mobbing - ich bin verzweifelt

Erziehungsfragen und Antworten ab dem 1. Schuljahr

Moderator: Kathrin Buholzer

mobbing - ich bin verzweifelt

Beitragvon melody » 25.10.2008, 15:28

Hallo Katrin
Ich weiss nicht mehr, was ich tun soll und bitte Dich deshalb hier um Rat.
Mein Sohn, 9, wird von einem Jungen, 10, ständig gemobbt. Es ist bereits eine längere Geschichte und ich muss zusehen, wie sich mein Sohn immer mehr zurückzieht.
Der andere Junge provoziert ständig, verbal und auch körperlich. Er macht meinen Sohn bei allen schlecht, sei es in der Schule oder hier im Quartier. Wenn er sich Hilfe holt, weil er ihm körperlich unterlegen ist, streitet der Junge alles ab und schiebt die Schuld auf meinen Sohn.
Gestern eskalierte es ziemlich und deshalb hab ich seine Mutter angerufen. Wieder ist einfach mein Sohn Schuld und schliesslich hängte sie mir einfach das Telefon auf ohne Bereitschaft, sich mal anzuhören, was das Problem ist. Wenn der Lehrer nicht im Zimmer ist, nutzt der Junge die Zeit, um zu provozieren. Mein Sohn flog gestern mit dem Rücken gegen das Pult, weil der Junge ihn gestossen hat. Er musste weinen, weil ihm das sehr weh tat. Ein Mädchen hat dies dem Lehrer auch gesagt und der Junge musste sich bei meinem Sohn entschuldigen. Doch der Rest der Klasse schaut nur zu, lacht und sagt nichts. Die beiden gehen in dieselbe 4. Klasse. Mein Sohn hat das erste Schuljahr übersprungen.
Hast Du mir einen Rat, wie wir uns verhalten sollen? Oder was machen wir falsch? Kann es überhaupt eine Lösung geben? Oder ist wegziehen die einzige Möglichkeit?
Ich bin sehr verzweifelt.
Danke für Deine Mühe.
Melody
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Beitragvon Kathrin Buholzer » 26.10.2008, 18:59

Hallo Katrin
Ich weiss nicht mehr, was ich tun soll und bitte Dich deshalb hier um Rat.
Mein Sohn, 9, wird von einem Jungen, 10, ständig gemobbt. Es ist bereits eine längere Geschichte und ich muss zusehen, wie sich mein Sohn immer mehr zurückzieht.

Ich kann dich gut verstehen, dass dich das sehr bedrückt. Leider gibt es kein Patentrezept um zu verhindern, dass Kinder gehänselt und gemobbt werden. Es ist auch immer schwierig Tipps zu geben, da man oft nicht alle Details genau kennt, man ja meistens nicht dabei ist, wenn es passiert.
Ganz wichtig ist, dass du für deinen Sohn immer ein offenes Ohr hast und du dir immer genügend Zeit nimmst ihm zuzuhören. Pass auf, dass du seine Sorgen nicht als Bagatellen abtust ("Das ist doch nicht so schlimm"), ihm Vorwürfe machst ("Warum lässt du dich von dem immer hänseln"), ihm nicht immer grad Ratschläge gibst ("Du musst ihm halt einfach sagen, dass er dich in Ruhe lassen soll"). Das bringt meistens nichts. Gerade wenn man sich bemüht, dem Kind zu sagen, dass es sich doch wehren soll. Gerade wenn dein Sohn eher unsicher ist, kann er sich gar nicht wehren (sonst würde er es ja vermutzlich auch tun.
Wenn du ihm zu hörst, dann versuch ihn und seine Sorgen wirklich ernst zu nehmen. Fasse das Gehörte zusammen und gib es in deinen eigenen Worten wieder. "Habe ich das richtig verstanden..." Versuch dann zusammen mit ihm Lösungen zu suchen, so dass er selbst aktiv werden kann. "Was könntest du tun, wenn das oder jenes passiert?"
Wenn er selber Ideen und Möglichkeiten findet, z.b einem Konkflikt auszuweichen oder sich aus der Situation zurückzuziehen, dann wird das ihn stärken und er wird auch merken, dass er diesem Jungen nicht einfach so ausgeliefert ist. Du kannst mit ihm z.B auch ein Rollenspiel machen. Mal schlüpft dein Sohn in die Rolle des Jungen und du spielst deinen Sohn und umgekehrt.
Versuch sein Selbstwertgefühl zu stärken. Versuch immer wieder den Fokus aufs Positive und auch auf die Stäreken von deinem Sohn zu lenken, so dass er diese auch immer wieder wahrnimmt. Lobe und ermutige ihn immer wieder. Schau auch, dass du ihn nicht übermässig beschützt, sonst hat dein Sohn gar nicht die Chance selbständig und autonom zu werden und kann auch sein Selbstbewusstsein nicht richtig aufbauen.

