der stille Stuhl - ein schäm-di-eggeli??

Verfasst:
13.02.2010, 10:59
von imwebersteg
Liebe Kathrin
Ich möchte gerne mehr zum stillen Stuhl erfahren. Irgendwie erinnert mich dieser an das schäm-di-eggeli von früher. Was sagst du dazu?
Ich habe jedenfalls grosse Mühe, diesen bei uns einzuführen. Mein Sohn wird bald 2 1/2 Jahre alt. Nun bin ich nicht sicher, für welche "Vergehen" er denn jeweils darauf gesetzt werden soll. Wenn er grob zu seinem 9 Monate alten Bruder war, dann versuche ich jeweils, ihn darauf zu setzen. Es herrscht dann ein riesen Geschrei (er und ich auch), er will partout nicht darauf sitzen bleiben. Nur mit Gewalt schaffe ich es, doch ich müsste ihn dann dermassen fest halten, dass er "sitzen" bleibt, dass ich das Gefühl habe, dass ich mein Kind misshandle. Er rennt davon, ich hintennach, nehme ihn wieder, versuche es erneut. Die Situation eskaliert. Das kann es doch nicht sein??? Irgendwann schneide ich ihm dann den Weg ab, bleibe für einen Moment da, bevor ich ihn gehen lasse, versuche nochmal ihm zu erklären, weshalb er auf den Stuhl sitzen soll, und er liegt am Boden und schreit. Was mache ich falsch??? Du glaubst nicht, wie stark der Wille meines Sohnes ist. Ich will das Kind doch nicht mit Einschüchterung zu meinem Ziel bringen.
Vielen Dank für deine Antwort und deine Ausführungen zum Thema stiller Stuhl.
Liebe Grüsse imwebersteg
Re: der stille Stuhl - ein schäm-di-eggeli??

Verfasst:
16.02.2010, 18:12
von Kathrin Buholzer
Liebe Kathrin
Hallo und herzlich willkommen hier auf dem Elternplaneten. Schön dass du hier dabei bist und mitschreibst.
Ich möchte gerne mehr zum stillen Stuhl erfahren. Irgendwie erinnert mich dieser an das schäm-di-eggeli von früher. Was sagst du dazu?
Der stille Stuhl soll auf keinen Fall ein "Schäm di Eggeli" sein. Wichtig ist zu wissen, dass der stille Stuhl und die Auszeit am Schluss einer langen Kette von Erziehungsfertigkeiten steht.
Wichtig ist vorallem den Fokus aufs Positive zu legen. Tut dein Kind etwas das dir gefällt, das du mehr sehen möchtest, dann lobe und ermutige es und sag ihm genau, was dir gefallen hat.
Wenn Regeln oder Anweisungen nicht eingehalten werden, dann ist es immer besser logische Konsequenzen einzusetzen. Also irgend etwas, das mit dem Problemverhalten in Zusammenhang steht. Das Spielzeug einen Moment wegnehmen, eine Tätigkeit einen Moment unterbrechen. Danach das Kind die Tätigkeit aber wieder fortführen lassen und das Spielzeug wieder zurückgeben, damit es das richtige Verhalten üben kann.
Manchmal gibt es Situationen, in denen es keine log. Konsequenzen gibt, oder das Verhalten ist schon etwas schwerwiegender, dann gibt es die Möglichkeit des Stillen Stuhls. z.B wenn ein Kind nicht tut, was man ihm sagt, oder eben wenn andere Konsequenzen keinen Erfolg haben.
St. Stuhl bedeutet, dass das Kind seine Beschäftigung einen Moment unterbrechen muss und für kurze Zeit auf einen Stuhl, Trip Trap auf eine Treppe (oder draussen, z.B auf ein Bänkli) sitzen muss. Erinner ihn an die Regeln, wenn du ihm zum st. Stuhl bringst, also z.B wie lange er sitzen bleiben muss. Wenn es die festgesetzte Zeit ruhig war (1-5 Minuten, je nach Alter) darf es wieder weiter spielen. Der stille Stuhl ist nicht immer am gleichen Ort, je nachdem wo das Problemverhalten aufgetaucht ist. Im Kinderzimmer, im Wohnzimmer, auf dem Spielplatz usw. Wie ruhig es sein muss, ist dir selber überlassen, wenn er noch etwas jammert oder leise weint, ist es ok. Schenk ihm in der Zeit keine Aufmerksamkeit. Wenn er aufsteht, und das wird er am Anfang in 99,9% der Fälle bringst du ihn in die Auszeit und sagst ihm auch warum: "Du warst auf dem st. Stuhl nicht still, also musst du jetzt in die Auszeit."
Eine Auszeit wird eingesetzt, wenn das Kind auf dem St. Stuhl nicht still war oder wenn schwerwiegendes Problemverhalten auftaucht:
Die Auszeit sollte als letzte Möglichkeit eingesetzt werden, bei schwerwiegenderem Problemverhalten. Wenn du merkst, dass er wirklich heftig reagiert, schlägt, beisst, haut dann musst du ganz klar ein Zeichen setzen. Nur zu sagen, das tut man nicht, das macht weh reicht nicht. Wenn er es tut, geh zu ihm, sag ihm dass er aufhören soll. Als Auszeitraum wählst du am besten nicht das Kinderzimmer. Der Raum sollte uninteressant sein, also z.B das Schlafzimmer oder ein Gästezimmer. Das Kinderzimmer sollte auch nicht der Ort sein, wo man hingeschickt wird, sondern dort sollte man sich gerne und freiwillig aufhalten.
