3.5jährige Tochter plötzlich sehr anhänglich

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

3.5jährige Tochter plötzlich sehr anhänglich

Beitragvon Riela73 » 26.08.2008, 16:27

Liebe Kathrin

Zum Voraus möchte ich Dir jetzt schon danken, dass ich hier die Möglichkeit habe, Dich um Rat zu fragen. Ich finde dieses Forum sehr hilfreich. Nur schon durch das Schmökern konnte ich mir viele Infos einholen.

Zu meinem „Fall“: Meine kleine Jasmin (3.5 Jahre alt) geht seit Anfang 2008 einmal pro Woche in die Spielgruppe. Anfangs ging sie sehr gerne, doch seit ca. 3 Monaten ist der Wurm drin. Jedes Mal schreit und weint sie fürchterlich, wenn ich sie in die Spielgruppe bringe. Frage ich sie nach dem Grund, dann meint sie, sie wolle halt einfach bei mir sein. (Anmerkung: Ich lasse sie immer in der Spielgruppe, egal wie sehr sie tobt und schreit. Aber nach drei Monaten kann ich mir fast nicht mehr vorstellen, dass es hier um irgendwelche Machtspiele geht. )

Sie ist in den letzten drei Monaten sehr anhänglich geworden, will ständig bei mir sein. Ich kann nicht einmal alleine 3 Stockwerke runtergehen, um die Post zu holen. Gleich schreit sie, sie wolle nicht alleine gelassen werden.

Ich verstehe nicht, wie aus meiner Tochter eine solch schüchternes und extrem anhängliches Kind geworden ist. Eigentlich sollte sie es gewohnt sein, in die Spielgruppe zu gehen oder bei meinen Eltern zu sein, aber plötzlich geht gar nichts mehr.

Dazu möchte ich noch sagen, dass ich einen Vollzeit-Mami bin. Es ist also nicht so, als bekäme sie von mir nicht genug. Puh, ich weiss wirklich nicht, was ich machen soll. Hast Du mir einen guten Rat?

Vielen Dank und Grüsse
Riela
Riela73
 
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Beitragvon Kathrin Buholzer » 26.08.2008, 22:18

Liebe Kathrin

Zum Voraus möchte ich Dir jetzt schon danken, dass ich hier die Möglichkeit habe, Dich um Rat zu fragen. Ich finde dieses Forum sehr hilfreich. Nur schon durch das Schmökern konnte ich mir viele Infos einholen.

Hallo Riela!Ein herzliches Willkommen hier auf dem Elternplaneten, schön dass du hier dabei bist und danke dir fürs Lob! Wenn du magst, dann stell dich doch kurz bei "Bewohner des Elternplaneten" vor.

Zu meinem „Fall“: Meine kleine Jasmin (3.5 Jahre alt) geht seit Anfang 2008 einmal pro Woche in die Spielgruppe. Anfangs ging sie sehr gerne, doch seit ca. 3 Monaten ist der Wurm drin. Jedes Mal schreit und weint sie fürchterlich, wenn ich sie in die Spielgruppe bringe.

Hat sich bei euch etwas verändert? Hat es neue Kinder in der Spielgruppe gegeben? Hast du bei der Spielgruppenleiterin mal nachgefragt? Gibt es Eifersüchteleien? Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die Eltern oder Erzieher gar nicht wahrnehmen, für Kinder aber einschneidend sind.

Frage ich sie nach dem Grund, dann meint sie, sie wolle halt einfach bei mir sein. (Anmerkung: Ich lasse sie immer in der Spielgruppe, egal wie sehr sie tobt und schreit. Aber nach drei Monaten kann ich mir fast nicht mehr vorstellen, dass es hier um irgendwelche Machtspiele geht.

Fünf entwicklungsbedingte Angstformen begleiten Menschen ein Leben lang: die Körperkontaktverlustangst, die Achtmonatsangst und die Trennungsangst sind die Ängste, die bis zum dritten Lebensjahr, oder auch darüber hinaus vor allem auftauchen. Die Reaktionen sind hier Schreien, Anklammern an Bezugspersonen, Abwenden, Weglaufen.
So um das dritte Lebensjahr kommt es zur Ausbildung der Vernichtungsangst. Zwischen dem vierten und fünften Jahr entwickelt sich die Angst vor dem Tod.

Wichtig ist, dass du mit ihr vorher ganz genau besprichst, wie das dann genau abläuft. Reinkommen, Schuhe ausziehen, Täschli versorgen, Tschüss sagen, ins Kreisli sitzen.. .oder wie auch immer.

Positiv formulieren! Also nicht: "I möcht nid, dass du mir nachrennsch" sondern "I möcht, dass du zu de andere Chind geisch und ir Spielgruppe blibsch, bis ig di chume cho hole."
Du kannst mit ihr auch ein Abschiedsritual abmachen. Z.B dass ihr euch mit einem spez. Gruss verabschiedet, dass du ihr etwas bestimmtes mitgibst, z.B einen Zauberstein, damit er nicht traurig sein muss, ein spez. Zaubertaschentuch, ein Bild usw. (z.B zusammen einen Stein suchen gehen und jeder darf ihn anmalen, verzieren und dann tauscht ihr am Anfang, also bevor du gehst, diese Steine aus).
Besprich mit ihr zusammen genau, wie das bei der Verabschiedung läuft. Sag ihr, was du von ihr erwartest und übe das mit ihm zu Hause. Frag ihn auch ab und zu wieder danach. Weisst du noch was wir abgemacht haben? Wenns dann gar nicht klappt, dann könntest du zusätzlich könntest du einen Punkteplan mit ihr machen.
Schau auch, dass du das Verabschieden nicht unnötig in die Länge ziehst: "Also Schätzli, ich geh dann jetzt mal, ist gut? Also machs gut und du musst nicht weinen, gell? Also ist gut, wenn ich jetzt gehe? Gehts, ich möchte jetzt dann langsam gehen?"


Sie ist in den letzten drei Monaten sehr anhänglich geworden, will ständig bei mir sein. Ich kann nicht einmal alleine 3 Stockwerke runtergehen, um die Post zu holen. Gleich schreit sie, sie wolle nicht alleine gelassen werden.

Ich verstehe nicht, wie aus meiner Tochter eine solch schüchternes und extrem anhängliches Kind geworden ist. Eigentlich sollte sie es gewohnt sein, in die Spielgruppe zu gehen oder bei meinen Eltern zu sein, aber plötzlich geht gar nichts mehr.

Dazu möchte ich noch sagen, dass ich einen Vollzeit-Mami bin. Es ist also nicht so, als bekäme sie von mir nicht genug. Puh, ich weiss wirklich nicht, was ich machen soll. Hast Du mir einen guten Rat?

Vielleicht ist das grad ein wenig das Problem?Wie gesagt, es gilt einmal herauszufinden, was der Auslöser dafür sein könnte. Mach ihr klar, dass du jetzt schnell auf die Toilette gehst, die Post holst und zwar alleine. Gib ihr eine Beschäftigung und schliesse halt notfalls auch mal die Türe. Zögere nicht, sondern sei klar in deinen Anweisungen und bleib standhaft, wenn sie rebelliert, dann ignoriere das. Sie wird wohl gemerkt haben, dass sie dich mit ihrem Schreien provozieren kann, dass du vielleicht auch zögerst.

Sag ihr immer früh genug was als nächstes kommt und bereite sie darauf vor und sag ihr auch, was du von ihr erwartest. Gib ihr eine Aufgabe und beschäftige sie. ein paar Ideen dazu findest du hier: http://www.elternplanet.ch/50.html
Wenn sie ausflippt oder schreit, dann versuch dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.

Wenn du allgemein das Gefühl hast, dass sie selbstständiger werden sollte, dann kann ich dir folgenden grundsätzlichen Rat geben:

Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihr nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihr grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihr eine Lösung zu finden. Frag ihr, was sie tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie sie das jetzt anpacken könnte. Gib ihr Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für sie.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass dein Kind die Dinge die es selbst tun kann auch selber tun. Beobachte dein Kind und wenn du merkst, dass es Hilfe braucht, dann sei ihm eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Versuch sie mit kleinen Dingen zu unterstützen. Selber anziehen, waschen, Jacke anziehen, Brot streichen, Dinge wegräumen...
Sag ihr immer genau, was du von ihr erwartest. Wenn du merkst, dass sie es noch nicht alleine schafft, dann frag sie, was sie als erstes tun muss: "z.B wenn du deine Schuhe anziehen willst, was musst du zuerst machen?" - "Den Verschluss aufmachen." - "Genau, und dann...?" Geh mit ihr das schön Schritt für Schritt durch, lobe und ermutige sie.


Vielen Dank und Grüsse
Riela

Schau mal was du damit anfangen kannst. Melde dich einfach wieder mit Fragen oder Feedback, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
Kathrin Buholzer
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