von Kathrin Buholzer » 04.09.2008, 16:21
Hi Kathrin
Da du mir schon einige tolle Tipps geben konntest, wende ich mich jetzt erneut mit einem Problem an dich. Meine Tochter (Ende Juli 3 geworden) ist ein sehr dickköpfiges Kind, das immer nur macht, was sie will. deshalb habe ich sie auch mit Trockenwerden überhaupt nicht gedrängt.
Das Kinder immer nur das machen, was sie wollen, hat oft damit zu tun, dass sie auch nur machen müssen was sie wollen. Kinder gewöhnen sich dieses Verhalten oft an, weil die Eltern ihnen immer wieder sehr vieles abnehmen. Wichtig scheint mir, dass du versuchst dein Kind mehr zur Selbstständigkeit zu erziehen.
Hier mal ein paar grundsätzliche Gedanken, Tipps und Anregungen zum Thema selbstständig werden:
Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm die Lösung. Versuch zusammen mit ihm eine Lösung zu finden. Frag sie, was sie tun wollte und wie sie das jetzt anpacken könnte. Gib ihr Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für sie.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.
Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Das heisst auch, dass sie Dinge selber holen kann. Wenn sie z.B etwas ausleert, was ja nicht schlimm ist, schimpfe nicht mit ihr, sondern zeig ihr einfach ganz ruhig, wo der Lappen ist und sag ihr, dass sie es aufputzen soll.
Als sie dann vor einer Woche von selbst "Unterhösli" anziehen wollte, war ich natürlich happy. Es klappt auch wirklich sehr gut. Es geht alles in die Toilette. Nur sind wir jetzt soweit, dass sie mal Unterhosen will, und dann wieder Windeln. Einfach, wie es ihr gerade passt.
Lobe und ermutige sie und sag ihr, dass sie jetzt keine Windeln mehr braucht. Ihr könnt euch ja auch mal überlegen, ob wem ihr diese Windeln verschenken könnt. Wenn sie Windeln will, dann sag ihr einfach, dass es keine mehr hat und dass sie sich selber ein paar Unterhosen aussuchen darf. Schreit sie, dann lass sie einfach etwas toben.
(das ist übrigens bei allem so: sie will unbedingt ein Quark, und wenn sie es hat, will sie es nicht mehr!
Dann zeig ihr, wo sie es hinstellen kann und wenn sie das nächste Mal Hunger hat, dann kann sie den Quark noch fertig essen. Lass dich nicht tyrannisieren. Bleib ruhig, aber bestimmt und sag ihr immer genau was du von ihr erwartest und was sie tun soll. Wenn sie schreit, dann musst du diesen Konflikt auch auzuhalten lernen. Mamis sind dann halt manchmal blöd, Kinder werden wütend, sind frustriert. Das ist normal. Es geht einfach darum ihnen einen angemessenen Umgang damit zu lehren. Sag ihr, dass du gerne bereit bist mit ihr zu schauen, was ihr tun könnt, einfach wenn sie sich beruhigt hat. Du kannst sie auch nach Alternativen fragen: "Was könntest du jetzt tun, welche Möglichkeit gibt es auch noch anstatt zu schreien?. Gib ihr Hilfestellungen, wenn sie selber keine Idee hat. Ein typisches Beispiel: Meine Tochter sagte: "Duuuurst!" Ich hab ihr dann früher einfach aus lauter Gewohnheit eingeschenkt. Dann habe ich angefangen zu sagen: "Ja, du hasta Durst und was könntest du jetzt da machen?" - "Mama, gibst du mir bitte etwas zu trinken?" - "Ach so, ja klar." Dann habe ich ihr gezeigt, wie sie sich selber einschenken kann und das macht sie jetzt auch mit Freude. Oder ein anderes Beispiel: Meine Tochter will sich die Schuhe anziehen. Es geht grad nicht so wie sie sich das vorgestellt hat, sie fängt an laut zu schreien. "Blöde Schuhe". Früher bin ich dann einfach zu ihr und hab ihr die Schuhe angezogen. Dann habe ich angefangen zu fragen: "Was ist dein Problem?" - "Es geht nicht mit den blöden Schuhen." - "Was könntest du denn jetzt tun?" oder "Kann ich etwas für dich tun?" - "Mama, hilfst du mir bitte?" oder "Ja, mir helfen." - "Ok, wenn du mich ganz normal und anständig fragst, dann helfe ich dir." Später hab ich ihr dann gezeigt, wie es funktioniert und sie konnte es dann bald einmal selber. Verstehst du was ich meine? Wenn wir immer gleich rennen, wenn wir einen Schrei hören, dann werden die Kinder merken: "Aha, immer wenn etwas nicht geht, mir etwas nicht passt, dann muss ich mich nur laut bemerkbar machen, dann kommt die Mama und erledigt das für mich." Wir tun das aus lauter Gewohnheit, weil es dann schneller geht, weil wir kein unzufriedenes, quengeliges Kind haben möchte. Dabei tun wir den Kindern keinen Gefallen, im Gegenteil!
Und so gibt es viele Beispiele).
Gib mir doch noch ein paar mehr.
Und das will ich natürlich auch nicht. Ich habe ihr gesagt, entweder immer Windel und dann aber auch nicht aufs WC, oder nur Unterhosen (ausser zum schlafen natürlich). Ist das falsch so?
Nein im Gegenteil. Du musst es aber dann auch so durchziehen. Damit du nicht "rückfällig" wirfst, gibst du die Windeln wie gesagt am besten grad weg.
Ich habe auch ein Belohnungsverfahren vorgeschlagen. Da darf sie jeden Abend einen Kleber aufkleben, wenn sie den ganzen Tag ohne Windeln war. Und Ende der Woche bekommt sie eine Kleinigkeit. Als wir das machten, war sie Feuer und Flamme, und als die Liste hing, wollte sie nichts mehr davon wissen!
Ich schreib dir nochmals die wichtigsten Punkte zum Chläberliplan auf:
- Positiv formulieren, was möchtes du von ihr.
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass er gern hat. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Schloss usw. Beim Schloss z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn sie es geschafft hat, also z.B "aufs Häfi sitzen" (eine abgemachte Zeit) darf sie ein Kleberli aufkleben. Und wenn sie dann z.B Bisi macht zusätzlich ein Kleberli aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen. Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben, einen Bagger, Lego usw. muss aber nicht sein.
-Setz ein leichtes Ziel. Also z.B nach dem ersten Mal aufs Häfi sitzen eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger. Z.B nur noch ein Kleberli wenn sie ein Bisi macht und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, motivieren fürs nächste Mal.
Wichtig: Am Anfang ein leichtes Ziel setzen. z.b schon nach dem ersten Tag eine kleine Belohung geben. Dann z.B nach dem dritten Tag, nach dem 5. und dann z.B nach 10 Tagen.(Es kann z.B auch einfach ein anderer, etwas grösserer Kleber, Bildli sein).
Unbedingt vorher abmachen, welche Belohnung sie sich verdienen kann. Also nicht nur sagen: "Es gibt dann eine Kleinigkeit". (Du sammelst ja auch keine Coop Supertrophy Punkte, wenn du nicht weisst, was du dafür bekommst... ;-)
Wie gehe ich mit dieser ewigen Unentschlossenheit um?
In dem DU entschlossen auftrittst, klar in deinen Anweisungen bist, ruhig bleibst und dann auch eine log. Konsequenz einsetzt wenn es nicht klappt.
Sie wird natürlich dann auch sehr sauer, wenn ich schlussendlich mal entscheide und schreit und trotzt dann rum.
Ja, das ist halt das Los des Mami-Seins... :-) Nimm das nicht persönlich. Das gilt es auszuhalten. Bleib ruhig und ignoriere das einfach. Oft ist es am besten, wenn du einfach drüber hinwegsiehst, von etwas anderem sprichst, sie in eine Aktivität verwickelst. Sie ist z.B am schreien, du sagst z.B: "Hey Luisa, weisst du noch wir haben doch vorhin noch gesagt, dass wir dann noch schnell dies oder jenes machen... am Nachmittag kommt dann noch das Grosi, wir müssen ihr noch schnell die Sachen raussuchen, die sie abholen will.. usw. Oft vergessen die Kinder dann, dass sie ja eigentlich wütend waren und helfen dann mit Freude wieder mit. Das gilt natürlich nur bei leichtem Problemverhalten, wie z.B einem Wutanfall. Wenn es dann wirklich heftig wird, sie dich bespuckt, haut oder beisst, dann darfst du das natürlich nicht ignorieren. Dann würde ich sie kurz in die Auszeit begleiten.
was meinst du dazu?
Ich hab jetzt einfach mal etwas interpretiert, weiss natürlich nicht genau, ob das bei euch zu Hause auch genau so abläuft, du kannst es ja noch etwas konkretisieren und mir noch mehr Beispiele geben. Aber vielleicht habe ich ja auch grad Recht mit meinen Vermutungen?
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin