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Sie streiten ständig!

BeitragVerfasst: 19.06.2008, 11:18
von Evelyne
Hallo Kathrin

Ich bin neu hier und brauche gleich mal deinen Rat, weil ich momentan sooo genervt bin. Mein Sohn (gerade 5 geworden) und meine Tochter (wird im Juli 3) streiten ständig. Kaum spielen sie zusammen, geht das Geschrei los. Der eine nimmt ein Spielzeug, das der andere dann urplötzlich auch will und schon geht der "Kampf" los. Es wird geschrien und auch mal gehauen. Oder der eine spielt nicht so, wie der andere will, oder oder....es gibt tausend Situationen. Ich habe schon alles versucht: selbst mitspielen, Ideen geben.. Nichts klappt. (Sie sind vom Wesen und Charakter her auch sehr verschieden). Alleine spielen will aber auch keines der beiden, da sich keines selbst beschäftigen kann, was ein weiteres Problem darstellt. Dann hängen sie an mir rum.
Heute wollte ich putzen. Ich hatte 2 Stunden(!!!) an 2 Bädern, da ständig gerufen, gestritten oder etwas gewollt wurde. Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit ihnen etwas spiele, sobald ich fertig geputzt habe. hat aber auch nicht funktioniert. Ich bin schon richtig frustriert und hoffe, dass du vielleicht ein paar Tipps hast.

Danke schon mal fürs zuhören.

Liebe Grüsse

evelyne

BeitragVerfasst: 19.06.2008, 12:57
von Kathrin Buholzer
Hallo Kathrin

Ich bin neu hier und brauche gleich mal deinen Rat, weil ich
momentan sooo genervt bin.

Hallo Evelyne! Schön dass du hier gelandet bist! Herzlich Willkommen hier im Forum!

Mein Sohn (gerade 5 geworden) und meine Tochter (wird im Juli 3) streiten ständig. Kaum spielen sie zusammen, geht das Geschrei los. Der eine nimmt ein Spielzeug, das der andere dann urplötzlich auch will und schon geht der "Kampf" los. Es wird geschrien und auch mal gehauen. Oder der eine spielt nicht so, wie der andere will, oder oder....es gibt tausend Situationen.

Ich kann dir einmal ein paar grundsätzliche Tipps und Anregungen geben. Für Hilfe in konkreten Situationen musst du mir dann noch ein paar Beispiele schreiben.

Es ist ganz wichtig, dass du mit deinen Kindern zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Sie können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es untereinander keinen Streit gibt. Schreib es so auf, dass sie wissen WAS GENAU du von ihnen erwartest, was sie tun sollen. Also nicht: „Ich möchte nicht, dass ihr einander haut, dass Spielzeug wegreisst.“, sondern „Ich möchte, dass ihr lieb uns anständig miteinander teilt, abwechselt. Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihnen genau erklärst was du von ihnen möchtest.
Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Frag sie auch, was passiert, wenn man jemanden beisst oder schlägt, wie sie sich fühlen würde, wenn ihr jemanden weh tut. Versuch auch evt. Alternativen mit ihnen zu besprechen, „ ich verstehe, dass ihr manchmal sauer aufeinander seid, oder dass euch etwas ärgert, was könntet ihr da machen? Habt ihr eine gute Idee? Wenn du jetzt das Spielzeug von Melanie möchtest, was könntest du dann tun?“ Gib ihnen erst Vorschläge, wenn sie selber keine wissen.



Ich habe schon alles versucht: selbst mitspielen, Ideen geben.. Nichts klappt. (Sie sind vom Wesen und Charakter her auch sehr verschieden). Alleine spielen will aber auch keines der beiden, da sich keines selbst beschäftigen kann, was ein weiteres Problem darstellt. Dann hängen sie an mir rum.

Wichtig ist auch, dass du für sie (mit ihnen zusammen) interessante Beschäftigungen suchst.
Wenn sie dauernd aneinander geraten, dann ist es gut möglich, dass es ihnen einfach Langweilig ist.
Überleg dir einmal, was sie bei euch zu Hause tun können. Mit welchen Sachen, Gegenständen, Materialien könnten sie spielen. Gib ihnen z.B Tücher, alte Kleider (z.B verkleiderlen), Kartonschachteln, Wäschekorb, Stühle, Zeichnungspapier... Du kannst ihnen auch eine "Krimskrams-Kiste" machen. Einfach eine Schachtel mit wertlosem Material wie Schnur, Korkzapfen, Silberpapierchen, Knöpfe usw... Schmeiss dort immer wieder etwas rein. Mit dieser Kiste kann er sich dann beschäftigen, basteln, zeichnen, kleben usw.
Lass sie im Haushalt mithelfen, gib ihnen Aufgaben, damit sie etwas zu tun haben usw.
Versuch immer wieder am Tag "wertvolle Zeit" zu verbringen.
Immer wieder einen kurzen Moment, zwischen ein paar Sekunden bis ein paar Minuten "wertvolle Zeit." Wenn sie dich etwas fragen wollen, etwas zeigen, etwas von dir möchten. Nicht immer auf später vertrösten, sondern dich einen kurzen Moment mit ihnen beschäftigen und dann kannst du auch wieder deiner Arbeit nachgehen.

Wichtig ist auch hier einmal genau hinzuschauen, WANN es passiert. Ist es Eifersucht? Gehen sich die Kinder auf Grund ihrer unterschiedlichen Art auf die Nerven? Ist es ein Machtkampf zwischen den beiden, um zu sehen für wen die Eltern Partei ergreifen?
Oftmals ist es auch so, dass das scheinbar "schwächere" Kind sein Geschwisterchen mit tausend kleinen Sticheleien gerade zu herausfordert. So dass die Eltern dann Partei für das "schwächere" ergreifen. Die Rollen sind so schnell verteilt. Das eine Kind ist das "Liebe" das andere das "Böse".
Streiten ist etwas, was die Kinder lernen müssen.
Wenn es Streit gibt, sie "ziggeln" und du das Gefühl hast, dass du dich einmischen sollst, dann geh zu ihnen und mach folgendes:
Nicht als „Polizist“ in die Situation rein gehen, sondern als „Vermittler“. Wenn sie sich streiten und du zu ihnen gehst, dann versuche nicht gleich selber die Situation zu klären. Also nicht: „ Was ist jetzt schon wieder los? Marco was hast du jetzt schon wieder gemacht? Musst du immer mit anderen streiten? Jetzt gibst du ihnen sofort die Sachen zurück."
Versuch als erstes mal zuzuhören. Was genau ist passiert, versuch nicht zu bewerten und Partei für jemanden zu ergreifen. Hör zu und mach dir ein Bild. Wenn nötig fass das Gehörte zusammen: „Also hani das richtig verstande, Tim du bisch verruckt worde, wüll d Luna nid hett wölle mit dir spile.“ Manchmal reicht schon das Zuhören und die Kinder sind dann schon wieder zur Türe raus.
Versuch auch hier nicht gleich selber die Lösung zu geben. "Eh das ist doch nicht so schlimm. Jetzt lass den Tim halt mal und spiel etwas anderes." Probier deine Kinder zu einer Lösung zu bewegen. „Also, Tim du möchtest jetzt nicht mehr mit Luna spielen? Und du Luna möchtest aber jetzt noch mit Tim weiterspielen? Was tun wir jetzt? Was gibt es für eine Möglichkeit? Habt ihr eine Idee? Welche Idee habt ihr? Wie könnet ihr dieses Problem jetzt am besten lösen?"
Kinder haben meistens selber sehr gute Ideen Probleme zu lösen, man muss sie nur lassen. Wichtig ist, dass du ihnen nur soviel Hilfe wie nötig gibst, so dass sie das Problem eigentlich selber lösen können. Wenn es dann nicht klappt, oder sie sich nicht einigen können, dann kannst du immer noch einschreiten od. eine Lösung vorschlagen.
Wenn sie sich bei einem Streit zum Beispiel gar nicht einigen können dann kannst du immer noch eingreifen und sagen: „Schaut mal, wenn ich euch jetzt nicht einigen könnt, wer zuerst mit dem Auto spielt, dann nehme ich es für 10 Minuten weg. Ich geb's euch dann wieder und in der Zwischenzeit könnt ihr euch überlegen, wie ihr das lösen wollt. Wenn es immer wieder um einzelne Spielsachen Streit gibt, dann könnt ihr ja mal zusammen abmachen, welche Spielsachen jeder für sich selber haben und auch nicht mit dem anderen teilen will. Ihr könnt z.B diese Spielsachen mit einem Punkt oder einem Kleber kennzeichnen. D.h für die Zukunft, dass man diese Sachen nicht miteinander teilen muss. Dafür ist man aber einverstanden, dass alles was keine Kennzeichnung hat, geteilt wird.
Es ist nicht deine Aufgabe abzuwägen und den Schiedsrichter zu spielen, du sollst nur Hilfestellungen geben und die Kinder müssen es dann selber versuchen. Das ist für dich einfacher, denn sonst stehst du immer zwischendrin, du bist immer für irgendjemanden „die Böse“ du kannst es nicht allen recht machen. Deshalb ist es für dich auch viel entspannter, wenn deine Kinder nach Lösungen suchen. Sie werden mit der Zeit auch merken, dass sie dich auch nicht immer rufen müssen, denn du ergreifst ja „keine Partei“ mehr für jemanden.
Manchmal kann auch ein kleines Rollenspiel hilfreich sein, z.B wenn ein Kind bei der Lösungsfindung nicht mitmachen will. Dann kannst du seinen "Part" übernehmen und es mit dem anderen Kind quasi vorzeigen.
Wenn du dann Hilfestellungen gibst, dann versuch das mit viel Fantasie und Einfühlungsvermögen zu machen. Mitzuhelfen Lösungen zu finden muss nämlich nicht nur Stress sein, sondern kann auch Spass machen!
Ich weiss, das ist sehr schwierig am Anfang, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Es wird sicher auch nicht gleich beim ersten Mal klappen, aber probier es einfach immer wieder. Du kannst mir ja ein Feedback geben wie es geklappt hat.