Versuch auch, ihr nicht immer alles ab zu nehmen. Ganz besonders in schwierigen, problematischen Situationen ist das wichtig. Also wenn er z.B zu dir kommt und dir ein Problem schildert, z.B dass er etwas nicht schafft, einen Streit mit jemandem hat usw. Nicht immer grad die Lösung vorgeben, erklären, predigen, moralisieren, helfen, Anweisungen geben und ihm sagen was sie tun soll. Wie ich oben schon geschrieben habe: Hör ihm gut zu, unterbrich ihn auch nicht ständig, frage nach wenn du etwas nicht verstanden hast. Oft reicht den Kindern schon nur, wenn wir zu hören, sie erwarten gar nicht immer von uns eine Lösung.
Versucht dann einmal zusammen mögliche Lösungen zu suchen. "Was könntest du jetzt tun? Hast du eine Idee, was du jetzt machen könntest, Was erwartest du von mir? Kann ich dir irgendwie helfen." Lass ihn einmal selber aufzählen, welche Möglichkeiten er hat. Unterstütze und hilf ihm nur so viel wie nötig. Versucht die Vor- und Nachteile aufzuzählen und einigt euch auf eine Lösung.
Oft hilft es den Kindern, wenn man diese Lösung einmal zusammen durchspielt. Nochmals: Spielt das einmal durch, evt. mit versch. Varianten, Lösungsmöglichkeiten. Ihr werdet schnell merken, wo noch Schwierigkeiten sind und dann zusammen anschauen, wie ihr diese lösen könnt.
Das gibt ihm eine Sicherheit und er kann dann in der realen Situation besser damit umgehen, wenn er es schon einmal "geübt" hat. Lobe und ermutige ihn, so dass sie sich gestärkt fühlt.

Gebt nicht zu schnell auf, wenn es beim ersten Mal noch nicht so gut klappt. Sprecht darüber, wie er sich gefühlt hat, was passiert ist und was er das nächste Mal noch besser machen könnte.
Trau ihm das auch zu. Wenn du selber schon eine gewisse Unsicherheit ausstrahlst und Angst hast, dass es schief gehen könnte, überträgt sich das auch auf ihn.
Ihr könnt ja zusammen auch einen "Mutmach- Handschlag" oder Gruss erfinden, zusammen mit einem Sprüchli.

Ein weiterer wichtig Punkt für das Selbstwertgefühl deines Sohnes sind positive Beziehungen zu Gleichaltrigen.
Ich weiss nicht, wie dein Sohn in die Klasse integriert ist. Wenn er nicht so gut integriert ist, dann kannst du versuchen ihm einen Weg zu ebnen. Du kannst ihn bestärken, dass er sich selber an einen ruhigen und freundlichen Mitschüler wenden soll. Evt. kann er solche Kontakte auch in einem Sportverein, oder in der Nachbarschaft knüpfen.

Häufig ist es auch sinnvoll, das Gespräch mit einer Lehrperson zu suchen, zu der dein Kind Vertrauen hat.


Der andere Junge provoziert ständig, verbal und auch körperlich. Er macht meinen Sohn bei allen schlecht, sei es in der Schule oder hier im Quartier. Wenn er sich Hilfe holt, weil er ihm körperlich unterlegen ist, streitet der Junge alles ab und schiebt die Schuld auf meinen Sohn.

Hinter einem solchen Verhalten steckt oft Unsicherheit. Mit diesem Verhalten kann der Junge vielleicht seine eigenen Schwächen überspielen, seine Wut und seine Unsicherheit an einem anderen auslassen. Vielleicht nützt es deinem Sohn auch schon etwas, wenn er merkt, dass nicht ER der Schwache ist, sondern der andere Junge.
Du kannst z.B auch einmal versuchen mit dem Jungen zu reden. Lass ihn mal erkären, was er denn von deinem Sohn erwartet, warum ihn dieser so nervt, dass er ihn so ärgern muss. Möglich ist es auch, deinen Sohn in das Gespräch miteinzubeziehen. Wichtig ist einfach, dass beide Seiten zu Wort kommen. Versuch auch in einem solchen Gespräch, eher als Vermittler zu wirken und nicht als "Polizist". Dräng den anderen Jungen nicht in eine Ecke, sondern versuch viel mehr gemeinsam eine Lösung zu finden.


Gestern eskalierte es ziemlich und deshalb hab ich seine Mutter angerufen. Wieder ist einfach mein Sohn Schuld und schliesslich hängte sie mir einfach das Telefon auf ohne Bereitschaft, sich mal anzuhören, was das Problem ist.

Wenn du mit der Mutter des Jungen das Gespräch suchst, dann bringt es nur etwas, wenn es dir gelingt die Situaion so zu schildern, dass keine Anschuldigungen im Raum stehen. Versuch ihr klar zu machen, dass du eine Lösung suchen möchtest, mit der es allen besser geht. Vielleicht lässt du dir auch mal erklären, wie sie die Sache sieht und welche Rückmeldungen sie von ihrem Sohn erhält.

Wenn der Lehrer nicht im Zimmer ist, nutzt der Junge die Zeit, um zu provozieren. Mein Sohn flog gestern mit dem Rücken gegen das Pult, weil der Junge ihn gestossen hat. Er musste weinen, weil ihm das sehr weh tat. Ein Mädchen hat dies dem Lehrer auch gesagt und der Junge musste sich bei meinem Sohn entschuldigen. Doch der Rest der Klasse schaut nur zu, lacht und sagt nichts. Die beiden gehen in dieselbe 4. Klasse. Mein Sohn hat das erste Schuljahr übersprungen.

Also ist er ein Jahr jünger? Da kann natürlich auch Neid un Eifersucht eine Rolle spielen. Viele Kinder verstehen vielleicht nicht, warum er eine Klasse übersprungen hat, stellen ihn vielleicht als Streber hin. Evt. gibt es für deinen Sohn auch die Möglichkeit mit ein paar aus der Klasse einen guten Kontakt herzustellen?
Und vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, ganz nach dem Sprichwort vorzugehen: "Wenn du deine Feinde nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihnen." Evt. könnt ihr den Jungen auch mal zu euch nach Hause einladen. (Wenn er denn überhaupt kommen will). Evt. merken die Beiden dann, dass der Andere gar nicht so schlimm ist. Vielleicht ergibt sich dann auch ein gutes Gespräch?

Wenn gar nichts hilft, dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit eines Schul- oder Klassenwechsels. Aber das würde ich ganz am Schluss ins Auge fassen. Es gibt deinem Sohn nur das Gefühl, dass er sich hat unterkriegen lassen, das wird sein Selbstbewusstsein auch nicht unbedingt stärken.
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
Vielleicht fragst du auch noch mal bei snoopydoopy nach, wie bei ihrer Tochter läuft und was sie schlussendlich getan hat. Sie hat ja auch mal ein Thema eröffnet.


Hast Du mir einen Rat, wie wir uns verhalten sollen? Oder was machen wir falsch? Kann es überhaupt eine Lösung geben? Oder ist wegziehen die einzige Möglichkeit?
Ich bin sehr verzweifelt.
Danke für Deine Mühe.
Melody

liebe Grüsse
Kathirn
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Beitragvon melody » 27.10.2008, 00:05

Liebe Kathrin

Ganz herzlichen Dank für Deinen rasche Hilfe.

Einerseits fühle ich mich in vielem bestätigt, andererseits erhalte ich neue Perspektiven.

Das Problem scheint nicht lösbar zu sein, doch fühle ich mich nicht mehr so ausgeliefert, was sich bestimmt auch auf meinen Sohn auswirken wird. Die Bestärkung tut mir sehr gut.

Ich werde berichten, wie sich die Situation entwickelt.

Liebe Grüsse
Melody
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Wie es weiterging...

