Tobsuchtsanfälle

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Tobsuchtsanfälle

Beitragvon Milen » 08.09.2010, 21:15

Hallo Kathrin

Eigentlich wollte ich ja schon seit langem einmal schreiben, doch immer wieder hatte ich das Gefühl, dass ich nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen soll und die Probleme auch einfach so zu lösen sein müssten.

Unsere Tochter ist nun 3 1/2 Jahre alt. Vor etwa 1 1/2 Jahren haben die Probleme angefangen und sich nach der Geburt von ihrer Schwester (sie ist jetzt 9 Monate alt) noch verstärkt. Die Situation ist für mich so schwierig, weil sie auf der einen Seite, wenn wir draussen oder bei anderen Leuten (fremde oder bekannte) eingeladen sind, sehr ruhig ist, kaum redet, sich meist total zurückzieht und oft meine Nähe sucht. Erst nach einer gewissen Zeit und auch nur wenn sie sich sehr wohl fühlt blüht sie auf und kommt aus ihrem Schneckenhaus heraus. Im Spiel mit anderen Kindern steht sie oft lange etwas abseits und beobachtet die anderen oder spielt für sich alleine. Ich versuche sie immer wieder zu ermuntern mit den anderen mitzuspielen in dem ich sie begleite und in ihrer Nähe bleibe, weil ich oftmals das Gefühl habe, dass sie eigentlich ganz gerne über ihren Schatten springen würde und auch mit den anderen zusammen spielen und Spass haben möchte. Was könnte ich sonst noch tun? Ich versuche auch immer wieder, sie selbstständig etwas machen zu lassen, damit sie so ihre Erfolgserlebnisse hat und dadurch mehr Selbstvertrauen erhalten sollte…

Es fällt ihr auch sehr schwer ihre wahren Gefühle zu zeigen, speziell wenn sie etwas traurig macht, dann sagt sie oft ich bin müde, habe Hunger oder Durst, aber eigentlich weint sie aus einem anderen Grund z.B. weil andere Kinder ihr etwas weggenommen haben oder ihr davon gerannt sind….

Das ist die eine Seite und die meisten können sich gar nicht vorstellen, dass dieses ruhige und scheue Mädchen auch ganz anders sein kann – aber halt meistens nur zu hause, da ist sie aufgeweckt, spricht sehr viel und hat einen sehr starken Willen... und auch nur da reagiert sie auf gewisse Situationen immer öfter mit sehr heftigen Wutausbrüchen, die oft in Tobsuchtsanfälle ausarten… Meist fängt es ganz harmlos an – etwas funktioniert nicht, wie sie es möchte oder sie bekommt etwas nicht, was sie haben möchte und, und , und… in diesen Situationen schick ich sie dann in ihr Zimmer (die Türe lies ich dabei immer offen, da sie sonst Angst hat), bis sie wieder etwas ruhiger wird und wir wieder normal miteinander reden können... funktionierte meistens. Nun ist es aber in der letzten Zeit so, dass sich diese Situationen häufen und sie prinzipiell das Gegenteil von dem was man ihr sagt tut und egal wie ich es anpacke, ich stosse auf taube Ohren – ich komme dann nicht mehr an sie heran - verbietet man ihr etwas, dann hört sie einfach nicht zu oder redet von etwas ganz anderem weiter, so nach dem Motto – ist mir doch egal, was du von mir willst oder gesagt hast. Schicke ich sie in ihr Zimmer eskaliert die Situation erst recht und endet dann meist in einem Tobsuchtsanfall von dem sie sich erst, wenn sie kaum mehr sprechen und nur noch schluchzen kann, erholt. Ich fühle mich dann in dieser Situation total hin und her gerissen auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass sie im Moment eine kleine Auszeit braucht und auf der anderen Seite tut sie mir so leid, das ich sie am liebsten beschützend und tröstend in die Arme nehmen möchte…. Bis jetzt lasse ich sie eine Auszeit machen, hatte irgendwie nicht wirklich ein gutes Gefühl dabei.

Ich wäre riesig froh, wenn du mir ein paar Tipps geben könntest wie ich mich in den Situationen verhalten soll, damit sie etwas mehr Selbstvertrauen erhält und dass unser Alltag zuhause etwas harmonischer verlaufen kann.

Vielen Dank für Deine Hilfe.
Viele Grüsse
Natalie
Milen
 
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Registriert: 21.04.2010, 22:45

Re: Tobsuchtsanfälle

Beitragvon Kathrin Buholzer » 11.09.2010, 00:57

Hallo Kathrin

Eigentlich wollte ich ja schon seit langem einmal schreiben, doch immer wieder hatte ich das Gefühl, dass ich nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen soll und die Probleme auch einfach so zu lösen sein müssten.

