Rechte und Pflichen, Schwänzen und "blau" machen

[Pistache]

Hallo Forumsmitglieder

Unser 20 jährige Sohn bereitet uns Schwierigkeiten. Vor einem Jahr hat er die Matura geschafft und macht jetzt die verkürzte 2 jährige Ausbildung zum Informatiker.
Im Frühling schwänzte er während etwa 3 Wochen den obligatorischen Berufs-Schulunterricht. Glücklicherweise flog er nicht bereits da von der Lehrstelle. Doch gelernt hat er aus diesem Vorfall nichts. Denn letzten Freitag meldete er sich bei seinem Arbeitgeber mittels SMS krankheitsbedingt ab. In Tat und Wahrheit sass er aber im Zug nach Deutschland. Diese Reise war geplant, denn wir Eltern haben noch nachgefragt, ob er einen Ferientag beantragt habe, was er uns natürlich bestätigte. Nun, der Lehrmeister rief bei uns zu Hause an und wir wussten natürlich nichts von einer Krankheit. So, und jetzt wie weiter. Bis zur Abschlussprüfung verbleiben noch 10 Monate und am Dienstag fliegt unser Sohn möglicherweise von der Lehrstelle.
Diese Ausbildung mache ihm keinen Spass – aber eine Alternative kenne er auch nicht. Wir Eltern seien sowieso bis zu seinem 25 jährigen Geburtstag für seine Ausbildung verantwortlich, da die Matura nicht als Erstausbildung zähle. Er wisse noch nicht, ob er diese Lehre zu Ende bringen wolle, denn mit dem Abschluss würde die Verpflichtung der Eltern ja wegfallen. Er könne sich vorstellen an der ETH Zürich Informatik zu studieren – aber nur darum, um von zu Hause weg zu kommen. Denn wir Eltern müssen ja für seine Kosten für Wohnung, GA, Essen, Versicherung usw. aufkommen und das bis zu seinem 25. Geburtstag.
Mir platzt der Kragen. Zur Milchkuh verpflichtet aber keinen Einfluss auf das Tun und Treiben des Filius. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir als Eltern nicht auch über gewisse Rechte verfügen. Im ZGB sind die Ausführungen relativ schwammig. An welche Stellen sollen wir uns wenden, welche Internetseiten behandeln gleiche, oder zumindest ähnliche Fälle. Stimmt das überhaupt mit dieser Erstausbildung?
Diese oder ähnliche Probleme haben Sie sicher auch schon erlebt. Was raten Sie uns?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Pistache

[dasfürsie]

Liebe Pistache

Ich kann Sie beruhigen: Sie haben Möglichkeiten, aus dem „Milchkuhdasein“ auszubrechen!

Im Prinzip gilt: Die Eltern sind ihrem Kind gegenüber unterhaltspflichtig, bis es eine angemessene Ausbildung ordentlich abgeschlossen hat. Dabei spielt das Alter des Kindes keine Rolle.

Es gibt also altersmässig keine Unter- oder Obergrenze für die Finanzierung der Erstausbildung. Bis zum 20. Geburtstag besteht aber praktisch keine Möglichkeit, Ihrem Spross den Unterhalt zu kürzen. Ab diesem Alter – welches Ihr Sohn ja schon erreicht hat – sieht es etwas anders aus:

Das Schlüsselwort heisst „Zumutbarkeit“. Dies einerseits in finanzieller Hinsicht: Je nach Ihrer finanziellen Situation kann Ihnen der Unterhalt zugemutet werden oder nicht. Ihr Sohn sollte zudem alle Möglichkeiten zur Bestreitung des eigentlichen Unterhalts ausschöpfen. Das heisst, wenn möglich muss er einen Neben- oder Ferienjob während den Semesterferien ausüben und so zu seinem Unterhalt beitragen (siehe ZGB, Art. 276). Tut er dies nicht, können Sie ihm ein hypothetisches Einkommen anrechnen und von Ihrem Unterhalt abziehen.

Bei der Zumutbarkeit muss auch die persönliche Beziehung zwischen Eltern und Kind mitberücksichtigt werden. Falls Ihr Sohn also alles macht, um Ihnen lediglich auf der Tasche zu liegen, unter Umständen sogar den Kontakt abbricht, und seine Ausbildung ohne Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit angeht, ist dies für Sie als Eltern nicht zumutbar. Sie können ihm also den Geldhahn zudrehen, wenn er sich nicht seriös darum bemüht, seine Erstausbildung so rasch als möglich erfolgreich hinter sich zu bringen.

Allerdings können auf der anderen Seite gemäss unserem ZGB (Art. 279) mündige Kinder auch gegen die eigenen Eltern klagen, falls diese Ihrer obligatorischen Unterhaltspflicht nicht nachkommen.

Ich schlage Ihnen also vor, unter diesen Aspekten das Gespräch mit Ihrem Sohn nochmals zu suchen und ihm die Lage zu schildern. Ich hoffe, er sieht ein, dass es ohne Gegenleistung nicht geht und wird sich zukünftig mehr Mühe geben.

Viel Erfolg und toi, toi, toi!

Herzliche Grüsse
Karin von „Die DAS für SIE“

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[Pistache]

Vielen herzlichen Dank für das umfassende Feedback. Unser Sohn hat die Lehrstelle noch. Das stimmt mich zufrieden. Doch sein Fernbleiben hatte absolut keine Konsequenzen - ja nicht einmal einen Rüffel setzte es ab! Und das stimmt mich doch eher nachdenklich. Denn so lernt er es wahrscheinlich nie.
Die Ratschläge nehm ich mir zu Herzen. Sie geben mir bei künftigen Auseinandersetzungen eine gewisse Sicherheit.
Liebe Grüsse
Pistache