immer im Mittelpunkt stehen wollen

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

immer im Mittelpunkt stehen wollen

Beitragvon stefanie » 12.01.2011, 23:23

Hallo Kathrin

Ich suche eine guten Rat von dir, da meine Tochter schon immer sehr speziell war. Sie ist nun 15 Monate alt, kann schon sehr gut gehen und ist sehr dominant. Sie redet noch nicht wirklich, sagt mir jedoch in ihrer Sprache ganz klar, was sie will und was nicht. Sie ist ein Energiebündel, das ich nicht zu bändigen weiss und hat eine riesen Kraft. In der Schwangerschaft bewegte sich mein Bauch manchmal angsterregend. Mit 4 Monaten drehte sie sich von Bauch auf den Rücken. Mit 7 Monaten wollte sie keinen Schoppen mehr wach trinken. (mit 5 Monaten ging mir die Muttermilch aus). Seither muss ich sie immer in den Schlaf wiegen, dass sie diesen trinkt. Es sind immer noch 3 Schoppen in 24 Stunden. Mit 10 Monaten fing sie an zu laufen. sie ist ziemlich kompliziert mit dem Essen, aber mich bedrückt ein anderes Problem mehr.
Wenn ich ihr etwas verbiete oder nicht gleich gebe, dann schreit sie bis sie es bekommt. Wenn ich es ihr nicht gebe, dann bekommt sie einen Wutausbruch und knallt ihren Kopf gegen die Wand, den Schrank oder den Boden, schlägt oder kneifft mich mit voller Kraft in Arme, Beine oder Gesicht. Manchmal schlägt oder kneifft sie mich auch ohne Grund. Heute war so ein Beispiel: Sie wollte Gurken essen, ich schnitt sie zurecht und gab ihr direkt die erste und machte mit dem Schneiden weiter. Dann kam sie essend auf mit zu und kniff mich fest in meine Beine. Da sie mich schon sehr gut versteht, sage ich ihr "Das tut Mami weh, lass das", manchmal kneiff ich sie auch ein bisschen, dass sie merkt, dass es weh tut. Sie lacht nur und macht weiter. Auch wenn ich in anderen Situationen sage, "nein, lass das aus Grund-xy" und sie davon wegnehme, dann geht sie gleich wieder hin. Dann gebe ich ihr einen leichten Schlag auf die Hand, den sie spührt, nehme sie nochmals weg, sie geht gleich wieder hin. Es funktioniert nichts. Ich kann ja nicht den ganzen Tag immer "nein" sagen. was soll ich tun? Bin ich auf dem holzweg? Was mach ich falsch?
Desweitern können mein Mann und ich kein Gespräch miteinander führen, wenn sie wach ist, da sie absolut im Mittelpunkt stehen will. Es müssen immer alle zusammen sein, dann fühlt sie sich am wohlsten und alle Aufmerksamkeit auf sie lenken. Wenn mein Mann mir etwas aus der Arbeit erzählen möchte, dann schreit sie nur, da ich in diesem Moment meine Aufmerksamkeit nicht auf sie habe. alleine spielen lassen, geht auch nicht, denn das will sie nicht.

Ich hoffe auf gute Ratschläge von dir.

Gruss
Stefanie
stefanie
 
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Registriert: 12.01.2011, 22:52

Re: immer im Mittelpunkt stehen wollen

Beitragvon Kathrin Buholzer » 21.01.2011, 15:38

Hallo Kathrin

Ich suche eine guten Rat von dir, da meine Tochter schon immer sehr speziell war. Sie ist nun 15 Monate alt, kann schon sehr gut gehen und ist sehr dominant. Sie redet noch nicht wirklich, sagt mir jedoch in ihrer Sprache ganz klar, was sie will und was nicht. Sie ist ein Energiebündel, das ich nicht zu bändigen weiss und hat eine riesen Kraft. In der Schwangerschaft bewegte sich mein Bauch manchmal angsterregend. Mit 4 Monaten drehte sie sich von Bauch auf den Rücken. Mit 7 Monaten wollte sie keinen Schoppen mehr wach trinken. (mit 5 Monaten ging mir die Muttermilch aus). Seither muss ich sie immer in den Schlaf wiegen, dass sie diesen trinkt. Es sind immer noch 3 Schoppen in 24 Stunden. Mit 10 Monaten fing sie an zu laufen. sie ist ziemlich kompliziert mit dem Essen, aber mich bedrückt ein anderes Problem mehr.
Wenn ich ihr etwas verbiete oder nicht gleich gebe, dann schreit sie bis sie es bekommt.

Pass auf, dass du ihr es nicht einfach verbietest. Sondern dass du wenn immer Möglich eine Alternative parat hast. Dann wird nämlich der Trotzanfall etwas weniger heftig ausfallen. Überleg dir immer vorher, warum sie es jetzt nicht kriegen kann und wenn du dir wirklich sicher bist, dann bleib auch dabei. Wenn du es ihr dann doch irgendwann gibt, dann weiss sie: ok, ich muss einfach so lange schreien, bis ich es kriege.

Wenn ich es ihr nicht gebe, dann bekommt sie einen Wutausbruch und knallt ihren Kopf gegen die Wand, den Schrank oder den Boden, schlägt oder kneifft mich mit voller Kraft in Arme, Beine oder Gesicht.

Wenn sie mit dem Kopf schlägt, dann lass sie einfach. Ignoriere sie, bis sie sich beruhigt hat.

Deine Tochter befindet sich in der Trotzphase. Zuerst ein paar allgemeine Hinweise:
In der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Deine Tochter versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und sie merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie sie das gerne möchten.

(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:

... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>

Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihr genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihr her und versuch sie nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihr nicht alles abnimmst und ihr dann deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."

- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihr eine Auswahl geben und sie kann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.

- In Situationen in denen sie sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst sie abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihr immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass sie sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.

Hab auch schon ein Video dazu gemacht, Clip Nr. 32, schau mal hier:
http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... tzung.html


Manchmal schlägt oder kneifft sie mich auch ohne Grund. Heute war so ein Beispiel: Sie wollte Gurken essen, ich schnitt sie zurecht und gab ihr direkt die erste und machte mit dem Schneiden weiter. Dann kam sie essend auf mit zu und kniff mich fest in meine Beine. Da sie mich schon sehr gut versteht, sage ich ihr "Das tut Mami weh, lass das", manchmal kneiff ich sie auch ein bisschen, dass sie merkt, dass es weh tut. Sie lacht nur und macht weiter.

Achte dich einmal in welchen Situationen sie das tut. Ist es ihr langweilig, will sie Aufmerksamkeit, braucht sie Hilfe bei irgendwas, will sie einfach mit dir in Kontakt treten? Zeig ihr, wie sie es denn anders machen könnte.
Wenn sie dich wirklich fest haut, das auch immer wieder tut, dann kannst du entweder einen Moment ganz bewusst von ihr weggehen. Es ist auch möglich, sie einen Moment z.B in einen Hochstuhl zu setzen und ihr zu sagen warum du es tust.


Auch wenn ich in anderen Situationen sage, "nein, lass das aus Grund-xy" und sie davon wegnehme, dann geht sie gleich wieder hin. Dann gebe ich ihr einen leichten Schlag auf die Hand, den sie spührt, nehme sie nochmals weg, sie geht gleich wieder hin. Es funktioniert nichts. Ich kann ja nicht den ganzen Tag immer "nein" sagen. was soll ich tun? Bin ich auf dem holzweg? Was mach ich falsch?

Auf die Hand hauen solltest du sie auf keinen Fall. Es bring erstens nichts und sie lernt dabei: Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann kann man einfach ein bisschen hauen. Du möchtest ja auch nicht, dass sie dich oder andere Kinder haut, wenn ihr was nicht passt. Wichtig ist, dass du immer gut vorausplanst und sie nicht mit deinen Ankündigungen überraschst. Sag ihr immer genau, was jetzt dann grad passiert, was du machst und was du von ihr möchtest. Ich kann dir dazu folgende Videos empfehlen:

Erziehungsfallen 1 und 2 (Clip 26 und 27)
http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... ideos.html

Vorausplanen Clip 47
http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... tzung.html


Desweitern können mein Mann und ich kein Gespräch miteinander führen, wenn sie wach ist, da sie absolut im Mittelpunkt stehen will. Es müssen immer alle zusammen sein, dann fühlt sie sich am wohlsten und alle Aufmerksamkeit auf sie lenken. Wenn mein Mann mir etwas aus der Arbeit erzählen möchte, dann schreit sie nur, da ich in diesem Moment meine Aufmerksamkeit nicht auf sie habe. alleine spielen lassen, geht auch nicht, denn das will sie nicht.
Wichtig ist, dass du ihr immer wieder mal einen Moment gönnst, in dem sie selber auch mal was machen kann.
Wichtig ist, dass du sie zur Selbständigkeit erziehst. ch kann dir mal ein paar grundsätzliche Tipps zum Thema Selbstständig werden geben:

Es ist sehr wichtig ist, dass wir als Eltern Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Wir müssen ihnen etwas zutrauen und ihnen auch Erfahrungsräume öffnen. D.h nicht immer grad alles selber erledigen (auch wenns oft schneller geht und bequemer ist). Wenn dein Kind etwas nicht schafft, vielleicht deshalb auch wütend wird, nimm ihm nicht immer die Arbeit ab und präsentier ihm grad die Lösung. Versuch zusammen mit ihr eine Lösung zu finden. Frag sie, was sie tun wollte und was nicht geklappt hat und überlegt euch, wie sie das jetzt anpacken könnte. Gib ihr Tipps und Hilfestellungen aber erledige es nicht für sie. (Das natürlich erst, wenn das Kind das auch versteht)
Die Kinder können oft viel mehr, als wir ihnen zutrauen und oft auch mehr, als wir gedacht haben. Viele Eltern räumen ihnen Kindern jedes Steinchen aus dem Weg und möchten sie auch vor allem bewahren. Sie sind fast pausenlos beschäftigt, ihre Wünsche zu erfüllen. Trotzdem ist das Kind oft unzufrieden und quengelig. Überleg dir einmal wie du dich fühlen würdest, wenn du ein unselbstständiger Erwachsener wärst.
Genau so muss sich auch ein unselbstständiges Kind fühlen, so nach dem Motto: "ich kann das nicht allein, ich brauche ständig einen Erwachsenen um mich herum, ohne Erwachsene bin ich hilflos, ich kann es eh nicht allein, deshalb versuche ich es erst gar nicht. Die Erwachsenen müssen immer für mich da sein, damit meine Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich pausenlos mit mir beschäftigen, sonst wirds mir Langweilig und ich mache Blödsinn."
Ein unselbstständiges Kind hat auch das Gefühl, dass es Dinge im Alltag gar nicht selber erledigen kann, weil sie ihm ja meistens von einem Erwachsenen abgenommen werden. Häufig unterstützen wir dieses Gefühl mit Aussagen wie: "Dafür bist du noch zu klein, warte ich helf dir, du kannst das noch nicht." Das Kind wird abhängig von den Erwachsenen und es lernt auch nicht Verantwortung zu übernehmen und auch die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Es wird bequem egoistisch und nützt andere aus. Ausserdem ist ihm oft Langweilig, weil es gar nie richtig gelernt hat sich selber zu beschäftigen. Ein unselbstständiges Kind hat oft wenig Selbstwertgefühl. Es ist oft unsicher, manchmal schüchtern, mutlos aber auf alle volle hat es ganz hohe Ansprüche an uns Eltern und wird zum Tyrannen. Das vor allem auch, weil es wenig Widerstand spürt und auch nicht gelernt hat mit unangenehmen Situationen fertig zu werden.

Ein Kind zur Selbstständigkeit erziehen heisst nicht, ihm alles erlauben, alles durchgehen lassen. Es ist das Gegenteil von abhängig sein, angewiesen sein auf den anderen. Also möglichst früh, das selber zu tun, was möglich ist, ohne dass jemand hilft oder es für einen erledigt.
Was heisst das jetzt genau? Versuch immer wieder im Alltag deinem Kind die Möglichkeit zu geben, Dinge zu entdecken, selber auszuprobieren, ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun". Wir unterschätzen unsere Kinder ganz häufig und sind erstaunt, wie viel sie schon selber können. Es ist nicht immer ganz einfach und es ist oft auch anstrengender, mit mehr Zeit und Energie verbunden, wenn wir versuchen unsere Kinder zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Doch wenn wir es tun, dann werden die Kinder auch weniger am eigenen "Rockzipfel" hängen.

Lass dein Kind die Dinge die es selbst tun kann auch selber tun. Beobachte dein Kind und wenn du merkst, dass es Hilfe braucht, dann sei ihm eine Stütze, zieh dich aber dann auch wieder zurück.

Versuch sie mit kleinen Dingen zu unterstützen.
Sag ihr immer genau, was du von ihr erwartest. Wenn du merkst, dass sie es noch nicht alleine schafft, dann frag sie, was sie als erstes tun muss: "z.B wenn du deine Schuhe anziehen willst, was musst du zuerst machen?" - "Den Verschluss aufmachen." - "Genau, und dann...?" Geh mit ihr das schön Schritt für Schritt durch, lobe und ermutige sie.


Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, Feedback oder mehr Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin



Ich hoffe auf gute Ratschläge von dir.

Gruss
Stefanie
Kathrin Buholzer
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