Quengeln und Heulen

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Quengeln und Heulen

Beitragvon Butterly » 17.10.2011, 22:01

Hallo Kathrin,

unser Sohn (3,5 Jahre) raubt uns in den letzten Wochen den letzten Nerv. Er ist fast den ganzen Tag am Quengeln und am Heulen, sobald etwas nicht nach seinen Vorstellungen geht.
Er wacht morgens auf und ist schon am heulen, weil ich er sich zuerst anziehen soll bevor es Frühstück gibt, mittags gibt es dann grundsätzlich nicht das richtige Essen, was er sich so vorgestellt hat und der Abend endet dann damit, dass ich vor ihm die Treppe rauf gegangen bin und nicht neben ihm. Nicht zu vergessen, dass nachmittags ausgerechnet der blaue Buntstift als Einziger gerade nicht angespitzt ist, aber natürlich genau der in dem Moment benötigt wird während ich gerade am Saugen bin.

So oft es geht lasse ich ihn Dinge alleine erledigen und zwischen der Hausarbeit nehme ich mir immer wieder Zeit, um ihm mal eine Geschichte vorzulesen oder ein Spiel mit ihm zu machen oder zu basteln. Ich denke also, an fehlender Aufmerksamkeit kann es nicht liegen, oder?

Vielleicht noch ein paar zusätzliche Infos:
Er geht seit Anfang August von 7.00 bis 12.00 Uhr in den Kindergarten und macht das dort im Grunde auch ganz prima. Er geht gerne hin und hat schnell Vertrauen zu den Erzieherinnen gefasst.
Ich selbst bin seit September auch wieder halbtags am arbeiten.
Mittags lege ich ihn immer noch eine Stunde hin, da er nach dem Kiga immer total erschöpft ist und er auch noch gerne sein Mittagsschläfchen macht.

Ich bin inzwischen aber echt ratlos, wie ich mit seinen Heulausbrüchen noch umgehen soll und wie wir wieder einen halbwegs harmonischen Tagesablauf gestalten können.

Herzliche Grüße,
Butterly
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Re: Quengeln und Heulen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 19.10.2011, 21:43

Hallo Kathrin,

unser Sohn (3,5 Jahre) raubt uns in den letzten Wochen den letzten Nerv. Er ist fast den ganzen Tag am Quengeln und am Heulen, sobald etwas nicht nach seinen Vorstellungen geht.

Also. Dein Sohn steckt mitten in der Trotzphase.
n der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Deine Tochter versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und sie merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie sie das gerne möchten.

(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:

... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>

Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihm genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihm her und versuch ihn nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihm nicht alles abnimmst und ihm dann deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."

- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihm eine Auswahl geben und er kann selber entscheiden, was er möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht. z.B beim Anziehen ist es ja auch möglich, dass er das erst nach dem Essen macht. Oder vielleicht im Wohnzimmer oder in der Küche.

- In Situationen in denen er sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst ihn abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihm immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass er sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.
Hab auch schon mal ein Video zum Thema "Trotzphase" gemacht. Schau doch mal hier:
http://www.youtube.com/watch?v=8gpzpQcgmno


Er wacht morgens auf und ist schon am heulen, weil ich er sich zuerst anziehen soll bevor es Frühstück gibt, mittags gibt es dann grundsätzlich nicht das richtige Essen, was er sich so vorgestellt hat und der Abend endet dann damit, dass ich vor ihm die Treppe rauf gegangen bin und nicht neben ihm. Nicht zu vergessen, dass nachmittags ausgerechnet der blaue Buntstift als Einziger gerade nicht angespitzt ist, aber natürlich genau der in dem Moment benötigt wird während ich gerade am Saugen bin.

Ganz wichtig ist, dass du immer gut vorausplanst. Sag ihm immer kurz was jetzt dann grad passiert, was du tust. Ich sag dem immer: laut denken. Informiere ihn kurz, gerade wenn du etwas machen willst, frag ihn, ob er noch grad was braucht, weil du jetzt xy machst.

Hab dazu auch schon mal ein Video gemacht:
http://www.youtube.com/watch?v=nRv2G4Y_D3k

Lass dich nicht von ihm tyrannisieren, will heissen: lass ihn viele Dinge selber tun.
Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihm eine Lösung zu finden. Frag ihn, was er tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie er das jetzt anpacken könnte. Gib ihm Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für ihn.
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass dein Kind die Dinge die es selbst tun kann auch selber tun. Beobachte dein Kind und wenn du merkst, dass es Hilfe braucht, dann sei ihm eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Mach aber auch immer ganz klare Ansagen. Sag ihm genau, was du von ihm möchtest, wenn er grad nicht so Lust hat, dann lenk ihn ab, motiviere ihn, versuch das mit Fantasie und spielerisch zu lösen. Wenn er dann halt rumnörgelt und motzt, dann lass ihn und diskutiere nicht unnötig mit ihm.


So oft es geht lasse ich ihn Dinge alleine erledigen und zwischen der Hausarbeit nehme ich mir immer wieder Zeit, um ihm mal eine Geschichte vorzulesen oder ein Spiel mit ihm zu machen oder zu basteln. Ich denke also, an fehlender Aufmerksamkeit kann es nicht liegen, oder?

Achte dich doch einmal in welchen Situationen das genau passiert. Vielleicht kannst du dann ein paar Rückschlüsse ziehen.

Schau mal was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Vielleicht auch noch mit ein paar konkreten Beispielen mehr. Dann kann ich dir noch mehr konkrete Tipps geben, ok?
liebe Grüsse
Kathrin


Vielleicht noch ein paar zusätzliche Infos:
Er geht seit Anfang August von 7.00 bis 12.00 Uhr in den Kindergarten und macht das dort im Grunde auch ganz prima. Er geht gerne hin und hat schnell Vertrauen zu den Erzieherinnen gefasst.
Ich selbst bin seit September auch wieder halbtags am arbeiten.
Mittags lege ich ihn immer noch eine Stunde hin, da er nach dem Kiga immer total erschöpft ist und er auch noch gerne sein Mittagsschläfchen macht.

Ich bin inzwischen aber echt ratlos, wie ich mit seinen Heulausbrüchen noch umgehen soll und wie wir wieder einen halbwegs harmonischen Tagesablauf gestalten können.

Ignoriere das, (nicht ihn, aber dieses Verhalten) geh nicht darauf ein, sprich von etwas anderem. Lenk ihn ab. Gib ihm etwas zu tun.

Herzliche Grüße,
Butterly
Kathrin Buholzer
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Re: Quengeln und Heulen

Beitragvon Butterly » 26.10.2011, 21:31

Hallo Kathrin,

danke für deine Antworten und das - wie immer- sehr aufschlussreiche Video!!
Die Ablenkungsmanöver und auch die Wahlmöglichkeiten helfen teilweise schon recht gut, einen Anfall zu verhindern.

Was aber nach wie vor ein großes Problem ist, ist das morgendliche Anziehen... :roll: Er wehrt sich mit Händen und Füssen gegen das Anziehen (egal wo es auch stattfinden soll). Auch das "Sockenmonster" konnte mir dabei nicht weiter helfen. Hast du an dieser Stelle vielleicht noch einen Tipps, wie wir den morgendlichen Anfall verhindern könnten?

Viele liebe Grüße,
Butterly
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Re: Quengeln und Heulen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 27.10.2011, 22:14

Hallo Kathrin,

danke für deine Antworten und das - wie immer- sehr aufschlussreiche Video!!
Die Ablenkungsmanöver und auch die Wahlmöglichkeiten helfen teilweise schon recht gut, einen Anfall zu verhindern.

Was aber nach wie vor ein großes Problem ist, ist das morgendliche Anziehen... Er wehrt sich mit Händen und Füssen gegen das Anziehen (egal wo es auch stattfinden soll). Auch das "Sockenmonster" konnte mir dabei nicht weiter helfen. Hast du an dieser Stelle vielleicht noch einen Tipps, wie wir den morgendlichen Anfall verhindern könnten?

Dann hast du das Video dazu schon angeschaut?
http://www.youtube.com/watch?v=LbPxRKCBgYI

Manchmal hilft es, den ganzen Ablauf einmal zu überdenken. Vielleicht kann er sich erst nach dem Frühstück anziehen oder er zieht sich an und du erzählst ihm dann kurz ein kleines Buch. Versuch das Ganze möglichst ruhig, mit Humor und Fantasie zu machen. Vielleicht kann der Teddy mithelfen oder ihr lässt Musik laufen oder du erzählst ihm dazu eine Geschichte oder ahmst mit einer lustigen Stimme die Hose, den Pulli und die Socken nach. Lass dir da was einfallen. Versuch irgend etwas zu finden, dass ihn motiviert. Also wenn er angezogen ist dann darf er: dir z.B selber den Kaffee rauslassen. Schau auch immer, wie du das formulierst. Also nicht sagen: Wenn du dich nicht anziehst, dann darfst du nicht... Sondern: Hey, wenn du die Hosen angezogen hast dann darfst du...

Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin


Viele liebe Grüße,
Butterly
Kathrin Buholzer
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