Beitragvon melody » 24.03.2009, 15:48

Interessant, wenn ich jetzt lese, was ich vor ca. einem halben Jahr geschrieben habe...

Ich danke dir, Kathrin, noch einmal für die rasche Antwort. Deine Inputs haben mir sehr weitergeholfen. Was meinem Sohn und auch mir ziemlich Eindruck machte, war die Erkenntnis, dass hinter einem solchen Verhalten, wie es der andere Junge an den Tag legte, das Überspielen von eigener Schwäche stecken kann. Ich sage jetzt bewusst 'legte', weil die beiden mittlerweile sehr gut klar kommen.
Ich habe letzten Herbst dann auch Kontakt zum KJPD aufgenommen und meinen Sohn abklären lassen. Heute denke ich, dass ich das viel früher hätte machen sollen. Es hat sich herausgestellt, dass mein Sohn hochbegabt ist, er hat einen IQ von 135. In allen getesteten Bereichen schlägt er oben aus. Dadurch wurde mir so vieles klar, was ich vorher in Vermutungen äusserte und da nicht 'fachmännisch' unterlegt, leider oft auch nicht ernst genommen wurde von Lehrkräften. Zb die Integration, der Neid, die Unterforderung, die Unzufriedenheit usw. Mir wurde klar, warum ich so am Anschlag bin. Mein Sohn braucht Futter, sonst ist er unglücklich. Leider gibt es im Kanton Solothurn keine entsprechende Schule und leider kann er sein Potenzial in der jetzigen Schule nicht nutzen. Er muss oft Sachen machen, die er eh schon kann, alles was ihn fordert, ist zusätzlich. Da in Solothurn der Weg der Integration gegangen wird - den ich persönlich befürworte -, müssen die Lehrkräfte noch viel lernen, um den Kindern induviduell gerecht zu werden. Mein Sohn lernt nun in seiner freien Zeit Klavier und er ist bei den Singknaben. Dort findet er das Futter, das er braucht und ihn zufrieden macht. Er hat dadurch Zutritt zu 'anderen Welten' gefunden und dort hat er keine Integrationsprobleme. Das Gewicht liegt nicht mehr so auf dem Schulalltag.
Wir bleiben weiterhin dran mit dem KJPD. Dort holen wir uns Inputs und ich bin entlastet, weil ich die Probleme delegieren kann.
Nicht alle, das ist klar, aber was schulische Dinge angeht, fühle ich mich mit dem KJPD im Rücken schon gestärkt.
Fragt mich an, wenn ihr mehr wissen möchtet.
Liebe Grüsse
Melody
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Beitragvon vy_canis_mayoris » 01.04.2009, 17:52

Hallo Melody

Schön zu hören, dass sich die Schwierigkeiten deines Sohnes in der Schule gelöst haben und dass er und du nun zufriedener seid.
Ich habe einen 7-Jährigen Sohn. Im Juli diesen Jahres wird er 8. Als er in die erste Klasse kam wurde er von Anfang an gemobbt. Jetzt ist es nicht mehr so stark wie vorher. Aber er findet immer noch keinen Anschluss in der Klasse. Er hat keine Freunde in der Schule. Wie hast du's geschafft, dass sich alles zum positiven verändert hat?
PS: Mein Sohn hat auch sehr starke Begabungen, auch visuell wie dein Sohn. Alle zwei Wochen kommt eine Fachperson in die Schule die für Begabtenförderung zuständig ist. Nächstens ist wieder eine Abklärung fällig. Wieder weil er im ersten Kindergarten schon abgeklärt wurde. Er ist ein asynchron entwickeltes Kind. Geistig ist er sehr weit aber körperlich und sozial hinkt er nach. So ist er ständig in einem Dilemma. Er hat grosse Probleme sich in die Gruppe zu integrieren. Eigentlich macht es meinem Sohn wie er sagt, nicht viel aus aber seine Lehrerin sitz mir ständig im Nacken, wie; Wir müssen ihm helfen, er muss sich integrieren, er muss Freunde finden, er muss sich von seiner Opferrolle befreien, er verhält sich nicht angemessen und und und.
Ich brauche unbedingt Leute die ähnliches erlebt haben um mich auszutauschen. Im moment geht es mir nicht sehr gut.

Ich freue mich auf deine Antwort
vy_canis_mayoris
 
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