Geduldsprobe

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Geduldsprobe

Beitragvon arone » 10.11.2008, 15:22

Hallo
Ich hab hier schon einmal ein Problem geschildert, welches sich dank Ihrer Hilfe gelegt hat. Nun belastet mich aber etwas neues.
Mein Sohn (im April wird er 5) hat keine Geduld. Immer alles soll gleich und jetzt passieren, er kann nichts abwarten, alles soll immer weiterlaufen. Wenn etwas nicht gleich nach seinen Erwartungen passiert, wird er gleich sehr ausfallend. Nun ist dies aber nicht nur sein Problem. Ich merke zunehmend, dass ich auch so bin und immer so war. Ich bemerke, dass er ich sein könnte. Nicht nur betreffend dieser Geduldssache sondern auch bei den meisten anderen Charakterzügen. Wir prallen immer sehr gegeneinander, da wir so gleich sind. Ich hoffe, sie verstehen was ich meine. Er ist genau wie ich und ich kann nicht richtig damit umgehen, da ich mich immer selber sehe. Vielleicht haben Sie einen Vorschlag.
Vielen Dank im Voraus und liebe Grüsse
arone
 
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Beitragvon Kathrin Buholzer » 10.11.2008, 16:19

Hallo
Ich hab hier schon einmal ein Problem geschildert, welches sich dank Ihrer Hilfe gelegt hat. Nun belastet mich aber etwas neues.

Hallo Arone! Ich duze dich, du darfst auch (ist hier bei uns so üblich... :-)

Mein Sohn (im April wird er 5) hat keine Geduld. Immer alles soll gleich und jetzt passieren, er kann nichts abwarten, alles soll immer weiterlaufen. Wenn etwas nicht gleich nach seinen Erwartungen passiert, wird er gleich sehr ausfallend.

Ganz wichtig ist mal, dass du versucht immer wieder gut vorauszuplanen. D.h teile den Tag in kleine Häppchen, sag ihm immer, was als nächstes passiert und was du von ihm erwartest. Gib ihm ganz konkrete und einfache Aufgaben, die er selber erfüllen kann und lobe ihn dann jeweils auch dafür. Auch für seine Hilfsbereitschaft. Achte darauf, dass du nicht zu hohe Ziele und Erwartungen hast, die ihn ständig überfordern. Gib ihm einfache und klare Anweisungen und Aufgaben, damit er sie auch bewältigen kann. Schau auch, dass du ihm nicht immer alles abnimmst. Wenn er mal was nicht schafft, dann erledige es nicht einfach für ihn. Biete ihm Hilfestellungen an: "Was möchtest du tun? Kann ich dir irgendwie helfen? Wie könntest du das jetzt lösen?" Versucht zusammen eine Lösung zu finden. Frag ihn selber nach Lösungen, wenn er keine weiss, dann biete ihm Tipps und Hilfestellungen an. Wenn er wütend wird, dann tröste ihn und hilf ihm zum Ziel zu kommen.
Oft ist es auch hilfreich die Kinder abzulenken. Gerade wenn du merkst, dass sie sich verstricken, dass es schwierig wird, dann benutze deine Fantasie. Ein paar Ideen findest du vielleicht auch hier: http://www.elternplanet.ch/45.html

Hilf ihm selbstständig zu werden:

Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihm eine Lösung zu finden. Frag ihn, was er tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie er das jetzt anpacken könnte. Gib ihm Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für ihn.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass dein Kind die Dinge die es selbst tun kann auch selber tun. Beobachte dein Kind und wenn du merkst, dass es Hilfe braucht, dann sei ihm eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Versuch ihn mit kleinen Dingen zu unterstützen. Selber anziehen, waschen, Jacke anziehen, Brot streichen, Dinge wegräumen...
Sag ihm immer genau, was du von ihm erwartest. Wenn du merkst, dass er es noch nicht alleine schafft, dann frag ihn, was er als erstes tun muss: "z.B wenn du deine Schuhe anziehen willst, was musst du zuerst machen?" - "Den Verschluss aufmachen." - "Genau, und dann...?" Geh mit ihm das schön Schritt für Schritt durch, lobe und ermutige ihn.


Nun ist dies aber nicht nur sein Problem. Ich merke zunehmend, dass ich auch so bin und immer so war. Ich bemerke, dass er ich sein könnte. Nicht nur betreffend dieser Geduldssache sondern auch bei den meisten anderen Charakterzügen. Wir prallen immer sehr gegeneinander, da wir so gleich sind. Ich hoffe, sie verstehen was ich meine. Er ist genau wie ich und ich kann nicht richtig damit umgehen, da ich mich immer selber sehe. Vielleicht haben Sie einen Vorschlag.

DAs hast du gut erkannt. Du kannst nicht von ihm erwarten ruhig und geduldig zu bleiben und es dann selber auch nicht sein. Das wird er nicht verstehen.
Worin besteht denn deine Ungeduld? Wie äussert sich das?

Wichtig finde ich einfach, dass du ihn immer wieder selber gewähren lässt, einen Schritt zurück stehst und nur eingreifst, wenn er selber wirklich nicht weiterkommt. Biete ihm dann einfach deine Hilfe an und rege ihn an, selber eine Lösung zu finden: "Schau mal, dieses Haus ist jetzt grad zusammengekracht. Das war aber ein riesiges Erdbeben. Was musst du jetzt nach einem solchen Erdbeben als erstes tun?... Genau, alles auf die Seite räumen und dann? ... Ja, anfangen ein neues Haus zu bauen. Was machst du zuerst? ... Gut, super, zuerst die vier Eckpfeiler bauen... und dann...." Leite ihn durch die Aufgabe. Das gibt dir auch Zeit zum Verschnaufen und er fühlt sich gestärkt, weil er es selber kann.



Vielen Dank im Voraus und liebe Grüsse

Gern geschehen und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
Kathrin Buholzer
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