Unsere Tochter ist nun 3 1/2 Jahre alt. Vor etwa 1 1/2 Jahren haben die Probleme angefangen und sich nach der Geburt von ihrer Schwester (sie ist jetzt 9 Monate alt) noch verstärkt. Die Situation ist für mich so schwierig, weil sie auf der einen Seite, wenn wir draussen oder bei anderen Leuten (fremde oder bekannte) eingeladen sind, sehr ruhig ist, kaum redet, sich meist total zurückzieht und oft meine Nähe sucht. Erst nach einer gewissen Zeit und auch nur wenn sie sich sehr wohl fühlt blüht sie auf und kommt aus ihrem Schneckenhaus heraus. Im Spiel mit anderen Kindern steht sie oft lange etwas abseits und beobachtet die anderen oder spielt für sich alleine. Ich versuche sie immer wieder zu ermuntern mit den anderen mitzuspielen in dem ich sie begleite und in ihrer Nähe bleibe, weil ich oftmals das Gefühl habe, dass sie eigentlich ganz gerne über ihren Schatten springen würde und auch mit den anderen zusammen spielen und Spass haben möchte. Was könnte ich sonst noch tun? Ich versuche auch immer wieder, sie selbstständig etwas machen zu lassen, damit sie so ihre Erfolgserlebnisse hat und dadurch mehr Selbstvertrauen erhalten sollte…

Das ist in diesem Alter durchaus noch normal, dass sie noch viel alleine spielt oder dass die Kinder eher nebeneinander als miteinander spielen. Du kannst sie immer wieder bestärken, ihr vielleicht auch ab und zu helfen ins Spiel zu finden. Vielleicht nicht grad zu viele Kinder auf einmal einladen, damit sie nicht überfordert ist.

Es fällt ihr auch sehr schwer ihre wahren Gefühle zu zeigen, speziell wenn sie etwas traurig macht, dann sagt sie oft ich bin müde, habe Hunger oder Durst, aber eigentlich weint sie aus einem anderen Grund z.B. weil andere Kinder ihr etwas weggenommen haben oder ihr davon gerannt sind….

Auch das ist ganz normal und für kleine Kinder ganz schwierig. Das können ja oft nicht mal die Erwachsenen so richtig ausdrücken... Versuch das für sie zu übersetzen. Wenn du merkst, dass sie traurig ist oder ärgerlich, dann melde ihr das so zurück. "Ui, ich merke grad, dass du ziemlich sauer bist..."

Das ist die eine Seite und die meisten können sich gar nicht vorstellen, dass dieses ruhige und scheue Mädchen auch ganz anders sein kann – aber halt meistens nur zu hause, da ist sie aufgeweckt, spricht sehr viel und hat einen sehr starken Willen... und auch nur da reagiert sie auf gewisse Situationen immer öfter mit sehr heftigen Wutausbrüchen, die oft in Tobsuchtsanfälle ausarten… Meist fängt es ganz harmlos an – etwas funktioniert nicht, wie sie es möchte oder sie bekommt etwas nicht, was sie haben möchte und, und , und… in diesen Situationen schick ich sie dann in ihr Zimmer (die Türe lies ich dabei immer offen, da sie sonst Angst hat), bis sie wieder etwas ruhiger wird und wir wieder normal miteinander reden können... funktionierte meistens.

Das ist auch ganz normal. Sie steckt immer noch mitten in der Trotzphase. Wenn sie was nicht kann, und dann wütend wird, ist das kein Grund sie grad ins Zimmer zu schicken. Wenn du ihr da helfen möchtest, versuch hier den Vermittler zu spielen. Frag sie z.B: "Was hast du denn genau mit den Duplos bauen wollen? Was klappt denn nicht? Was musst du denn jetzt tun, wenn du ein Haus bauen möchtest?" Gib ihr Hilfestellungen, Tipps aber tu es nicht für sie. Ins Zimmer schicken würde ich sie nur, wenn sie wirklich austickt und es wirklich heftig ist.

Nun ist es aber in der letzten Zeit so, dass sich diese Situationen häufen und sie prinzipiell das Gegenteil von dem was man ihr sagt tut und egal wie ich es anpacke, ich stosse auf taube Ohren – ich komme dann nicht mehr an sie heran - verbietet man ihr etwas, dann hört sie einfach nicht zu oder redet von etwas ganz anderem weiter, so nach dem Motto – ist mir doch egal, was du von mir willst oder gesagt hast.

Das ist vollkommen normal, gehört zur Trotzphase. Schau mal hier, Clip 32
http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... basar.html

Empfehlen kann ich dir auch die beiden Clips zum Thema Erziehungsfallen, Clip 26 und 27


Schicke ich sie in ihr Zimmer eskaliert die Situation erst recht und endet dann meist in einem Tobsuchtsanfall von dem sie sich erst, wenn sie kaum mehr sprechen und nur noch schluchzen kann, erholt. Ich fühle mich dann in dieser Situation total hin und her gerissen auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass sie im Moment eine kleine Auszeit braucht und auf der anderen Seite tut sie mir so leid, das ich sie am liebsten beschützend und tröstend in die Arme nehmen möchte…. Bis jetzt lasse ich sie eine Auszeit machen, hatte irgendwie nicht wirklich ein gutes Gefühl dabei.

n der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Deine Tochter versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und sie merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie sie das gerne möchten.

(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:

... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>

Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihr genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihr her und versuch sie nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihr nicht alles abnimmst und ihr dann deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."

- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihr eine Auswahl geben und sie kann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.

- In Situationen in denen sie sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst sie abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihr immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass sie sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.


Ich wäre riesig froh, wenn du mir ein paar Tipps geben könntest wie ich mich in den Situationen verhalten soll, damit sie etwas mehr Selbstvertrauen erhält und dass unser Alltag zuhause etwas harmonischer verlaufen kann.

Schau mal was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, Feedback oder mehr Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin



Vielen Dank für Deine Hilfe.
Viele Grüsse
Natalie
Kathrin Buholzer
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