Wenn es z.B immer wieder Streit gibt, wer etwas zuerst tun darf, dann kannst du den "Wem gehört der Tag?" einführen. Am "Timtag" darf Tim zuerst wählen, am "Lunatag" darf Luna zuerst auswählen. Macht vorher genau ab, für welche Sachen das gelten soll. (z.B neben wem sitzen, zuerst das Glas auswählen, zuerst auswählen welchen Kuchen usw.)


Heute wollte ich putzen. Ich hatte 2 Stunden(!!!) an 2 Bädern, da ständig gerufen, gestritten oder etwas gewollt wurde. Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit ihnen etwas spiele, sobald ich fertig geputzt habe. hat aber auch nicht funktioniert. Ich bin schon richtig frustriert und hoffe, dass du vielleicht ein paar Tipps hast.

Danke schon mal fürs zuhören.

Liebe Grüsse

evelyne

Wichtig ist auch immer, dass du gut vorausplanst. Sag deinen Kindern immer wieder, was jetzt passiert. Was du gerade tust, wie lange und was du von ihnen erwartest. Teile den Tag in kleine "Häppchen" und erkläre ihnen kurz, was als nächstes auf sie zu kommt. "Ich gehe jetzt nach oben und putze das Bad. Ich möchte, dass ihr einen Moment für euch ruhig spielt. Wenn ich fertig bin und das gut geklappt hat, dann komme ich zu euch und dann können wir zusammen ein Spiel spielen. Du kannst sie hier ja auch mit einbeziehen. Du kannst sie ja auch etwas putzen lassen. Die Türen abwischen, die Badewanne trocknen. Dann hast du sie im Auge uns sie haben etwas zu tun.

Ich kann dir noch ein paar grundsätzliche Tipps zu Anweisungen geben.

Beobachte dich einmal, WIE du Anweisungen gibst. Denk dran:

Nicht zuviele! Oftmals texten wir unsere Kinder von morgens bis abends mit Anweisungen zu. Je mehr Anweisungen wir geben, umso mehr Möglichkeiten haben die Kinder nicht zu gehorchen. Oftmals geben wir auch einfach nur Anweisungen aus lauter Gewohnheit. "Pass auf dort drüber, diese Pflanzen solltest du nicht anfassen, jetzt musst du dann mal den Schlafanzug anziehen." Hier wäre es besser entweder gar nichts zu sagen oder dann: "Komm her zu mir, Lass die Pflanzen in Ruhe, geh jetzt bitte deinen Schlafanzug anziehen." Überleg dir jeweils, BEVOR du eine Anweisung gibst: Ist diese jetzt wichtig? Denk auch daran, dass du dann auch eine Konsequenz parat haben musst, wenn sie diese nicht befolgt.

Frageform! Immer wieder geben wir Anweisungen als Frage. "Könntest du bitte deine Füsse vom Tisch nehmen? Kommst du bitte? Gehst du jetzt die Hände waschen?" Wenn wir eine Anweisung als Frage formulieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Kind "Nein" sagt. Also sag immer, WAS genau du von deinem Kind erwartest. Positiv Formulieren!

Zu Ungenau! "Melanie!" oder "Hör auf mit dem Blödsinn!" "Jetzt reichts aber! "Jetzt benimm dich!" Diese vagen Andeutungen sagen dem Kind weder mit was es aufhören, noch was es stattdessen tun soll.

Von weit her! Immer zum Kind hingehen. Nicht von der Küche ins Kinderzimmer schreien!

Zur falschen Zeit! Vorher ankündigen. Nicht einfach den Fernseher ausmachen, oder zum essen rufen. Sag ihm vorher wie lange er etwas tun darf. Stell eine Uhr, oder geh ca. 5 Min. vorher zu ihm hin und sage: "In 5 Minuten können wir essen, wenn ich das nächste Mal komme, dann möchte ich, dass du gleich mitkommst und dir die Hände wäschst."

Es gibt noch weitere "Erziehungsfallen":

Umgang mit Strafen:
Strafe wird angedroht, aber nicht ausgeführt. Das Kind lernt mit der Zeit, dass die Eltern die Strafen nur androhen, aber trotzdem nix passiert.

Strafe als letzte Möglichkeit:
Die Eltern warten zu lange, bevor sie auf das Problemverhalten reagieren. Strafen fallen dann häufig zu hart aus.

Inkonsequente Bestrafung:
Die Eltern sind sich nicht einig, ob und wie sie Konsequenzen anwenden. Für das Kind ist es schwierig zu merken, welche Linie jetzt gilt.

Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten: Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich es mit Namen an und sag ihm genau was es tun soll: „bitte geh jetzt deine Zähne putzen, sprich bitte in normalem Ton, versorge bitte deine Schuhe …“ (auch hier, immer sagen, was sie tun sollen, was du von ihnen möchtest). Warte ca. 5 Sekunden und gib ihm Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte es. Wenn es tut was du gesagt hast, dann lobe es.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!).
Wenn es wieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Die Kinder aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.). Sag ihnen immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihnen immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihnen dann wieder.

Schau mal, ob du mit diesen Anregungen etwas anfangen kannst. Melde dich einfach wieder und wenn du willst, kannst du mir noch ein paar Beispiele aufschreiben, dann kann ich dir noch etwas konkretere Tipps geben.
liebe Grüsse
Kathrin

Danke für deine Antwort

BeitragVerfasst: 19.06.2008, 14:27
von Evelyne
Hi Kathrin

Ich danke dir sehr für deine Anregungen und Tipps. Ich werde sicher genügend Gelegenheiten finden, sie auszurobieren :wink: , was ich auf jeden Fall auch machen werde. danke.