von Kathrin Buholzer » 21.05.2008, 14:39
Hallo
Hallo Willy! Herzlich Willkommen hier im Forum, schön dass du dabei bist, du bist übrigens Mann Nr. 2! :-)
Ich habe mich soeben eingeloggt und hätte da mal ne Frage. Ich habe zwei Söhne (Felix) 3 J und (Emil) 16 Mto. Felix schlägt und tritt und schubst Emil so häufig, dass ich wirklich nicht mehr weiss, was ich noch tun kann.
Das ist eigentlich eine normale Reaktion. Bis jetzt war der Kleine noch keine so grosse"Gefahr" für ihn und hat ihn nicht gross gestört. Jetzt da er älter und mobilier wird, "bricht" er plötzlich in sein "Territorium, in sein Reich" ein. Er wird ein aktiver Teil der Familie.
Versuch dort ein gewisses Verständnis zu zeigen, dass er sich auch über ihren kleinen Bruder ärgern darf. Dass kleine Brüder auch manchmal ganz schön anstrengend sein können.
Sprich mit ihm darüber. Frag ihn auch, was ihn vielleicht nervt, was er toll findet am kleinen Bruder.
Was er z.B alles noch lernen muss und wie er ihm dabei helfen kann.
Du kannst auch mit ihm auch ein paar ganz spezielle Regeln für den Umgang mit dem kleinen Bruder abmachen. Auch hier wieder positiv formulieren. Wie soll er mit ihm umgehen? Schreibt diese auf ein Blatt, zeichnet, klebt, bastelt und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf.
Du kannst z.B auch mit ihm abmachen, welche Spielsachen er auf gar keinen Fall mit dem kleinen Bruder teilen möchte. Ihr könnt ja diese in eine spez. Kiste versorgen oder einen farbigen Punkt auf diese Spielsachen kleben. Er erklärt sich dann aber auch einverstanden, dass sie die anderen Sachen teilen muss.
Versuch auch einmal zu beobachten, in welchen Situationen das passiert. Was passierte vorher? Was machte der kleine Bruder vorher, was passierte nachher? Vielleicht kannst du dabei auch ein Verhaltensmuster erkennen.
Für die Situation selber, ist es wichtig, dass du nicht als „Polizist“ in die Situation rein gehst, sondern als „Vermittler“. Wenn sie sich streiten und du zu ihnen gehst, dann versuche nicht gleich selber die Situation zu klären. Also nicht: „ was isch itze hie scho wider los, Luca was hesch ume gmacht? Muesch immer mit de andere stritte, itze gib ihne sofort die Sache zrügg/la ihn i Rueh usw.“
Versuch als erstes mal zuzuhören. Was genau ist passiert, versuch nicht zu bewerten und Partei für jemanden zu ergreifen. (Manchmal ist ja auch der kleine Bruder nicht ganz unschuldig...)
Hör zu und mach dir ein Bild. Wenn nötig fass das Gehörte zusammen: „Also hani das richtig verstande, Annina du bisch verruckt worde, wüll dr Nico dir ds Spilzüg het wäggnoh?"
Versuch auch hier nicht gleich selber die Lösung zu geben. Probier deine Kinder zu einer Lösung zu bewegen. „Also, Annina, was chönntisch de mache, we der Nico dir ds Spilzüg wägnimmt. Hesch no e anderi Idee, als houe? Was gits itze für ne Möglichkeit? Wie chönnte mir das Problem itze löse?“ Lass ihn einfach so viel selber zur Lösung beitragen, wie er mit ihren 3 Jahren schon kann.
Kinder haben meistens selber sehr gute Ideen Probleme zu lösen, man muss sie nur lassen. Wichtig ist, dass du ihnen nur soviel Hilfe wie nötig gibst, so dass sie das Problem eigentlich selber lösen können. Wenn es dann nicht klappt, oder sie sich nicht einigen können, dann kannst du immer noch einschreiten od. eine Lösung vorschlagen. „Luget, wenn dir öich nid chöit einige, wär itze mit dem Outo spilt, de nimenis itze für ne Moment wäg. 10 Minute gibenis euch de wider und de chöit der de nomal versueche das z löse.“ Es ist nicht deine Aufgabe abzuwägen und den Schiedsrichter zu spielen, du sollst nur Hilfestellungen geben und die Kinder müssen es dann selber versuchen. Das ist für dich einfacher, denn sonst stehst du immer zwischendrin, du bist immer für irgendjemanden „die Böse“ du kannst es nicht allen recht machen. Deshalb ist es für dich auch viel entspannter, wenn deine Kinder nach Lösungen suchen. Sie werden mit der Zeit auch merken, dass sie dich auch nicht immer rufen müssen, denn du ergreifst ja „keine Partei“ mehr für jemanden.
Ich weiss, das ist sehr schwierig am Anfang, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Es wird sicher auch nicht gleich beim ersten Mal klappen, aber probier es einfach immer wieder. Du kannst mir ja ein Feedback geben wie es geklappt hat.
D.h Tun deine Kinder etwas, dass du toll findest, etwas dass sie mehr machen sollten, dann versuch sie zu loben. Also wenn sie z.B einen Moment ganz ruhig und lieb spielen, dann geh später zu ihnen und sage: „ Das isch de schön, dass dir so ruehig und lieb gspielt heit.“ Oder „das hett mi de gfreut, dass dir so schön gspilt heit. Aufpassen dass du nicht ins negative fällst. „Es isch de schön, dass der itze ändlich mal nid so lut sit gsi.“ Man nennt das „Beschreibendes Lob“, also genau die Situation beschreiben die du beobachtet hast und diese loben. Versuch ganz stark, dieses Loben in den Alltag einzubeziehen. D.h nimm dir vor, dein Kind mind. 5 Mal am Tag beschreibend zu loben.
Dann ist ganz wichtig, dass du mit deinen Kindern zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Die Grösseren können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es untereinander keinen Streit gibt. Schreib es so auf, dass sie wissen WAS GENAU du von ihnen erwartest, was sie tun sollen. Also nicht: „I wott nid, dass du duesch houe“, sondern „I wott, dass du fiin, lieb, aständig bisch. Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihm genau erklärst was du von ihm möchtest. Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Frag sie auch, was passiert, wenn man jemanden beisst oder schlägt, wie sie sich fühlen würde, wenn ihr jemanden weh tut. Versuch auch evt. Alternativen mit ihnen zu besprechen, „ i verstah, dass du mängisch wüetig bisch, was chönnt me denn mache?“.Hesch e Idee? We öpper nid das macht, wo du möchschts, was wär denn e gueti Idee, was chönntsch mache?“ Gib ihnen erst Vorschläge, wenn sie selber keine wissen.
Bei Regeln musst du auch mit ihnen abmachen, was passiert, wenn sie sich nicht daran halten. Bei beissen, kratzen, schlagen usw. würde ich dir vorschlagen, den Stillen Stuhl oder die Auszeit anzuwenden. Bei uns müssen die Kinder bei diesem Verhalten sofort in die Auszeit. D.h du gehst zu ihm, sagst was er falsch gemacht hast, erinnerst ihn an die Regel und sagst: „Luca, du hesch itze grad der Lea gschlage, mir hei abgmacht, dass mir fiin und lieb mitenand umgöh, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“ Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln. Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.
Variante Stuhl hilft nicht, ins Zimmer stellen hilft nicht, schimpfen, laut werden, etc. Felix tut es immer und immer wieder und findet das anscheinend lustig. Manchmal ist es mir klar, dass er so um aufmerksamkeit buhlt, aber manchmal passiert es für mich grundlos, einfach so im Spiel. Ich denke, dass das, auch gerade vom Alter her, normal ist, aber gibt es noch Möglichkeiten, wie ich reagieren kann???
Herzlichen Dank und ein grosses Dankeschön an die tolle Seite. Das ist wirklich gelungen!!! Super!
Du kannst mir auch gerne noch ein paar Beispiele mehr aufschreiben, dann kann ich mir noch besser ein Bild machen und dir noch ein paar konkretere Tipps geben.
Noch eine Frage: Wie machst du das mit dem Stuhl und der Auszeit. Warst du mal in einem Kurs, oder woher kennst du diese Strategien?
Also melde dich wieder mit Fragen, Feedback und Beispielen! Und danke fürs Lob! :-)
Liebi Grüess
Kathrin