Hallo Kathrin
Da du mir beim letzten Problem so tolle Anregungen und hilfreiche Tipps gegeben hast, wende ich mich mit meinem derzeitigen Problem auch an dich.
Hallo Evelyne! Schön, dass du wieder hier vorbei schaust!
Meine Tochter wird in einem Monat 3 und trotzt, dass sich die Balken biegen. Das schlimmste ist das ständige Geschrei. Wenn ihr etwas nicht passt, wenn sie etwas nicht bekommt, wenn ihr etwas nicht gelingt, wenn die andern nicht das machen, was sie will:
Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihr genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihr her und versuch sie nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihr nicht alles abnimmst und ihr dann deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."
- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihr eine Auswahl geben und sie kann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.
- In Situationen in denen sie sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst sie abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihr immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass sie sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.
Ein paar Beispiele: Sie möchte vor dem Essen Süssigkeiten: ich erkläre, warum sie keine bekommt: Sie schreit!
Lenk sie ab. "Süssigkeiten gibt es jetzt keine, da wir grad essen. Du kannst aber auswählen, welches Glas du gerne haben möchtest." Ignoriere dann das Geschrei einfach.
Sie liegt im Bett und der Schnuller fällt raus. Sie ruft mich. Ich sage ihr, sie kann selber rauskommen und ihn holen, da ich am essen bin: sie schreit!
Hier kannst du zu ihr hingehen und sagen: "Dein Schnuller ist rausgefallen. Was könntest du jetzt tun?" Pass auf, dass du nicht immer wieder dem Geschrei nachgibst. Wenn du das tust, und wahrscheinlich hast du das in der Vergangenheit auch ein paar Mal gemacht, dann wird sie lernen: "Aha, wenn ich lange und laut genug schreie, dann kommt die Mama und hilft mir und erledigt das für mich."
sie versucht vergeblich, ihre Hose selbst anzuziehen: Sie schreit!
auch hier kannst du sie fragen: "Was möchtest du genau tun? Was musst du als erstes machen? Wie kannst du deine Hosen anziehen?" Hilf ihr nur wenn nötig und lass sie dann selber versuchen. Du kannst z.B auch mit einer lustigen Stimme, die Hosen nachahmen. "Ojeoje, ich möchte soo gerne, dass Kim mich endlich anzieht, aber irgendwie klappt das nicht. Hey Kim, weisst du was ich kann dir einen guten Tipp geben...."
Oder ich will sie anziehen, weil wir Mike in den Kindergarten bringen müssen. Dann rennt sie extra weg und schreit natürlich, wenn ich sie gegen ihren Willen anziehe.
Gut vorausplanen. Sag ihr vorher, wo ihr hingeht, warum, wieso wie lange. Sag ihr auch, was du von ihr erwartest. Versuch sie zu motivieren. Wenn sie nicht mitmacht, dann nimm sie halt mal nur halb angezogen mit, oder lass sie sich im Auto anziehen. (Log. Konsequenz. Wenn man sich nicht anziehen will, muss man halt so mitkommen, wie man gerade ist.
und und.....zwischendurch hat sie dann noch die Trotzanfälle, wo sie sich auf den Boden wirft und strampelt, weint und kreischt : Und das vor der Eingangstüre vom Warenhaus, im Restaurant oder zu hause. Das ist ihr egal.
Auch hier: Immer gut vorausplanen. Sag ihr frühzeitig wohin ihr geht, wie lange, mit wem und was du von ihr erwartest.
Beim Einkaufen würde ich folgendermassen vorgehen:
1. Gute Vorbereitung
Sag ihr genau wo ihr hingeht, was passiert, wie lange usw. Mach mit ihr zusammen eine Einkaufsliste. Schaut was ihr alles braucht und schreibt es auf einen Zettel. Sie darf ja vielleicht auch einen machen, sie kann auch einen zeichnen. Sag ihr, dass ihr nur das kauft was auf dem Zettel steht.
2. Regeln festlegen
Besprich mit ihr die Regeln. Sag ihr was du genau von ihr erwartest. Positiv formulieren "Ich möchte, dass du im Geschäft bei mir bleibt. Ich habe Angst, dich sonst zu verlieren. Nur die Sachen anfassen, die ich dir sage.."
3. Belohnungen abmachen
Besprecht zusammen, was passiert, wenn sie sich gut an die Abmachungen hält. z.B zusammen etwas trinken gehen, auf den Spielplatz, ein Dessert nach dem Mittagessen, ein Büechli schauen usw.
4. Konsequenzen einsetzen
Wenn es nicht klappt, sei bereit logische Konsequenzen einzusetzen. Also z.B keine Belohnung oder das kleine Einkaufswägeli zurück bringen, einen Moment in den Wagen sitzen, einen Moment mit ihr rausgehen und auf die Treppe sitzen. Sag ihr dann immer warum du es tust. "Du bist jetzt grad davon gelaufen, obwohl wir abgemacht haben, dass du bei mir bleibst, deshalb gehen wir jetzt kurz raus, oder deshalb gehen wir nach dem einkaufen nicht mehr auf den Spielplatz.
5. Nachbesprechen
Sag ihr was gut war, lobe sie dafür und sage ihr auch , was sie evt. das nächste Mal noch besser machen könnte.
Irgendwie habe ich auch langsam nicht mehr den Nerv und die Lust, sie zu beruhigen. Und irgendwie habe ich immer das Gefühl, das zu müssen, da sie wirklich sehr ausdauernd sein kann.
Das verstehe ich gut. Versuch trotzdem, dich nicht immer für ihr Verhalten verantwortlich zu fühlen. Mach einen Schritt zurück, du kannst sie auch fragen: "Kann ich dir irgendwie helfen?". Lass sie dann einen Moment und ignoriere sie. Wenn sie wirklich einen heftigen Anfall hat, also tobt und schlägt, beisst... dann bring sie einen Moment in die Auszeit.
Bei der Auszeit gehst du folgendermassen vor. Du gehst zu ihr und sagst, was sie falsch gemacht hat:„Kim, du hesch mi itze grad ghoue, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“
Du nimmst sie ganz ruhig und bestimmt, und bringst sie in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn sie die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihr und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“
Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch sie wieder in eine Aktivität zu verwickeln.
Die Auszeit zeigt ihr, dass sie ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihr aber auch dir die Möglichkeit euch beide zu beruhigen.
Drohe nicht mit der Auszeit, deine Kinder werden sonst lernen, dass sie erst hören müssen, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden.
Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Versuch anstatt zu drohen, das Kind zu motivieren. „Hey, wenn di itze schnäll aziehsch, denn hei mer när no gnue Zyt fürs Büechli.“ Oder „Due di itze alege und wed agleit bisch denn chasch cho ässe.“ (Nicht: wed di itze nid aleisch, de chasch nid cho ässe).
Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst. Die Auszeit solltest du nur anwenden, wenn es wirklich um ein grosses Problemverhalten geht.
Wenn sie rauskommt, dann bring sie ruhig aber bestimmt wieder zurück. Sag ihr, dass sie rauskommen kann wenn sie die abgemachte Zeit ruhig war. Sei bereit die Türe einen Moment zu zumachen. "Kim, ich möchte dass du jetzt im Zimmer bleibst, ich kann die Türe offen lassen, wenn du aber jetzt immer wieder rauskommst, dann muss ich die Türe einen Moment zu machen."
Die Mahlzeiten sind auch so ein Thema. Entweder isst sie gar nichts und will dann den ganzen Nachmittag essen; Das mache ich dann natürlich nicht mit: sie schreit ! Oder sie nimmt alles in die Hand, öffnet es, leert sachen aus, legt die Dinge, die sie nicht gern hat, den andern in den Teller oder wirft sie weg. Will von allem und isst von nichts. Und wenn wir sie ermahnen, ihr den Teller wegnehmen oder die Sachen nicht geben geht das Geschrei natürlich wieder los!
Es ist ganz wichtig, dass du mit ihnen zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. In diesem Fall "Essensregeln". Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Was gehört zu einem ruhigen, friedlichen Essen? Was muss vor dem Essen alles passieren? Wie soll das Essen ablaufen? Die Kinder können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es alle friedlich miteinander haben.
Schreib es so auf, dass alle GENAU wissen, WAS du von ihm erwartest. Also nicht: „Ich will nicht, dass ihr während dem Essen immer aufsteht." Sondern: "Ich möchte, dass ihr während dem Essen sitzen bleibt."
Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihnen genau erklärst was du von ihnen möchtest.
Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Alle können die Regeln unterschreiben, dann haben sie noch etwas verbindlicheres.
Ob sie sich an Regeln halten kann, kommt auch auf euch an. Wichtig ist natürlich auch, dass ihr euch als Eltern auch an die Regeln haltet. Also wenn ihr erwartet, dass die Kinder z.B am Tisch sitzen bleiben, dürft ihr während dem Essen auch nicht mehr aufstehen um irgendetwas zu holen. Vielleicht reichen die Regeln schon. Wenn nicht, kannst du als Unterstützung, Motivation eine Punktekarte/Chläberliplan machen:
- Positiv formulieren, was möchtes du von ihnen. Was ist dir beim Essen am Wichtigsten?
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass sie gern haben. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Piratenschiff usw. Beim Schloss z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn sie es geschafft haben, z.B während dem Essen am Tisch ruhig sitzen zu bleiben, dann dürfen sie einen Kleber aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen, noch besser ist, wenn du die Belohnungen zusammen mit deinen Kindern vorher besprichst und abmachst.
Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben muss aber nicht sein.
-Setz ein leichtes Ziel. Also nicht 10 Ziele aufs Mal. (So ein bis höchstens drei Sachen aufs Mal) Also z.B, vor dem Essen aufs WC gehen und Hände waschen und während dem Essen ruhig am Tisch sitzenbleiben. Nach dem ersten Mittagessen, bei dem es geklappt hat, ein Kleberli und eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, keine schwarzen Wolken, "gränni Gesichter", keine Minuspunkte. Es werden nur die positiven Veränderungen belohnt. Nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, gibts keine Belohnung (Kleber), motivieren fürs nächste Mal.
So 2-3 Wochen solltest du den Plan schon durchführen.
Letztes Mal assen wir mal mit unserm Sohn alleine, da die Kleine schlief. Da sagte er: heute ist es richtig gemütlich. Und es stimmt! Das ist nicht böse gemeint: Wir lieben die Kleine! Aber momentan ist sie echt oberanstrengend!. Auch meinem 5jährigen Sohn gegenüber habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen, da Kim so viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, dass er irgendwie zu kurz kommt. Sie überrennt auch ihn oft mit ihrer Art. Wenn er nicht macht, was sie will, spielt sie nicht mehr mit. und ihn kränkt das. Vor allem, da sie trotz ihrer Grösse (erst Grösse 92 mit bald 3 Jahren), ihm sprachlich schon recht gut gewachsen ist und in nichts nachsteht.
Ich versuche wirklich, konsequent zu sein, aber manchmal nervt mich das ständige Geschrei so sehr, das ich nachgebe, obwohl ich nicht sollte, nur damit mal Ruhe ist.
Ich kann's verstehen! Das kann aber auch grad das Problem sein. Wenn du das tust, wird sie merken: "Aha, das funktioniert!" und schreit das nächste Mal noch lauter und noch länger.
Versuch trotzdem den Fokus wieder vermehrt aufs Positive zu setzen. Sie testet im Moment ihre und auch deine Grenzen und ist auf der Suche nach Aufmerksamkeit. (Auch wenn's negative ist). Lobe und ermutige sie, wenn etwas gut war, gut geklappt hat. Nicht ins Negative fallen: "Schön, dass du heute mal schön ruhig warst. Wenn das nur immer so wäre."
Wenn ich sie ins Zimmer schicke, kommt sie immer wieder raus oder schreit Minutenlang wie am Spiess. (Und wir wohnen ineinem relativ grossen Mietshaus).
Meine Fragen sind nun einfach, wie ich mit solchen Situationen und Trotzanfällen umgehen soll und wie ich wieder mehr Harmonie und Ausgeglichenheit in die Familie bringen kann. Weil momentan bin ich nur noch am schimpfen und drohen und fühle mich manchmal wirklich etwas hilflos.
Versuch anstatt zu drohen, sie zu motivieren also nicht: "Wenn du jetzt nicht die Zähne putzt, dann gibt es nachher keine Geschichte!" sondern "Wenn wir jetzt schnell und ruhig die Zähne putzen können, dann haben wir nachher noch Zeit für eine Geschichte."
Fantasievoll, kreativ sein und den Humor nicht verlieren. Schau doch mal hier:
http://www.elternplanet.ch/45.html
Habe dort ein paar Tipps und Anregungen zum Thema "Erziehen mit Fantasie" aufgelistet. Die Seite wird dann laufend noch ergänzt. Vielleicht findest du dort auch noch den einen oder anderen Hinweis.
Ich hoffe, du hast ein paar hilfreiche Anregungen für mich und freue mich auf deine Antwort
Ich hoffe, die konnte ich dir liefern. :-) Schau mal, wie du damit klar kommst und melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin