von Kathrin Buholzer » 01.06.2008, 00:01
Hallo Kathrin,
ich bin es mal wieder mit einem Problem. Es hört sich immer alles so einfach an mit deinen Tips aber beim Umsetzen kommt man doch immer wieder an seine Grenzen:-(
Das ist ganz normal. Das braucht Zeit, Energie und Geduld.
Unser 3,5 Jähriger hat immer wieder Trotzanfälle, sobald man Nein sagt. Heute waren wir beim Einkaufen, da will er, dass wir ihm ein Auto kaufen. Wir haben nein gesagt, dass er sich das von seinem Götti zum Geburtstag wünschen darf, aber wir nicht immer was kaufen können.
Versuch nicht einfach nur "Nein" zu sagen. Am besten ist es wenn du immer gut vorausplanst. Beim Einkaufen würde ich folgendermassen vorgehen:
1. Gute Vorbereitung
Sag ihm genau wo ihr hingeht, was passiert, wie lange usw. Mach mit ihm zusammen eine Einkaufsliste. Schaut was ihr alles braucht und schreibt es auf einen Zettel. Er darf ja vielleicht auch einen machen, er kann auch einen zeichnen. Sag ihm, dass ihr nur das kauft was auf dem Zettel steht.
2. Regeln festlegen
Besprich mit ihm die Regeln. Sag ihm was du genau von ihm erwartest. Positiv formulieren "Ich möchte, dass du im Geschäft bei mir bleibt. Ich habe Angst, dich sonst zu verlieren." Evt. kannst du ihn ja selber danach fragen, was passieren kann, wenn er wegläuft.
3. Belohnungen abmachen
Besprecht zusammen, was passiert, wenn er sich gut an die Abmachungen hält. z.B zusammen etwas trinken gehen, auf den Spielplatz, ein Dessert nach dem Mittagessen, ein Büechli schauen usw.
4. Konsequenzen einsetzen
Wenn es nicht klappt, sei bereit logische Konsequenzen einzusetzen. Also z.B keine Belohnung oder das kleine Einkaufswägeli zurück bringen, einen Moment in den Wagen sitzen, einen Moment mit ihm rausgehen und auf die Treppe sitzen. Sag ihm dann immer warum du es tust. "Du bist jetzt grad davon gelaufen, obwohl wir abgemacht haben, dass du bei mir bleibst, deshalb gehen wir jetzt kurz raus, oder deshalb gehen wir nach dem einkaufen nicht mehr auf den Spielplatz.
5. Nachbesprechen
Sag ihm was gut war, lobe ihn dafür und sage ihm auch , was er evt. das nächste Mal noch besser machen könnte.
Er hat geschrieen und getobt, was das Zeug hält. Natürlich haben die Leute geschaut und Bemerkungen kamen auch, mit wohlgemeinten Ratschlägen:-( Wir haben nicht nachgegeben, haben unseren Einkauf gezahlt und sind raus aus dem Geschäft.
Heute Abend ist er total überstellig, weiss nicht mehr wie blöd tun, plagt seinen kleinen Bruder und als wir sagen, er soll damit aufhören, lacht er uns ins Gesicht und macht damit weiter. Wir haben ihn in die Auszeit geschickt, er kommt aber gleich wieder aus dem Raum heraus und macht weiter wie bisher. Unterdessen tobt er wieder und schreit und hält sich nicht an unser Nein.
Versucht nicht erst im letzten Moment zu reagieren. Wichtig auch hier, gut vorausplanen. Sag ihm vorher, was ihr von ihm erwartet. Sagt ihm nicht immer was er NICHT tun, sondern was er TUN soll. Wenn ihr merkt, dass sich grad eine schwierige Zeit/Situation anbahnt, dann könnt ihr auch immer wieder versuchen ihn abzulenken, ihm grad eine Aufgabe geben. Das wirkt oft besser, gerade in Situationen in denen die Kinder müde, gereizt oder hungrig sind.
Wenn ihr ihn die Auszeit bringt, sagt ihm immer warum. Wenn er rauskommt, dann bringt ihn ruhig aber bestimmt in den Auszeitraum zurück. Wenn er die festgesetzte Zeit (ca. 1 Minute) ruhig war, dann könnt ihr ihn wieder holen.
Wir haben bald keine Geduld mehr und haben das Gefühl, alles falsch zu machen:-(
Oft spinnt er auch dann, wenn er total übermüdet ist. Er macht mir aber weder einen Mittagsschlaf, noch macht er eine Ruhepause. Er weigert sich und plagt mich den ganzen Mittag.
Das wird er nicht von selber einfach so machen. Er ist 3,5 Jahre alt und du musst dafür sorgen, dass er eine Mittagspause macht.
Besprich mit ihm, wie das in der Mittagspause ablaufen soll. Sag ihm auch, warum du möchtest dass er eine Pause macht. Wenn er nicht mehr schlafen kann, dann sorg dafür dass er eine Mittagspause macht. Besprich mit ihm, was er in der Pause alles darf und wie lange die Pause dauert. Du kannst ihm das auf einer Uhr oder einem Wecker zeigen.
Wenn er wieder aus dem Zimmer kommt, dann bring ihn ruhig aber bestimmt dorthin zurück. Du kannst auch eine Punktekarte einsetzen, als Motivation.
