von Kathrin Buholzer » 05.12.2007, 01:22
Hallo
Super, dass ich von ihnen den Link bekommen habe.
Gern geschehen, schön dass du hier bist!
Nun denn...
Unsere Tochter ist 3.5 Jahre alt. Vor zwei Monaten haben wir ein Bebe bekommen.
Unsere Grosse ist sehr mamafixiert, die Geburt und die erste Zeit waren nicht sehr einfach.
Wir haben sie auf das Geschwister vorbereitet, aber genützt hat es wohl nicht viel.
Jedenfalls ist sie seit der Geburt der Kleinen sehr extrem in ihrem Verhalten.
Das ist eigentlich ganz normal. Jetzt war sie 3,5 Jahre der Mittelpunkt in eurer Familie und nun kommt da ein kleines Geschöpf und sie hat nun sicherlich Angst, dass sie ihr den Platz streitig macht. Versuch ihr viel positive Aufmerksamkeit zu schenken. Lobe und ermutige sie und schenke ihr immer wieder wertvolle Zeit. D.h immer wieder am Tag ein paar Sekunden bis ein paar Minuten Zeit für sie nehmen, wenn sie grad deine Hilfe braucht. Nicht immer auf später vertrösten wie "ja ich komm dann gleich, ich muss noch schnell."
Beispiel:
Heute Mittag waren wir zwei am Kochen. Als ich nichts mehr für sie zu tun hatte, hat sie selber mit einem Rollenspiel begonnen. Sie ist zu mir zu Besuch gekommen, ich war die Grossmutter von ihrem Bäbi. Ich habe ihr die Türe geöffnet und sie willkommen geheissen und ihr gesagt, dass es doch super sei, dass sie komme. Es gäbe gerade was zu essen. Sie ist darauf eingestiegen...
Ich habe ihr noch einmal gesagt, gell, wir essen gleich, ich rufe noch den Papa.
Besser wäre hier: ihr so 5 bis 10 Minuten vorher anzukünden, dass es jetzt dann bald Essen gibt. "Jetzt nehmen wir noch das Dessert und dann möchte ich, dass du dir die Hände wäscht, damit wir dann Essen können." Wenn ihr das Dessert gegessen hast kannst du z.B sagen: "So, das Dessert war sehr fein, vielen Dank, abwaschen können wir ja nachher. Jetzt geh bitte schnell die Hände waschen, der Papa kommt und wir können essen." Versuch klare, ruhige und direkte Anweisungen zu geben. Also keine Frageform: "Würdest du jetzt bitte die Hände waschen, oder gell, jetzt kommst du dann gleich?" Gib ihr die Anweisung und dann gib ihr ein paar Sek. Zeit zu gehorchen (kannst für dich leise auf 5 zählen). Wenn sie es tut, dann lobe sie, wenn nicht, dann gib ihr die Anweisung noch einmal. Drohe nicht ("Wenn du jetzt nicht kommst, dann gibt es nicht zu essen)". Wenn sie nicht kommt dann ignoriere sie und geh einfach zum Tisch, lass sie toben, wenn es zu heftig wird, dann sag ihr, dass sie sich beruhigen soll und wenn sie dich haut, schick sie in die Auszeit.
Hier noch ein paar Tipps zur Auszeit und zum stillen Stuhl:
Ich kann dir auch noch ein paar Merkblätter dazu mailen, wenn du willst.
Der st. Stuhl ist eine milde und effektive Möglichkeit, dass Kinder angemessenes Verhalten lernen. In vielen Situationen schicken wir die Kinder einfach ins Zimmer, also in die Auszeit. Oft ist diese Konsequenz aber zu "hart" und viele Eltern sind froh, wenn sie sehen dass es noch etwas wie eine "Vorstufe" gibt. Den stillen Stuhl kannst du einsetzen, wenn sie nicht tut, was du ihr sagst, oder wenn andere Konsequenzen keinen Erfolg zeigen.
Der st. Stuhl bedeutet: Das Kind muss seine Beschäftigung unterbrechen und für kurze Zeit in dem Raum, in dem das Problem aufgetreten ist, ruhig sitzen muss. (Zw. 1-5 Minuten je nach Alter). Es kann ein Stuhl sein, eine Treppe, ein Trip Trap. Es ist kein "Schäm-di-Eggli" es muss also nicht ein bestimmter Stuhl sein, an einem bestimmten Ort. Den st. Stuhl kannst du auch beim einkaufen anwenden. Z.B auf einer Treppe, in der Tiefgarage, im Auto, auf dem Spielplatz auf einem Bänkli usw.
