Liebe Kathrin
Unser Sohn ist im Juni 5 geworden und geht nun die vierte Woche in den Kindergarten. Anfangs kam er immer sehr müde heim, aber es scheint ihm sehr zu gefallen. Nun hat er innerhalb der letzten Woche zwei mal ins Bett gemacht, zum ersten Mal seit zwei Jahren. Gleichzeitig hat er gestern erzählt, X habe ihm sein "Znüni geklaut". X ist ein Kindergartengschpänli, der nun das zweite Jahr den Kiga besucht. Er ist albanischer Abstammung, spricht aber recht gut deutsch. Ich habe ihn inzwischen drei Mal "life" erlebt, nämlich am Schnuppertag, am ersten Kiga-Tag und einmal als ich einen zweistündigen Besuch machte. X verhält sich extrem laut, störend, dominant. Die Kindergärtnerin hat die Gruppe sehr gut im Griff und ist sehr konsequent. X hat sich nun unseren Sohn und einen weiteren Jungen ausgesucht, mit denen er ständig zusammen zu sein versucht. Unser Sohn sagt "X schnappt mich immer". Bei meinem Besuch habe ich erlebt, wie die Kindergärtnerin X und meinen Sohn bewusst nicht mit denselben Spielsachen spielen liess. Unser Sohn ist eher ein "Mitläufertyp", der sich selten getraut, sich abzugrenzen oder sich zur Wehr zu setzen. Er schaut zu, macht dann anfangs auch mit und schafft es dann nicht mehr selbst heraus.
Heute morgen habe ich in anderem Zusammenhang (Sohnemann hat sich am Fuss verletzt) die Kindergärtnerin angerufen und dabei auch erwähnt, dass er zwei Mal ins Bett gemacht hat und dass X ihm gestern sein Znüni weggenommen haben soll. Die Kindergärtnerin erklärte mir, X sei sehr dominant und versuche ständig, diese Dreierkonstellation zu erzwingen. Sobald unser Sohn mit jemand anderem Spiele, störe X dieses Spiel. X ist der Älteste, unser Sohn der Jüngste, das trägt wohl auch noch zum Machtgefälle bei. X stellt eine Art "Machoverhalten" zur Schau, schlägt und gingget auch ziemlich wahllos oder bedroht andere Kinder ("wotsch Zoff du Schissgegu?").
Wir haben nun Angst, dass unser Sohn in diesen Sog gerät und sich nicht getraut, sich abzugrenzen. Laut Aussage der Kindergärtnerin hat er sie schon zwei Mal leise gebeten, ob er mit jemand anderem einstellen darf (beim laufen in Zweierreihe) weil X ihn immer gleich packe. Aber er getraut sich nicht, das zu X zu sagen. Wenn man sie dann miteinander sieht hat man eigentlich das Gefühl, unser Sohn fühle sich wohl. Er überdreht dann und passt sich total an. Dieses Unwohlsein äussert er nur, wenn X nicht dabei ist oder es nicht mitbekommt.
Wozu rätst du? Meine Idee war, mit einigen anderen Kiga-Gspänli auch privat mal abzumachen, damit er die besser kennenlernt und so vielleicht andere Kontakte allmählich bevorzugt. Wir haben auch versucht mit ihm zu sprechen, aber ich glaube es ist ganz schwierig für ihn, das alles zu verbalisieren und seine Gefühle richtig einzuordnen.
Ich danke dir sehr für deine Zeit und deine Bemühungen!
Esther