von Kathrin Buholzer » 30.11.2007, 17:23
Hast Du mir einen Rat, wie ich den ständigen Drohungen aus dem Wege gehen kann?
Hallo Tisa! Schön dass du hier dabei bist. Herzlich willkommen!
Bei uns tönt es den ganzen Tag so: Wenn du das und das nicht machst, nicht kommst, nicht aufhörst, dann....
Das geht mir total gegen den Strich!
Gehört das einfach dazu, weil die Kinder lernen, dass ihr Handeln und Verhalten Konsequenzen haben kann?
Nein im Gegenteil. Die Kinder lernen: Ich muss erst hören, wenn sie laut wird, einen roten Kopf bekommt, droht oder auf 3 zählt. Die Chance, dass sie deine Anweisungen sofort befolgen ist gleich null. Versuch sie stattdessen zu motivieren. Also: "Wenn du jetzt schnell die Zähne putzt, dann haben wir nachher noch Zeit ein Büechli zu schauen." Versuch dir vorher zu überlegen, was genau du von ihnen möchtest. Nimm dir die paar Sekunden Zeit und dann gib die Anweisungen.
Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten: Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich ihn mit Namen an und sag ihm genau was er tun soll: „bitte häb dini Füess abe, gang bitte ga Zähnputze, due bitte normal rede, …“ (auch hier, immer sagen, was sie tun sollen, was du von ihnen möchtest). warte ca. 5 Sekunden und gib ihnen Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte sie. Wenn sie machen, was du gesagt hast, dann lobe sie.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!). Wenn sie wieder nicht gehorchen, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Die Kinder aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.). Sag ihnen immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihnen immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib e ihnen dann wieder.
Was soll ich tun, wenn die Kleine (2 1/4), sie kann schon sehr gut sprechen und ist auch im Verhalten ein Stück weiter, immer Konter gibt?
"Wenn Du nicht aufhörst Tim zu ärgern, dann musst Du in Dein Zimmer."
"Sara, hör auf Tim zu ärgern, lass ihn in Ruhe!" (Sag ihr womit sie aufhören soll und was sie stattdessen tun soll.) 5 Sekunden warten und in der Nähe bleiben. Wenn Sie es weiter tut, dann keine Wiederholung (hier geht es um Problemverhalten) sondern grad direkt eine Konsequenz einsetzen. In diesem Fall kannst du den st. Stuhl oder wenns ganz schlimm ist und ausartet die Auszeit anwenden.
Sie muss dann kurz auf einen Stuhl, Treppe, Boden sitzen, sich beruhigen, kurz nachdenken und du holst sie dann wieder. (Wie bei der Auszeit). Wenn sie nicht still ist, dann bring sie in die Auszeit. Sag ihr warum: „du bisch nid still gsi, drum muesch itze e moment id uszyt/timeout ids zimmer.
Die Auszeit ist die letzte Möglichkeit und steht am Ende einer langen Kette von Erziehungsfertigkeiten. (Fam. Regeln, direktes ansprechen, klare ruhige Anweisungen, Log. Konsequenzen, Stiller Stuhl und Auszeit. Die Auszeit funktioniert nur, wenn du vor allem auch die anderen Erziehungsstrategien (beschreibend loben, Aufmerksamkeit schenken, Zuneigung zeiten bei positivem Verhalten, beiläufiges lernen usw.) regelmässig anwendest.
Wichtig bei der Auszeit:
einen uninteressanten Raum wählen (wenn möglich nicht das Kinderzimmer, das Schlafzimmer, Gästezimmer oder auch das WC). Erklär ihm in einer ruhigen Situation, wie die Auszeit abläuft. Sag ihr dann, was du von ihr erwartest. "Ich möchte, dass du dich jetzt beruhigst." Lass sie dann einfach und verlasse evt. auch den Raum. Bei einem Wutanfall hat es keinen Sinn auf ihn einzureden. Wenn sie dich dann haut oder der Wutanfall wirklich ganz heftig ist, dann schick ihn in die Auszeit. Sag ihr warum du es tust. Wenn sie die festgesetzte Zeit (zw. 1-3 Minuten) ruhig war, dann hole sie und lobe sie und sprich die Sache danach nicht mehr an. (Ich kann dir dazu gerne noch ein paar Merkblätter mailen.)
Oft ist es ja auch so, dass beide Kinder in den Streit oder das Gestürm involviert sind. In diesem Fall empfehle ich dir folgendes:
Geh nicht als „Polizist“ in die Situation rein, sondern als „Vermittler“. Wenn sie sich streiten und du zu ihnen gehst, dann versuche nicht gleich selber die Situation zu klären. Also nicht: „ was isch itze hie scho wider los, Luca was hesch ume gmacht? Muesch immer mit de andere stritte, itze gib ihne sofort die Sache zrügg/la se i Rueh usw.“
Versuch als erstes mal zuzuhören. Was genau ist passiert, versuch nicht zu bewerten und Partei für jemanden zu ergreifen. Hör zu und mach dir ein Bild. Wenn nötig fass das Gehörte zusammen: „Also hani das richtig verstande, Luca du bisch verruckt worde, wüll d Lea nid hett wölle mit dir spile.“ Versuch auch hier nicht gleich selber die Lösung zu geben. Probier deine Kinder zu einer Lösung zu bewegen. „Also, Lea du möchtsch nümme mit em Luca spile und du Luca möchtsch, no chli mit ihre witer spiele. Was mache mer itze? Was gits itze für ne Möglichkeit, heit der e Idee. Wie chönntet dir das Problem itze löse?“
Kinder haben meistens selber sehr gute Ideen Probleme zu lösen, man muss sie nur lassen. Wichtig ist, dass du ihnen nur soviel Hilfe wie nötig gibst, so dass sie das Problem eigentlich selber lösen können.