Wenn das Kind sich nicht an deine Anweisungen hält und es keine passenden log. Konsequenzen gibt, dann sag ihm: " Du hast jetzt nicht das gemacht, was ich dir gesagt habe, deshalb musst du jetzt für 2 Minuten auf den st. Stuhl." Bring sie ruhig aber bestimmt dort hin. Wenn sie die festgesetzte Zeit ruhig war ( wie ruhig, das kannst du selber entscheiden, wenn sie noch ein bisschen "rum mötzelt" ist das auch ok) dann darf sie wieder weiterspielen.
Lobe sie dann und sprich den Vorfall nicht mehr an. "Schön, dass du dich beruhigt hast, du bist jetzt schön still gewesen, jetzt darfst du wieder aufstehen."
Wenn sie nicht still sitzt (das ist am Anfang zu 99% der Fall) dann bring sie in die Auszeit. Sag ihr, was sie falsch gemacht hat und bring sie ruhig dorthin. "Du warst auf dem st. Stuhl nicht still, deshalb musst du jetzt in die Auszeit." Drohe nicht mit der Auszeit, sondern tu es einfach. Oder: "Lena, du hast jetzt gerade die Larissa gehauen, wir haben abgemacht, dass wir anständig und lieb miteinander umgehen. Deshalb gehst du jetzt für 3 - 5 Min. in die Auszeit."
Du nimmst sie ganz ruhig und bestimmt, und bringst sie in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer….
Wenn sie die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber sie muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihr und sagst: „du warst jetzt schön still, jetzt darfst du wieder rauskommen.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch sie wieder in eine Aktivität zu verwickeln.
Die Auszeit zeigt ihr, dass sie ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihr aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen.
Drohe nicht mit der Auszeit, sie wird sonst lernen, dass sie erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Versuch anstatt zu drohen, das Kind zu motivieren. „Hey, wenn di itze schnäll aziehsch, denn hei mer när no gnue Zyt fürs Büechli.“ Oder „Due di itze alege und wed agleit bisch denn chasch cho ässe.“ (Nicht: wed di itze nid aleisch, de chasch nid cho ässe).
Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du sie wieder von der Auszeit zurückholst.
Denk dran: Die Auszeit ist die letzte Möglichkeit und steht am Ende einer langen Kette von Erziehungsfertigkeiten (Fam. Regeln, direktes ansprechen, klare ruhige Anweisungen, Log. Konsequenzen, Stiller Stuhl und Auszeit. Die Auszeit funktioniert nur, wenn du vor allem auch die anderen Erziehungsstrategien (beschreibend loben, Aufmerksamkeit schenken, Zuneigung zeiten bei positivem Verhalten, beiläufiges lernen usw.) regelmässig anwendest. Überleg dir vorher, für welches Verhalten du die Auszeit anwenden willst. Also z.B für heftige Wutanfälle, spucken, schlagen, beissen, hauen usw.
Du kannst eine Auszeit auch direkt anwenden, ohne vorher noch den st. Stuhl zu brauchen.
Dann habe ich serviert und alle zu Tisch gerufen. Und sie? Ist explodiert, hat rumgeschrien und mich gehauen. Sie wolle noch fertig spielen und jetzt nicht essen. Es war massiv. Wir haben ihr ganz ruhig erklärt, es sei jetzt Essenszeit und Spielen tun wir dann nacher. Dann haben mein Mann und ich gegessen. Sie hat weitergeschrien. Dann bin ich noch einmal zu ihr hin und habe ihr gesagt, sie solle sich in ihr Bett beruhigen gehen und wenn sie dann wieder ruhig sei, dann sei sie herzlich eingeladen, mit uns zu essen.
Sie ist dann tobend rauf und nach etwa zehn Minuten wieder runter gekommen.
Oder aber mit dem Nuggi:
Sie ist ein richtiger Nuggifan. Ich will aber nicht, dass sie den Nuggi überall und immer hat, darum haben wir Nuggiregeln aufgestellt. Nuggi gibt es nur noch im Bett. Ausnahme: Wenn sie krank ist. Wenn sie mit dem Nuggi raus kommt, dann muss sie auf die Treppe. (stiller Stuhl) Jedenfalls testet sie das mehrmals pro Woche, ob es denn auch noch gilt und beeindrucken tut es sie auch nicht. Nach dem dritten Test pro Tag nehme ich den Nuggi weg und sie bekommt ihn erst wieder am Abend.
Nuggiregeln sind gut. Schau, dass sie positiv formuliert sind. Was möchtest du von ihr. Also: "Wenn du aus dem Bett kommst, dann kommt der Nuggi ins Bett." Stell die Regeln zusammen mit ihr auf. Besprecht zusammen, wie das genau ablaufen soll. Evt. hat sie selber Ideen und kann diese einbringen. bastelt, schreibt, klebt und zeichnet diese Regeln, sie kann ruhig auch mithelfen und hängt sie dann gut sichtbar z.B im Kinderzimmer auf. (Du kannst auch Regeln für den Umgang mit dem kleinen Geschwisterchen aufstellen.)
Zur Verstärkung, Motivation würde ich hier beim Nuggi nicht mit einer Konsequenz handeln, sondern mit einer Belohnung, wenn es klappt. Ich würde hier eine Punktekarte/Chläberliplan einsetzen. Hier noch ein paar wichtige Punkte dazu:
- Positiv formulieren, was möchtes du von ihr.
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass er gern hat. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Piratenschiff usw. Beim Schloss z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn sie es geschafft hat, also z.B sich an die "Nuggi-Regeln" gehalten hat, darf sie ein Kleberli aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen. Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben, einen Bagger, Lego usw. muss aber nicht sein.
-Setz ein leichtes Ziel. Also z.B nach dem ersten Mal den Nuggi ins Bett legen eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, motivieren fürs nächste Mal.
Was mich am ganzen so nervt? Ich rede und rede - an eine Wand! Und zweitens: Es bringt eine so schlechte Grundstimmung in die Familie. Wir haben wegen jeder Kleinigkeit ein Mordstheater. Ruhig spielen mit ihr ist fast nicht mehr Möglich.
Versuch den Fokus aufs Positive zu richten. Tut sie etwas, dass du gut findest und dass du mehr von ihr sehen möchtest, dann lobe sie. Sag ihr genau, was dir gefallen hat. "Ich finds toll, dass du jetzt grad gekommen bin, als ich dich gerufen habe. Schön, dass du so ruhig gespielt hast, während ich telefoniert habe usw."
Wichtig ist auch, dass du nicht alles x-mal sagst.
Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten:
Geh zu ihr hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich sie mit Namen an und sag ihm genau was er tun soll: „bitte häb dini Füess abe, gang bitte ga Zähnputze, due bitte normal rede, …“ (auch hier, immer sagen, was er tun soll, was du von ihm möchtest). Achtung: KEINE Frageform. "Würdest du jetzt bitte aufhören? Kommst du bitte? Lässt du das jetzt bitte sein?" Du gibst ihm eine ANWEISUNG und keine Frage. Er kann nicht auswählen, ober er es tun will oder nicht.
Warte ca. 5 Sekunden und gib ihr Zeit zu gehorchen. Bleib in der Nähe und beobachte sie.
Wenn sie macht, was du gesagt hast, dann lobe sie.
Wenn nicht dann gib ihr die Anweisung noch einmal. (Bei Problemverhalten, also wenn sie mit etwas aufhören soll, dann gib die Anweisung nur 1 Mal und lasse dann gleich eine Konsequenz folgen).
Wenn sie wieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Sie aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.). Sag ihr immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihr immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihr dann wieder.
Wenn es keine Konsequenz gibt, dann setze sie wie gesagt für auf den stillen Stuhl.
Was uns auch noch Schwierigkeiten macht, ist, dass sie die Kleine plagt. Ich kann die Kleine nirgends liegen lassen. Schon ist die Grosse obendrauf. Auch hier haben wir klare Regeln und wenn sie ihr was tut, dann muss sie wieder auf die Treppe. Fakt ist, dass sie zum Teil die Mehrheit des Morgens auf der Treppe verbringt...
Versuch auch hier sie zu ermutigen. Gib ihr eine Aufgabe, die sie selber machen kann. Z.B ein Spielzeug bringen. Geh zu ihr und versuch ihr ein Alternativverhalten aufzuzeigen. Stell mit ihr zusammen Regeln auf. Wie muss sie mit dem Baby umgehen, damit es ihm nicht weh tut?Positiv formulieren!
Wenn sie sich dann nicht an die Regeln hält: Sag ihr, dass sie mit dem was sie tut aufhören soll und was sie stattdessen tun soll. Frag sie nach einer Alternative, was könntest du tun, anstatt auf sie draufzusitzen. Wenn sie selber schon gut sprechen kann, dann wird sie dir sicherlich ein Alternativverhalten aufzählen, wenn nicht, dann sag du ihr, was sie stattdessen tun könnte. "Hol ihr doch schnell ihr Plüschtier...Lobe und ermutige sie, wenn es klappt.
Bin also sehr gespannt, was Sie dazu meinen...
Und ich bin sehr gespannt, wie es klappt. Gib mir ein Feedback und frage nach, wenn du etwas nicht verstanden hast, ok?
Liebe Grüsse
Kathrin