Bei der Auszeit gehst du folgendermassen vor. Du gehst zu ihm und sagst, was er falsch gemacht hat:„Sarah, du hast mich jetzt grad ganz fest gehauen, deshalb musst du jetzt für 1-2 Min. in die Auszeit.“
Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du warst jetzt schön ruhig, jetzt darfst du wieder rauskommen.“
Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln.
Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch beide zu beruhigen.
Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen.
Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Versuch anstatt zu drohen, das Kind zu motivieren. „Hey, wenn du dich jetzt schnell anziehst, dann haben wir nachher noch genug Zeit zusammen ein Buch zu schauen.“ Oder „Zieh dich jetzt an und wenn du fertig bist, dann kannst du zum Essen kommen." (Nicht: "Wenn du dich nicht anziehst, kannst du nicht zum Essen kommen.")
Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst. Die Auszeit solltest du nur anwenden, wenn es wirklich um ein grosses Problemverhalten geht.
Es ist auch möglich, dir eine Auszeit zu verordnen. Also wenn du merkst, dass du kurz vor dem Explodieren bist, dann sag deinem Sohn, dass du wütend bist und dass du kurz eine Auszeit machst um dich zu beruhigen. Geh aus dem Zimmer, in den Garten, auf den Balkon, ins Schlafzimmer und nimm dir ein paar Minuten Zeit. Du kannst auch einen Kaffee trinken, kurz etwas Musik hören.
Bei der Auszeit geht es nicht darum, das Kind zu "bestrafen" in dem man es ins Zimmer schickt. Es geht viel mehr darum, beiden (Mutter/Vater und Kind) die Möglichkeit zu geben, sich in einer schwierigen Situation, die kurz vor dem eskalieren steht, zu beruhigen und zu verhindern, dass man das Kind anbrüllt, am Arm reisst, an den Haaren zieht oder schlägt. Die Auszeit/der stille Stuhl funktionieren nur, wenn das Kind viel positive Zuwendung erfährt. Also wenn man eine positive Beziehung zueinander hat. Die Auszeit/den st. Stuhl wirklich nur ganz selten anwenden, nicht als tagtägliches Erziehungmittel einsetzen.
Ich habe jedenfalls grosse Mühe, diesen bei uns einzuführen. Mein Sohn wird bald 2 1/2 Jahre alt. Nun bin ich nicht sicher, für welche "Vergehen" er denn jeweils darauf gesetzt werden soll. Wenn er grob zu seinem 9 Monate alten Bruder war, dann versuche ich jeweils, ihn darauf zu setzen.
Für welche Situationen sich der st. Stuhl eignet, muss man selber etwas herausfinden. Der st. Stuhl ist so eine Zwischenlösung. Wenn man nicht grad eine Auszeit machen möchte, weil das Problemverhalten vielleicht nicht ganz so schlimm war, oder wenn man keine log. Konsequenz hat. Am besten ist natürlich, wenn man den st. Stuhl gar nicht erst braucht. Also andere Wege und Mittel findet.
Es herrscht dann ein riesen Geschrei (er und ich auch), er will partout nicht darauf sitzen bleiben. Nur mit Gewalt schaffe ich es, doch ich müsste ihn dann dermassen fest halten, dass er "sitzen" bleibt, dass ich das Gefühl habe, dass ich mein Kind misshandle.
Wenn er nicht sitzen bleiben will, dann bring ihn in die Auszeit. Es soll ja kein Spiel werden, so dass er immer wieder wegrennt und du ihm dann hintennach laufen musst.
Er rennt davon, ich hintennach, nehme ihn wieder, versuche es erneut. Die Situation eskaliert. Das kann es doch nicht sein??? Irgendwann schneide ich ihm dann den Weg ab, bleibe für einen Moment da, bevor ich ihn gehen lasse, versuche nochmal ihm zu erklären, weshalb er auf den Stuhl sitzen soll, und er liegt am Boden und schreit. Was mache ich falsch??? Du glaubst nicht, wie stark der Wille meines Sohnes ist. Ich will das Kind doch nicht mit Einschüchterung zu meinem Ziel bringen.
Ich würde mal beobachten in welchen Situationen er denn den kleineren Bruder haut. Ist ihm Langweilig, ist er eifersüchtig, möchte er mit ihm in Kontakt treten? Zeig ihm, wie er es besser machen kann und sag ihm, dass er damit aufhören und was er stattdessen tun soll. Bezieh ihn mit ein, lass ihn mithelfen und lobe und ermutige ihn immer wieder und sag ihm, wie stolz du auf ihn und sein Können bist.
Lass ihn auch immer wieder Dinge tun, die der Kleine noch nicht darf. z.B am Abend etwas länger aufbleiben. Den st. Stuhl muss man nicht einführen. Es gibt einfach manchmal Situationen, in denen es sich anbietet, dass die Kinder einen Moment aus dem Geschehen raus müssen, sich einen Moment beruhigen und dann wieder ins Spiel zurück dürfen.
Vielen Dank für deine Antwort und deine Ausführungen zum Thema stiller Stuhl.
Liebe Grüsse imwebersteg
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
Liebe Grüsse
kathrin