Wenn es dann nicht klappt, oder sie sich nicht einigen können, dann kannst du immer noch einschreiten od. eine Lösung vorschlagen. „Lueget, wenn dir öich nid chöit einige, wär itze mit dem Outo spilt, de nimenis itze für ne Moment wäg. 10 Minute gibenis euch de wider und de chöit der de nomal versueche das z löse.“ Es ist nicht deine Aufgabe abzuwägen und den Schiedsrichter zu spielen, du sollst nur Hilfestellungen geben und die Kinder müssen es dann selber versuchen. Das ist für dich einfacher, denn sonst stehst du immer zwischendrin, du bist immer für irgendjemanden „die Böse“ du kannst es nicht allen recht machen. Deshalb ist es für dich auch viel entspannter, wenn deine Kinder nach Lösungen suchen. Sie werden mit der Zeit auch merken, dass sie dich auch nicht immer rufen müssen, denn du ergreifst ja „keine Partei“ mehr für jemanden. Ich weiss, das ist sehr schwierig am Anfang, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Es wird sicher auch nicht gleich beim ersten Mal klappen, aber probier es einfach immer wieder. Du kannst mir ja ein Feedback geben wie es geklappt hat.
Sara: "Ich chan ehh wieder use" Bei allem tönt es so. Dann sage ich: Das weiss ich schon, dass du das kannst, dann bringe ich dich einfach wieder zurück. Und so geht das den ganzen Tag!
Lass dich nicht auf Diskussionen ein. Gib die Anweisungen und ignoriere dann Protest oder auch wenn sie irgendetwas darauf sagt.
Jetzt habe ich schon einige von Deinen Empfehlungen gelesen: Soll ich sagen: ich möchte, dass du Tim nicht nervst, sonst musst Du (was wäre die sinnvolle Konsequenz?)....
Das kannst glaub ich jetzt selber beantworten, oder?
Die sinnvolle Konsequenz finde ich extrem schwierig. Ein Beispiel:
Sara kickt der Katze ins Bein. "Höre bitte auf damit" Paff, sie macht weiter. Was wäre eine sinnvolle Konsequenz, kann sie ja schlecht zurückkicken...
"Sara, lass die Katze in Ruhe, du tust ihr weh." 5 Sek. warten, wenn sie es weiter tut sagst du: "Du kickst immer noch die Katze ins Bein, jetzt gehst du einen Moment auf den st. Stuhl". oder "Du kickst immer noch die Katze ins Bein, du darfst jetzt einen Moment lang nicht mehr mit ihr spielen." Du lässt die Katze dann halt raus oder bringst sie in ein anderes Zimmer.
[color=darkred]Wichtig ist, dass du mit deinen Kindern zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Die Grösseren können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es untereinander keinen Streit gibt.
Schreib es so auf, dass sie wissen WAS GENAU du von ihnen erwartest, was sie tun sollen. Also nicht: „I wott nid, dass du duesch houe“, sondern „I wott, dass du fiin, lieb, aständig bisch. Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihm genau erklärst was du von ihm möchtest. Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Frag sie auch, was passiert, wenn man jemanden beisst oder schlägt, wie sie sich fühlen würde, wenn ihr jemanden weh tut.
Versuch auch evt. Alternativen mit ihnen zu besprechen, „ i verstah, dass du mängisch wüetig bisch, was chönnt me denn mache?“.Hesch e Idee? We öpper nid das macht, wo du möchschts, was wär denn e gueti Idee, was chönntsch mache?“ Gib ihnen erst Vorschläge, wenn sie selber keine wissen.
Bei Regeln musst du auch mit ihnen abmachen, was passiert, wenn sie sich nicht daran halten. Bei beissen, kratzen, schlagen usw. würde ich dir vorschlagen, den Stillen Stuhl oder die Auszeit anzuwenden. Bei uns müssen die Kinder bei diesem Verhalten sofort in die Auszeit. D.h du gehst zu ihr, sagst was sie falsch gemacht hast, erinnerst sie an die Regel und sagst: „Lea, du hesch itze grad der Lucabgschlage, mir hei abgmacht, dass mir fiin und lieb mitenand umgöh, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“ Du nimmst sie ganz ruhig und bestimmt, und bringst sie in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn sie die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber sie muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihr und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch sie wieder in eine Aktivität zu verwickeln.
Die Auszeit zeigt ihr, dass sie ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihr aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, sie wird sonst lernen, dass sie erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.
So, das wär's mal für's Erste. Danke Dir. Ich finde das eine tolle Sache!Danke fürs Lob! Gib mir Feedback, wies geklappt hat und wo du noch Schwierigkeiten hast. Am besten mit Beispielen. OK?
Lg
Kathrin
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Kathrin Buholzer am 03.12.2007, 01:46, insgesamt 1-mal geändert.