Brauchen wir einen Psychologen?

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Brauchen wir einen Psychologen?

Beitragvon Lonja » 29.11.2013, 21:20

Unsere tochter ist im oktober 5 geworden und hat folgende probleme:
X panische angst vor hunden
X panische angst vor katzen
X angst alleine in den ersten oder zweiten stock zu gehen und damit
in ihrem zimmer alleine zu spielen
X kann abends nicht ohne hand halten einschlafen
X wenn sie nachts aufwacht, wieder da bleiben, bis sie eingeschlafen ist
X steht nicht alleine auf, sondern ruft solange bis jemand kommt
X will ihr großes geschäft nur in die windel machen

Was haltet ihr davon?
Lonja
 
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Re: Brauchen wir einen Psychologen?

Beitragvon Kathrin Buholzer » 02.12.2013, 18:03

Hallo Lonja
Fünf entwicklungsbedingte Angstformen begleiten Menschen ein Leben lang: die Körperkontaktverlustangst, die Achtmonatsangst und die Trennungsangst sind die Ängste, die bis zum dritten Lebensjahr, oder auch darüber hinaus vor allem auftauchen. Die Reaktionen sind hier Schreien, Anklammern an Bezugspersonen, Abwenden, Weglaufen.
So um das dritte Lebensjahr sind Kinder im Magischen Alter: Da haben Kinder oft Angst vor unbekannten Menschen, auch vor Tieren, bösen Menschen, Einbrechern, etc. Sie fürchten sich aber auch vor den Figuren aus Filmen oder Büchern; vor Gespenstern, Geistern, Hexen. Oft werden sie von bösen Träumen und Phantasien verfolgt (auch im Schulalter noch Furcht vor dem Keller, dem Dachboden, dass jemand unter dem Bett oder im Kasten versteckt ist, vor Schatten).Zwischen dem vierten und fünften Jahr entwickelt sich die Angst vor dem Tod. Den Tod Inbegriff des Abschiednehmens. Das heisst also, dass Kinder in ihrer Entwicklung ganz natürlich von Ängsten begleitet werden. Diese "Angstphasen" sind ganz wichtig und gehören zur gesunden Entwicklung dazu.

Gib ihr immer wieder etwas zu tun, beschäftige sie, lass sie viel helfen. Kannst ja mit kleinen Schritten anfangen, dass sie vielleicht nur was aus dem Bad holen soll. Manchmal kann ein "Stellvertreter" helfen. Also ein Plüschtier, dass sie "anfeuert" und mit einer lustigen Stimme spricht. Bücher können manchmal auch helfen. Schau mal hier: http://astore.amazon.de/httpastore.amaz ... _kinder-21 (Angst und Mut). Bei diesem Thema einfach aufpassen, dass es nicht zu einem allzu grossen Thema wird. Also nicht immer über Angst sprechen und ihn danach fragen.
Ich denke in deinen Situationen ist es wohl mehr die Gewohnheit. Kinder hängen ganz fest an Ritualen, sie wollen, dass immer alles gleich ist und gewöhnen sich schnell an etwas. Wenn es dann plötzlich anders läuft, sind sie verunsichert, sie weinen, schreien, wirken ängstlich.
Wenn du das ändern willst, musst du diese "Gewohnheiten" unterbrechen. Das heisst, wenn du ständig nachgibst und mit ihr gehst, wird sich das nie ändern.

Ich würde mal mit ihr zusammen sitzen und ein paar Dinge mal mit ihr besprechen. z.B die Zimmerfrage: Schaut einmal, wie ihr das in Zukunft machen wollt. Vielleicht könnt ihr das Zimmer auch etwas umstellen. Einigt euch z.B darauf, dass du mit ihr hochgehst, dann aber das Zimmer wieder verlässt. Mach solche Abmachungen mit ihr auch für andere Situationen. z.B am Abend. Ganz wichtig, dass ihr ein Ritual habt, also nach dem Essen, dass es immer wieder gleich abläuft. Wenn sie dann im Bett ist, z.B noch zusammen ein Buch anschauen, noch etwas über den Tag sprechen, ein Lied singen und einen Guten Schlusspunkt finden. Ein Zaubertrank kann da manchmal auch helfen:
http://elternplanet.ch/2010/11/erziehun ... ubertrank/

Wenn du immer bei ihr bleibst, dann wird sich das nicht verändern. Du musst überzeugt sein davon, nur wenn ein gewisser "Leidensdruck" da ist, wirst du das auch ändern können.
Zum Thema schlafen habe ich auch schon mal ein Video gemacht. Schau mal hier.
http://elternplanet.ch/2011/05/jetzt-schlaf-endlich/

Das Gleiche gilt fürs Aufstehen. Besprich das mal mit ihr und dann schaut mal zusammen wie ihr das machen wollt. Wenn sie wach ist, soll sie noch ein bisschen liegen bleiben oder wie wollt ihr das machen. Wenn du willst, dass sie alleine aufsteht, dann musst du ihr das so klar machen. Und sie nicht mehr holen gehen. Ich weiss, das klingt jetzt einfach, braucht aber viel Kraft und Durchsetzungswillen. Aber es bleibt dir nix anderes übrig.

Wichtig ist, dass du sie zur Selbständigkeit erziehst. Ich kann dir mal ein paar grundsätzliche Tipps zum Thema Selbstständig werden geben:

Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern und Erwachsene Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn das Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihm eine Lösung zu finden. Frag ihn, was er tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie er das jetzt anpacken könnte. Gib ihm Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für ihn.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern und Erwachsene räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag dem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass sie die Dinge die sie selbst tun kann auch selber tun. Beobachte sie und wenn du merkst, dass sie Hilfe braucht, dann sei ihr eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Zum Thema Windel kann ich dir Folgendes sagen:
Sie ist sich das jetzt halt so gewohnt. Warum soll sie jetzt plötzlich keine Windel mehr anziehen? Bis jetzt ging das doch ganz gut mit der Windel und Mama putzt dann erst noch den Dreck weg. ;-)
Sie hat sich das quasi antrainiert und du kannst es ihr auch weider abtrainieren und neues Verhalten lehren.
Das klappt allerdings nur, wenn du das auch wirklich willst. In der Windelfrage muss man selber davon überzeugt sein.

Sag ihr, dass du ihr in Zukunft keine Windeln mehr anziehen wirst. (Am besten gibst du alle Windeln grad weg, dann kommst du auch nicht in Versuchung. :-) Sag ihr auch, dass es dir stinkt (im wahrsten Sinne des Wortes) und dass du das in Zukunft nicht mehr tun wirst. Sag ihr, dass du möchtest, dass sie ihr Geschäft ins WC macht unterstütze und lobe sie, wenns klappt.
Zusätzlich kannst du auch noch eine Punktekarte/Chläberliplan mit ihr machen.
Hier noch ein paar wichtige Punkte dazu:

- Positiv formulieren, was möchtes du von ihr.
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass sie gern hat. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Piratenschiff, ein Prinzessinnenschloss usw. Beim Schloss z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn sie es geschafft hat, also z.B "aufs WC sitzen" (eine abgemachte Zeit) darf er ein Kleberli aufkleben. Und wenn sie dann z.B das Gagi macht zusätzlich ein Kleberli (vielleicht auch ein grösseres) aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen. Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben, einen Bagger, Lego usw. muss aber nicht sein. Vorher genau abmachen, welche Belohnung es wann gibt.
-Setz ein leichtes Ziel. Also z.B nach dem ersten Mal aufs WC sitzen eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger. Z.B nur noch ein Kleberli wenn sie ein Gagi macht und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, motivieren fürs nächste Mal. ¨
Fürs WC kannst du ihm eine spez. WC Büechlikiste machen, mit Büechli die sie gerne hat oder solche zum Thema. Ein Link zum Shop findest du hier:
http://elternplanet.ch/2011/05/erziehun ... nktekarte/

Wenn er dann extra in die Hosen macht, dann schimpfe nicht mit ihr, sondern mache ihr klar, dass es ihr Angelegenheit ist, sich sauber zu halten und nicht deine. Zeige ihr, wo die Wäsche ist, die Unterhosen und die Hosen und wo sie die dreckigen Sachen hinbringen muss.
Wenn sie in die Hosen gemacht hat, dann sag ihr: "Du weisst wo die sauberen Sachen sind und wie du dich sauber machen musst." Schimpfe nicht mit ihr, sondern lass sie selber die Sache in Ordnung bringen. Wenn sie bei etwas Mühe hat, dann zeig ihr wie er es schaffen kann, aber tu es nicht selber für sie.

Versuch konsequent zu sein, ruhig und entspannt zu bleiben und nicht am Schluss doch noch nachzugeben und es selber zu tun.

Versuch aber nicht allzu fest den Fokus darauf zu richten. Also immer nur dieses Thema im Auge zu haben. Ständig darüber zu wachen, zu bitten, zu reden... Du setzt sie so auch sehr unter Druck und sie ist dem vielleicht auch gar nicht gewachsen.
Wenn du ihr keine Windeln mehr anziehst, dann kann sie wählen. Entweder sie versucht es mit dem WC, oder sie macht es in die Hose. Wenn sie das tut, dann renn nicht automatisch hinter ihr her und putze es. Zeig ihr, wie sie ihren Po putzen kann, wenn er dreckig ist, so wie ich es oben beschrieben habe.

Frag sie auch nicht, ob sie aufs WC gehen will, sondern schick sie einfach. Am besten immer regelmässig. Also nach dem Aufstehen, am Vormittag, vor dem Essen, am Nachmittag, vor dem Nachtessen, vor dem ins Bett gehen. usw.

Sie braucht keinen Psychologen, aber wohl etwas klarere Ansagen von dir. Du musst ihr klar machen, dass sie gewisse Dinge jetzt selber tun muss oder dass du nur noch bedingt zur Verfügung stehst. Erledige nicht immer alles für sie. Oft tun wir das aus Gewohnheit, weil es einfacher geht und oft auch, weil wir uns vor dem Geschrei der Kinder fürchten oder grad keinen Nerv dafür haben.
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, Feedback und mehr Beispielen, ok?
Liebe Grüsse
Kathrin
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