Positiv formulieren, was möchtes du von ihm. Du kannst etwas witziges basteln, dass er gern hat. Z.B ein Piratenschiff, einen Zoo, eine Rennbahn usw. B. Piratenschiff kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, bei der Rennbahn auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen. Jedes Mal wenn er es geschafft hat, also, in seinem Zimmer zu bleiben, dann darf er ein Kleberli aufkleben. Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen. Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B einen Bagger, Plüschtier, muss aber nicht sein. Setz ein leichtes Ziel. Also z.B nach dem 1. Mal im Zimmer bleiben, oder nach dem 1. Mal, wenn er ruhig und ohne Theater reingeht, ein Kleberli und eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung. Mach es dann etwas schwieriger und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, motivieren fürs nächste Mal.
Es gibt Zeiten da klappt es gut, da hört er Musik oder legt sich ein wenig hin, aber oft nicht länger als eine halbe Stunde. Abends ist er dann so fertig, weil er den ganzen Tag auf Hochtouren läuft. Die meisten Probleme haben wir am Abend mit ihm.
Lobe ihn immer, wenn es klappt und wenn er die festgesetzte Zeit ruhig in seinem Zimmer war.
Ab wann gibts genau Probleme? Wie sieht der Abend bei euch aus? Welches sind die grössten Stressmomente? Wie reagiert ihr darauf?
Damit wir hier weiterkommen ist es wichtig, dass ihr mir Feedback gibt und immer wieder Beispiele bringt, dann kann ich euch ganz konkrete Tipps für die jeweiligen Situationen geben.
Nicht verzweifeln. Bleibt auf diesem Weg und nehmt schön einen Schritt nach dem anderen. Freut euch an den kleinen Fortschritten und versucht immer wieder den Fokus aufs Positive zu setzen. Also nicht immer nur schimpfen und ihm Aufmerksamkeit für die negativen Sachen geben, vor allem dann ermutigen und loben, wenns gut läuft.
Beobachte dich einmal, WIE du Anweisungen gibst. Denk dran:
Nicht zuviele! Oftmals texten wir unsere Kinder von morgens bis abends mit Anweisungen zu. Je mehr Anweisungen wir geben, umso mehr Möglichkeiten haben die Kinder nicht zu gehorchen. Oftmals geben wir auch einfach nur Anweisungen aus lauter Gewohnheit. "Pass auf dort drüber, diese Pflanzen solltest du nicht anfassen, jetzt musst du dann mal den Schlafanzug anziehen." Hier wäre es besser entweder gar nichts zu sagen oder dann: "Komm her zu mir, Lass die Pflanzen in Ruhe, geh jetzt bitte deinen Schlafanzug anziehen." Überleg dir jeweils, BEVOR du eine Anweisung gibst: Ist diese jetzt wichtig? Denk auch daran, dass du dann auch eine Konsequenz parat haben musst, wenn er sie nicht befolgt.
Frageform! Immer wieder geben wir Anweisungen als Frage. "Könntest du bitte deine Füsse vom Tisch nehmen? Kommst du bitte? Gehst du jetzt die Hände waschen?" Wenn wir eine Anweisung als Frage formulieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Kind "Nein" sagt. Also sag immer, WAS genau du von deinem Kind erwartest. Positiv Formulieren!
Zu Ungenau! "Leon!" oder "Hör auf mit dem Blödsinn!" "Jetzt reichts aber! "Jetzt benimm dich!" Diese vagen Andeutungen sagen dem Kind weder mit was es aufhören, noch was es stattdessen tun soll.
Von weit her! Immer zum Kind hingehen. Nicht von der Küche ins Kinderzimmer schreien!
Zur falschen Zeit! Vorher ankündigen. Nicht einfach den Fernseher ausmachen, oder zum essen rufen. Sag ihm vorher wie lange er etwas tun darf. Stell eine Uhr, oder geh ca. 5 Min. vorher zu ihm hin und sage: "In 5 Minuten können wir essen, wenn ich das nächste Mal komme, dann möchte ich, dass du gleich mitkommst und dir die Hände wäschst."
Es gibt noch weitere "Erziehungsfallen":
Umgang mit Strafen:
Strafe wird angedroht, aber nicht ausgeführt. Das Kind lernt mit der Zeit, dass die Eltern die Strafen nur androhen, aber trotzdem nix passiert.
Strafe als letzte Möglichkeit:
Die Eltern warten zu lange, bevor sie auf das Problemverhalten reagieren. Strafen fallen dann häufig zu hart aus.
Inkonsequente Bestrafung:
Die Eltern sind sich nicht einig, ob und wie sie Konsequenzen anwenden. Für das Kind ist es schwierig zu merken, welche Linie jetzt gilt.
Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten: Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich es mit Namen an und sag ihm genau was es tun soll: „bitte geh jetzt deine Zähne putzen, sprich bitte in normalem Ton, versorge bitte deine Schuhe …“ (auch hier, immer sagen, was sie tun sollen, was du von ihnen möchtest). Warte ca. 5 Sekunden und gib ihm Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte es. Wenn es tut was du gesagt hast, dann lobe es.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!).
Wenn es wieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Die Kinder aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.). Sag ihnen immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihnen immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihnen dann wieder.
Nachts schlafen tut er tip top von 20 Uhr bis 7 Uhr und auch ins Bett bringen ist kein Problem.
Liebi Grüess und meld dich einfach wieder!
Kathrin