von Kathrin Buholzer » 17.08.2008, 22:14
Hallo Kathrin, hallo an alle andern!
Hallo Babs! Schön, dass du hier bei uns gelandet bist! Herzlich willkommen!
Eben angemeldet und schon stell ich unser Problem vor.
Unser Sohn, im Juni 6 geworden, rastet immer mal wieder aus. Das heisst er schreit, weint, teilt Schimpfwörter aus (dummer Kuh, Blödi....), schlägt, beisst, einfach das volle Programm. Eigentlich ist es so ganz und gar nicht seine Art. Er ist kein wilder Kerl, wie andere Jungs, aber auch kein Stubenhocker. Er ist eigentlich schon sehr weit, was das Schulische betrifft, obwohl er erst seit 1 Woche in den Kindergarten geht. Er kann lesen, schreiben und etwas rechnen. Trotz seinem regen Întersse an ruhigen Aktivitäten spielt er gerne draussen (Inline, Velo, Fussball.....).
Ist das ein neues Verhalten das er zeigt? Wie lange geht das so? Du schreibst, dass er neu in den Kindergarten geht. Das ist für Kinder eine grosse Veränderung. Er muss sich in eine Gruppe einordnen, zuhören, sich behaupten. Das ist anstrengend und setzt viele verschiedene Gefühle frei. Bei unserer Tochter hat diese Aggressivität nach dem Kindergartenstart auch stark zugenommen. Sie war oft sehr aggressiv, motzte viel rum und stand manchmal richtiggehend "neben sich". Wir haben dann zusammen das besprochen und haben versucht rauszufinden, was sie dagegen tun könnte. Ich habe ihr dann eine Ampel gebastelt, sie konnte dann jeweils die Farbe, je nach Gefühlszustand, selber einstellen. Grün für alles ok, orange soso lala und rot: ich bin hässig, lass mich grad einen Moment in Ruhe.
Ich habe ausserdem gemerkt, dass diese "Aussetzer" dann passieren, wenn sie Hunger hatte. Wenn ihr Blutzuckerspiegel sinkt, dann fiel sie fast wie in eine Art "Hypo" (Unterzuckerung"). Sie merkt jetzt mittlerweile selber, wenn sie "knurrig" wird oder das "Knurri-Monster" kommt. Sie nimmt dann ein Traubenzucker und es geht rasch wieder besser.
Beobachte einmal, wann genau das passiert. Was passierte vorher?
Nun erzähl ich am besten mal wie sein Anfall gestern abgelaufen ist:
Wir kamen nach Hause, um dann gleich wieder weg zu gehen. Die Kinder wussten dies, wir hatten es ihnen mehrmals gesagt, was alles auf dem Programm steht. Eigentlich durchwegs Tolles für die Jungmannschaft. Also kamen wir kurz ins Haus und Sohnemann zog die Schuhe aus und ging aufs WC. Ich sagte ihm, dass er dann gleich wieder die Schuhe anziehen könne, da wir los müssten. Dann schaute mein Mann, dass die Kinder ins Auto stiegen und ich packte die letzten Dinge ein. Beim verlassen vom Haus sah ich, dass Junior keine Schuhe an hat. Also packte ich die Crocks ein, welche er bereits zuvor an hatte. Am Ziel angekommen ging es dann los. "I ha doch gseit, dass i d Haubschue wott". Leider hörte das Papi und nicht ich. Wir versuchten zuerst ruhig, ihm zu erklären, wie es gekommen ist, dass die "falschen" Schuhe da waren. Doch ich kam kaum zu Wort, da schlug er schon gegen mich, schimpfte mich blöde Kuh und schrie wie am Spiess. Mein Mann wird dann jeweils auch rasch recht laut. Was der Situation sicher nicht nützt. Ich erklärte mich dann bereit, mit Sohn nach Hause zu fahren (nicht weit), um die Schuhe zu holen, jedoch gäbe es dann kein Glace für ihn. Denn Papi und Schwester gingen jetzt ein Glace kaufen und Mami hat kein Geld dabei. Das wollte er auch nicht, folgten noch mehr Schreie und blöde Kühe... Nachdem mein Mann mit der Tochter weggelaufen waren und ich mit ruhigeren Worten ihn dazugebracht habe mir zuzuhören gings dann. Ich musst ihm zwar die Schuhe anziehen, wobei er mir nicht half, im Gegenteil. Aber danach war es vorbei. Als wir die beiden andern eingeholt hatten, war er wieder ganz ruhig und lieb.
Ich denke, das war einfach grad ein wenig zu viel für ihn. Er war die ganze Woche im Kindergarten, hat so viele neue Eindrücke gewonnen, neue Gesichter gesehen, musste immer wieder still sitzen und zuhören. Ihr wart dann weg, kommt nach Hause und geht gleich wieder, da ist es eigentlich nicht unverständlich, dass ihm das einfach zu viel wird. Er kann das wahrscheinlich noch nicht so kommunizieren und rastet dann einfach in den unmöglichsten Situationen einfach aus. Du kannst ihn ja gleich am Anfang, also wenn er seine Schuhe auszieht fragen, welche Schuhe er anziehen möchte. Wenn er ohne Schuhe das Haus verlässt, dann geh zu ihm und sag ihm, dass er seine Schuhe holen solle. Das ist nicht deine Aufgabe, ihm die Schuhe nachzutragen. ;-) Dann kann er nämlich auch die Schuhe mitnehmen die er möchte.
Auch wenn ihr jetzt die "falschen" Schuhe dabei habt, musst du das nächste Mal nicht umkehren und sie extra holen. Dein Sohn lernt nämlich in einer solchen Situation: "Hey, wenn ich meine Schuhe vergesse, dann bringt sie mir die Mama. Wenn sie die falschen mitnimmt, dann schrei ich einfach ganz laut und beschimpfe sie und sie holt sie dann für mich." Du kannst ihm sagen, dass du seine Crocs eingepackt hast. Er könne die entweder anziehen oder dann ohne Schuhe mitkommen. Wenn er dich haut und beschimpft. Sag ihm, dass er damit aufhören soll und setz ihn dann halt einen Moment wieder ins Auto zurück. Sag ihm, dass er sich beruhigen und ganz anständig und in normalem Ton mit dir sprechen soll. (Hier ist es einfach wichtig, dass ihr das mit ihm auch tut. Ihr könnt nicht von ihm verlangen, dass er anständig und in normalem Ton mit euch spricht, wenn ihr, oder resp. dein Mann es auch nicht tut...)
Warum ziehst du ihm die Schuhe an? Wenn du sie ihm schon geholt hast (was ich das nächste Mal nicht mehr tun würde), dann lass sie ihn selber anziehen. Du bietest hier deinem Sohn einen Rund um Service an der nicht nötig ist. Er ist 6 Jahre alt und kann, muss seine Schuhe selber anziehen. Pass auf, dass du dich nicht dem Frieden zu liebe, zu seinem Spielball machen lässt. Er wird schnell merken, wie er reagieren musst, damit du für ihn springst. Sag ihm, dass er jetzt schnell seine Schuhe anziehen soll. Wenn er schnell ist, dann könnt ihr die anderen auch schneller einholen. Versuch ruhig zu bleiben und lass dich nicht provozieren. Wenn er schreit, motzt und tobt, dann geht es einfach viel länger. Evt. muss er dann halt auch noch einmal in die Auszeit (z.B ins Auto) oder er geht halt barfuss, wenn er die Schuhe nicht anziehen will. (Spätestens nach ein paar Metern, wird er sie wohl anziehen, weil es ihm an den Füssen weh macht.
Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten:
Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich es mit Namen an und sag ihm genau was sie tun soll: „Ich möchte, dass du jetzt deine Kleider anziehst und dann zum Essen kommst, …“ (auch hier, immer sagen, was es tun soll, was du von ihm möchtest). warte ca. 5 Sekunden und gib ihm Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte ihn. Wenn er tut, was du gesagt hast, dann lobe ihn.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!). Wenn ernwieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Das Kind aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.)
Sag ihm immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihm immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihm dann wieder.
Ich Botschaften sind in solchen Situationen auch immer sehr hilfreich. "Wenn du alle deine Sachen hier rumliegen lässt, dann macht mich das wütend, weil ich vorher grad alles schön ordentlich aufgeräumt habe." Oder: "Wenn du so rumtrödelst, dann ärgere ich mich, weil ich gerne mit dir Frühstücken möchte."
Lass ihn verstehen, warum du etwas von ihm möchtest und was es bei dir bewirkt, wenn er es nicht tut.
Beobachte dich einmal, WIE du Anweisungen gibst. Denk dran:
Nicht zuviele! Oftmals texten wir unsere Kinder von morgens bis abends mit Anweisungen zu. Je mehr Anweisungen wir geben, umso mehr Möglichkeiten haben die Kinder nicht zu gehorchen. Oftmals geben wir auch einfach nur Anweisungen aus lauter Gewohnheit. "Pass auf dort drüber, diese Pflanzen solltest du nicht anfassen, jetzt musst du dann mal den Schlafanzug anziehen." Hier wäre es besser entweder gar nichts zu sagen oder dann: "Komm her zu mir, Lass die Pflanzen in Ruhe, geh jetzt bitte deinen Schlafanzug anziehen." Überleg dir jeweils, BEVOR du eine Anweisung gibst: Ist diese jetzt wichtig? Denk auch daran, dass du dann auch eine Konsequenz parat haben musst, wenn er sie nicht befolgt.
Frageform! Immer wieder geben wir Anweisungen als Frage. "Könntest du bitte deine Füsse vom Tisch nehmen? Kommst du bitte? Gehst du jetzt die Hände waschen?" Wenn wir eine Anweisung als Frage formulieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Kind "Nein" sagt. Also sag immer, WAS genau du von deinem Kind erwartest. Positiv Formulieren!
Zu Ungenau! "Leon!" oder "Hör auf mit dem Blödsinn!" "Jetzt reichts aber! "Jetzt benimm dich!" Diese vagen Andeutungen sagen dem Kind weder mit was es aufhören, noch was es stattdessen tun soll.
Von weit her! Immer zum Kind hingehen. Nicht von der Küche ins Kinderzimmer schreien!
Zur falschen Zeit! Vorher ankündigen. Nicht einfach den Fernseher ausmachen, oder zum essen rufen. Sag ihm vorher wie lange er etwas tun darf. Stell eine Uhr, oder geh ca. 5 Min. vorher zu ihm hin und sage: "In 5 Minuten können wir essen, wenn ich das nächste Mal komme, dann möchte ich, dass du gleich mitkommst und dir die Hände wäschst."
Es gibt noch weitere "Erziehungsfallen":
Umgang mit Strafen:
Strafe wird angedroht, aber nicht ausgeführt. Das Kind lernt mit der Zeit, dass die Eltern die Strafen nur androhen, aber trotzdem nix passiert.
Strafe als letzte Möglichkeit:
Die Eltern warten zu lange, bevor sie auf das Problemverhalten reagieren. Strafen fallen dann häufig zu hart aus.
Inkonsequente Bestrafung:
Die Eltern sind sich nicht einig, ob und wie sie Konsequenzen anwenden. Für das Kind ist es schwierig zu merken, welche Linie jetzt gilt.
Manchmal ist es auch hilfreich eine Alternative anzubieten: "Möchtest du lieber a oder b?."
Wenn du grad von Anfang an merkst, dass es Probleme geben könnte, dann versuch sie grad von Anfang an zu motivieren. "Schau, wenn du jetzt vorwärts machst, dann haben wir nachher noch genug Zeit und können noch ein Buch anschauen."
Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm die Lösung. Versuch zusammen mit ihm eine Lösung zu finden. Frag ihn, was er tun wollte und wie er das jetzt anpacken könnte. Gib ihm Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für ihn.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.
Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Das heisst auch, dass er Dinge selber holen kann. Wenn er z.B etwas ausleert, was ja nicht schlimm ist, schimpfe nicht mit ihm, sondern zeig ihm einfach ganz ruhig, wo der Lappen ist und sag ihm, dass er es aufputzen soll. Wenn er seine Schuhe vergessen hat, dann sag ihm, er solle sie holen, gib ihm den Schlüssel mit und sag ihm, er solle dann einfach die Türe abschliessen. Wenn er noch nicht weiss wie, dann zeig es ihm.
Was können wir tun, damit er nicht so in ein "Zügs" kommt? Und wenn er halt doch anfängt, wie beruhigen wir die Situation am besten?
Vielen Dank für's Lesen. Hoffentlich nicht zu wirr erzählt. Ist gar nicht so einfach, eine so stressige Situation nachzuvollziehen.
Liebe Grüsse
Babs
Gut vorausplanen. Sag ihm immer was als nächstes passiert, wo ihr hingeht, mit wem, wie lange, wann ihr heimkommt, was ihr von ihm erwartet. Nicht zu viel vornehmen! Realistische Erwartungen an dich aber auch an deinen Sohn, lobe und ermutige ihn, achte dich auf die Anweisungen, log. Konsequenzen einsetzen. Wenn ein Verhalten immer und immer wieder auftaucht, sprich mit ihm über Regeln. Familienregaln positiv formulieren, aufschreiben, zeichnen und aufhängen. Was für ihn gilt, gilt auch für den Rest der Familie, vergiss nicht, dass Humor, Fantasie und Kreativität auch immer ein guter Ratgeber sind. Wenns brenzlig wird, kannst du auch ab und zu versuchen ihn abzulenken oder ein Spiel daraus zu machen.
Viele Verhaltensfehler die dein Sohn zeigt, sind antrainiert. Wir als Eltern sind da leider nicht immer ganz unschuldig daran. Du kannst ihm dieses Verhalten aber auch wieder abtrainieren und er kann mit deiner Hilfe, neues Verhalten lernen. Das ist anstrengend, braucht viel Kraft, Energie, Geduld und ganz viele Wiederholungen.
Schau mal, was du mit diesen Tipps und Anregungen anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin