Ich bin explodiert!

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Ich bin explodiert!

Beitragvon Javellin » 12.09.2011, 23:32

Liebe Kathrin

Ich bin ganz fest traurig, wütend und beschämt - alles gleichzeitig. Nachdem ich bereits am Wochenende die Beherrschung verloren habe und meiner älteren Tochter eine Ohrfeige verpasst habe, habe ich das gleich heute wieder mit meiner Kleineren gemacht. Das macht mich sehr traurig, denn ich will meine Kinder nicht ohrfeigen oder schlagen. Aber es gibt ein Punkt, wo mein Verstand nur noch auf explosionsartige Gefühle umschaltet und sämtliche Vernunft weglässt. Nicht, dass ich meine Kinder oft schlage, aber ab und zu rutscht mir die Hand aus und ich möchte dies unbedingt vermeiden, weiss aber nicht wie ich das lernen kann. Klar, aus dem Zimmer gehen, wenn es droht zu eskalieren, ist etwas, was ich versuche. Aber manchmal kommt alles so schnell, dass ich nicht rechtzeitig reagieren kann. Ich habe selber versucht, diese Situationen zu analysieren und möchte dir gerne ein Beispiel
erzählen:

Ich möchte um 18 Uhr von der Arbeit zuhause sein, weil das Gotti die Kinder zurückbringt und wir als Familie gemeinsam den feinen Auflauf essen möchten, den ich vormittags gemacht habe. Es wird jedoch 19 Uhr, weil mein Chef mir kurzfristig was ganz dringendes gegeben hat und da ich nur Teilzeit arbeite, dies nicht auf später verschieben kann. Ich bin also bereits auf Strom. Währenddessen schaut mein Mann schaut zuhause zu den Kindern. Als ich nach Hause komme, haben alle schon gegessen. Ich möchte mal etwas Pause machen, in Ruhe essen, kurz abschalten. Die Kinder reissen alles hervor, weil sie für das Gotti etwas basteln möchten, anstatt und trotz mehrmaligem Mahnen das Pijama anzuziehen. Eigentlich gehen sie um 19.30 ins Bett. Es wird 20 Uhr bis Gotti geht und die Kleine will weiterbasteln. Sie braucht Papier, ich verneine, sie reisst an meinen Kleidern, schreit mir in die Ohren, während die andere Tochter auch stürmt. Mein Mann motzt mich an, ich solle den Kindern endlich das Büechli erzählen, es sei spät, wieso ich so lange mit Gotti gesprochen hätte usw.. Die Stimmung ist geladen. Die Kleine schreit weiter wie am Spiess, schmeisst Spielsachen umher. Ich gehe zur Grossen, fange an mit dem Büechli. Die Kleine kommt, ist 30 Sekunden ruhig und fängt wieder wegen eines neuen Themas rumzuschreien. Ich bitte sie lieb, ruhig zu sein und zuzuhören, es nützt nichts. Sie will ein anderes Büechli, versucht es mir aus den Händen zu reissen, die ältere Tochter will jedoch dieses anschauen, nun schreien beide, mein Mann motzt noch immer was von "spät", ich weiss, dass ich heute Abend noch allerhand zu erledigen hätte und plötzlich wird mir alles zuviel - wie ein Vulkan, der sich entlädt und ich ohrfeige meine Tochter. Ich ohrfeige sie, weil ich einfach den Lärm und das Geschrei nicht mehr ertragen kann. Das Geschrei ist für mich in diesem Moment wie eine Folter, aus der ich nicht entrinnen kann. In diesem Moment denke ich gar nichts mehr, ich explodiere einfach. Das geht so schnell, dass ich gar nicht erst rechtzeitig eine Gegenmassnahme einleiten kann. Denn eigentlich könnte ich ja meinem Mann sagen, er soll übernehmen. Aber dieser ist ja bereits verärgert, dass alles wegen mir überhaupt so spät wurde und möchte die Kinder lieber gleich und ohne Büechli im Bett haben, was wiederum noch mehr Geschrei auslösen würde.

Wenn ich nach der Ohrfeige dann in die Augen meiner beiden Töchter schaue, den erschrockenen Blicke sehe, dann könnte ich weinen. Ich entschuldige mich dann jeweils, sage, dass das nicht richtig war, was Mami gemacht hat, versuche zu erklären - aber letztlich gibt es keine Rechtfertigung. Eigentlich sind es immer Situationen wie diese, die mit viel Geschrei der Kinder und mehreren Reizen verbunden ist, die mich zum Explodieren bringen.

Hast du mir vielleicht einen Tipp? Oder ihr anderen Mamis? Geht es euch vielleicht ähnlich?

Lieber Gruss
Javellin
Javellin
 
Beiträge: 10
Registriert: 12.08.2009, 12:59

Re: Ich bin explodiert!

Beitragvon Mama96 » 13.09.2011, 16:07

Hallo Javellin
Ich kann dich verstehen
Manchmal kocht alles langsam höher und höher bis es eskaliert
Du hast 2 richtige und wichtige Schritte bereits getan
Du hast dich erstens bei deinen Kindern entschuldigt und 2tens hast du erkannt das du was machen musst.
Ich kenne die Situation auch ich hab für mich dann einen Riegel vorgeschobene und hab drastisch reduziert
Hab mir klar gemacht was ich möchte und was mir nicht gut tut.
Wichtig ist das du die Situation mit deinem Mann besprichst ob ihr eine gemeinsame Lösung findet
Darf ich dich fragen ob du arbeiten musst oder ob du es willst?
Lg
Mama96
Mama96
 
Beiträge: 14
Registriert: 28.08.2011, 18:22

Re: Ich bin explodiert!

Beitragvon Kathrin Buholzer » 15.09.2011, 00:27

Liebe Kathrin

Ich bin ganz fest traurig, wütend und beschämt - alles gleichzeitig. Nachdem ich bereits am Wochenende die Beherrschung verloren habe und meiner älteren Tochter eine Ohrfeige verpasst habe, habe ich das gleich heute wieder mit meiner Kleineren gemacht.

Hallo Javellin
zuerst einmal muss ich dir sagen, dass ich es ganz toll und mutig finde, dass du das hier schreibst. Du weisst selber, dass das nicht ok ist, da muss ich dir ja keine Moralpredigt halten. Trotzdem kann ich dich verstehen. Manchmal bringt einen dieses ganze Eriehungsdings wirklich an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Man tut Dinge die man nie für möglich gehalten hätte, man erkennt sich selber nicht wieder. Oft weiss man zwar schon in der Situation, dass es nicht richtig ist was man tut, aber man muss es einfach tun, aus Wut, Frust, Enttäuschung, oftmals über sich selber. Wenn es dann passiert ist, tut es einem unendlich leid und man möchte alles am liebsten ungeschehen machen. Weil man sich so schämt, fällt es einem aber dann oft auch sehr schwer, seinen Fehler vor den Kindern einzugestehen. Man denkt, wenn man sich nicht allzu viel anmerken lässt, ist es weniger schlimm.
So.


Das macht mich sehr traurig, denn ich will meine Kinder nicht ohrfeigen oder schlagen. Aber es gibt ein Punkt, wo mein Verstand nur noch auf explosionsartige Gefühle umschaltet und sämtliche Vernunft weglässt.

Weisst du, um das zu verhindern, musst du schon viel früher ansetzen. Also dafür sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt. Achte dich doch einmal, in welchen Situationen das passiert. Was genau war denn? Was wolltest du von deinen Kindern? Wie hast du das kommuniziert? Was hat nicht geklappt? Was hättest du besser machen können.

Ganz wichtig ist das Vorausplanen. Damit deine Kinder nicht von deinen Ankündigungen, Wünschen und Plänen überrumpelt werden. Ich weiss nicht, ob du meine Videos kennst. Vielleicht hast du sie dir schon mal angesehen, ich poste dir hier mal ein paar Links zu einigen Themen, die dir vielleicht helfen könnten. Auch wenn du sie schon kennst, schau sie ruhig noch einmal an.
Also zum Vorausplanen schaust du hier:
http://www.youtube.com/watch?v=nRv2G4Y_D3k

Dann kann ich dir die beiden Videos zu den Erziehungsfallen empfehlen:
Teil 1:
http://www.youtube.com/watch?v=OtVDllE2Q3k

Teil 2:
http://www.youtube.com/watch?v=oSgl_lCJ ... ure=relmfu

Was tun, damit die Kinder auf mich hören?
http://www.youtube.com/watch?v=V-Nr7lXG1Oc&feature=fvsr


Nicht, dass ich meine Kinder oft schlage, aber ab und zu rutscht mir die Hand aus und ich möchte dies unbedingt vermeiden, weiss aber nicht wie ich das lernen kann. Klar, aus dem Zimmer gehen, wenn es droht zu eskalieren, ist etwas, was ich versuche. Aber manchmal kommt alles so schnell, dass ich nicht rechtzeitig reagieren kann. Ich habe selber versucht, diese Situationen zu analysieren und möchte dir gerne ein Beispiel
erzählen:

Ich möchte um 18 Uhr von der Arbeit zuhause sein, weil das Gotti die Kinder zurückbringt und wir als Familie gemeinsam den feinen Auflauf essen möchten, den ich vormittags gemacht habe. Es wird jedoch 19 Uhr, weil mein Chef mir kurzfristig was ganz dringendes gegeben hat und da ich nur Teilzeit arbeite, dies nicht auf später verschieben kann. Ich bin also bereits auf Strom. Währenddessen schaut mein Mann schaut zuhause zu den Kindern. Als ich nach Hause komme, haben alle schon gegessen. Ich möchte mal etwas Pause machen, in Ruhe essen, kurz abschalten. Die Kinder reissen alles hervor, weil sie für das Gotti etwas basteln möchten, anstatt und trotz mehrmaligem Mahnen das Pijama anzuziehen. Eigentlich gehen sie um 19.30 ins Bett. Es wird 20 Uhr bis Gotti geht und die Kleine will weiterbasteln. Sie braucht Papier, ich verneine, sie reisst an meinen Kleidern, schreit mir in die Ohren, während die andere Tochter auch stürmt. Mein Mann motzt mich an, ich solle den Kindern endlich das Büechli erzählen, es sei spät, wieso ich so lange mit Gotti gesprochen hätte usw.. Die Stimmung ist geladen. Die Kleine schreit weiter wie am Spiess, schmeisst Spielsachen umher. Ich gehe zur Grossen, fange an mit dem Büechli. Die Kleine kommt, ist 30 Sekunden ruhig und fängt wieder wegen eines neuen Themas rumzuschreien. Ich bitte sie lieb, ruhig zu sein und zuzuhören, es nützt nichts. Sie will ein anderes Büechli, versucht es mir aus den Händen zu reissen, die ältere Tochter will jedoch dieses anschauen, nun schreien beide, mein Mann motzt noch immer was von "spät", ich weiss, dass ich heute Abend noch allerhand zu erledigen hätte und plötzlich wird mir alles zuviel - wie ein Vulkan, der sich entlädt und ich ohrfeige meine Tochter. Ich ohrfeige sie, weil ich einfach den Lärm und das Geschrei nicht mehr ertragen kann. Das Geschrei ist für mich in diesem Moment wie eine Folter, aus der ich nicht entrinnen kann. In diesem Moment denke ich gar nichts mehr, ich explodiere einfach. Das geht so schnell, dass ich gar nicht erst rechtzeitig eine Gegenmassnahme einleiten kann. Denn eigentlich könnte ich ja meinem Mann sagen, er soll übernehmen. Aber dieser ist ja bereits verärgert, dass alles wegen mir überhaupt so spät wurde und möchte die Kinder lieber gleich und ohne Büechli im Bett haben, was wiederum noch mehr Geschrei auslösen würde.

Ok. Wenn du dir jetzt überlegst, wie du das etwas ordnen und wie du gut vorausplanen könntest. Was würdest du da tun? Überleg dir das einmal. Gerade wenn so viele Sachen aufeinander folgen ist es wichtig, dass man kein "Gestürm" im Kopf hat. Was kommt zu erst? Was musst du tun? Wen musst du informieren? Kurz ein Telefon an deinen Mann, kurz besprechen was Sache ist, was läuft, welche Erwartungen hast du, was soll er tun wenn du da bist? Vielleicht sind die Kinder, wenn du da bist ja auch schon im Pischi, dann fällt das schon mal weg.
Und dann? Du kommst heim. Kurze Ansage. Was läuft, warum bist du später? Wer tut was? Mit diesem Vorausplanen hast nicht nur du einen "Fahrplan" im Kopf, sondern auch deine Kinder wissen was läuft. Du kannst dir das vorstellen wie "laut denken." Kleine Häppchen machen und immer kurz sagen, was als nächstes kommt und was sie tun sollen. Auch wenn du müde bist und eigentlich nicht magst, das muss sein. Du musst hier "der Fels in der Brandung sein" zusammen mit deinem Mann. Ihr wisst wie es läuft und was passieren muss. Verstehst du was ich meine? Dass du in dieser Situation explodierst ist verständlich, würde ich auch. :-) ABER: Du musst vorher aktiv dafür sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt. Du musst das "Drehbuch" vorgeben, klar sein in dem was du willst und sagst. Ruhig aber bestimmt sagen, was du möchtest, positiv formulieren.


Wenn ich nach der Ohrfeige dann in die Augen meiner beiden Töchter schaue, den erschrockenen Blicke sehe, dann könnte ich weinen. Ich entschuldige mich dann jeweils, sage, dass das nicht richtig war, was Mami gemacht hat, versuche zu erklären - aber letztlich gibt es keine Rechtfertigung.

Entschuldigen ist immer gut, sagen dass es nicht ok war und dass es dir leid tut. Was für dich persönlich aber wichtig ist, dass du nicht den Kopf in den Sand steckst und denkst: Ich bin ein schlechtes Mami, sondern dir überlegst, WAS du denn hättest anders machen sollen. Dann kannst du nämlich aus einer solchen schwierigen, negativen Situation gleich was rausnehmen fürs nächste Mal. Analysiere für dich die Situation kurz und überleg dir, WAS anders laufen muss.

Eigentlich sind es immer Situationen wie diese, die mit viel Geschrei der Kinder und mehreren Reizen verbunden ist, die mich zum Explodieren bringen.

Und dann noch das: Weisst du, Kindererziehung ist eine schöne aber sehr anstrengende Arbeit. Wir können in der Erziehungsarbeit nur ruhig und gelassen sein, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse nicht zu fest vernachlässigen. Ganz wichtig ist es, dass du während des Tages immer wieder kleine "Inseln" schaffst. z.B am Mittag, unbedingt eine Mittagspause einführen/beibehalten. Schau, dass du da kurz einen Moment Zeit für dich hast. Kaffee trinken, surfen, Zeitung lesen, lieben... was auch immer.
Gehen deine Kinder in den Kindergarten/Spielgruppe? Hast du die Möglichkeit einmal die Woche, oder alle 14 Tage ein Hüetimeitschi zu organisieren? Nimm dir auch mal am Abend, am Wochenende Zeit für dich und auch mal wieder Zeit mit deinem Mann. (Ja, ja, das muss man sich wirklich organisieren, sonst wird das nie was. :-)
Es ist auch immer mal wieder gut, nur ein Kind bei sich zu haben und das andere mal zum Gotti oder Gros zum Übernachten zu schicken.
Schau einfach, dass es dir gut geht, dass du zufrieden bist, dann wirst du solche stressigen Momente auch besser überstehen können.
Wenn du merkst, dass es trotzdem mal so weit kommt, dann versuch irgendetwas zu finden, was dich beruhigen kann. Schoggi, einen Tee trinken, kurz auf den Balkon gehen, ein Duftöl... usw. Bevor es dich wirklich "verjagt" zieh dich kurz zurück. Du kannst deinen Kindern das auch kurz ankündigen, dass du kurz etwas verschnaufen musst, einen Moment Pause brauchst. (In solchen Momenten setzt eine "Rabenmutter" ihre Kinder auch mal vor den Fernseher...) Du weisst was ich meine? :-)

Ganz wichtig ist es auch, dass du immer wieder deine Kinder ermutigst, sie lobst, wenn was gut geklappt hat. Wenn du das nämlich immer wieder während des Tages tust, dann merkst du auch, WAS eigentlich alles gut läuft und die negativen Situationen erscheinen dir gar nicht mehr so riesig.
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, Feedback oder mehr Beispielen, ok?

Ach ja und noch was: Du bist im Fall gar nicht etwa die Einzige, der es ab und zu so geht...
liebe Grüsse
Kathrin


Hast du mir vielleicht einen Tipp? Oder ihr anderen Mamis? Geht es euch vielleicht ähnlich?

Lieber Gruss
Javellin
Kathrin Buholzer
Site Admin
 
Beiträge: 2022
Registriert: 04.06.2007, 00:33
Wohnort: Münsingen


Zurück zu Kinder 0-6 Jahre

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste