Spielraum einräumst und ihm zu fest signalisierst, dass du dann halt bei ihm bleibst. Geh grundsätzlich immer davon aus, dass er es schafft. Versuch so wenig Versprechungen zu machen. Ihr könnt z.B vorher zusammen abmachen, wie ihr euch verabschieden wollt. Wenn er aber weiss, dass du ja dann eh bei ihm bleibst um so grösser ist dann auch die Verlockung, dich bei sich zu haben. Vielleicht hat sich das auch schon so ein wenig "eingeschlichen". Er weiss, wenn ich weine oder nicht so recht will, dann bleibt ja die Mama in meiner Nähe. Verstehst du was ich meine?
Versuch das immer möglichst neutral und sachlich zu machen, auch wenn es dir leid tut, wenn er sich mit dem Verabschieden schwer tut. Ein kleines Verabschiedungsritual kann auch helfen und dann ist es wichtig, dass du sofort und zügig gehst. Versuch Sätze wie: "Also ich geh jetzt? Ist gut, wenn ich jetzt gehe? Also, dann machs gut, ich komme ja schon bald wieder..." usw. zu vermeiden. Sag ihm Tschüss und dann geh einfach. Das musst du ihm aber auch unbedingt vorher klar machen. Besprich mit ihm, wie du dich von ihm verabschieden willst und dass du dann aber auch wirklich gehen wirst.
Ich denke, dass du da etwas "strenger" sein musst und aufpasst, dass du nicht zum "Spielball" wirst. Du tust ihm aber auch dir keinen Gefallen. Und die Kinder beruhigen sich ja dann auch meistens schnell wieder.

Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
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