von Kathrin Buholzer » 08.08.2009, 22:32
Hallo Kathrin
Ich habe gedacht, dass ich es jetzt mal hier versuche einen Rat zu erhalten. Schön, dass du dich für uns Mütter einsetzst!
Hallo Rina!
Schön, dass du hier bei uns dabei bist! Herzlich willkommen auf dem Elternplaneten!
Nun, mein Kleiner ist jetzt 3,5 Jahre alt. Er ist eigentlich ein liebes Kind, er kann gut alleine spielen (macht auch seine Zimmerstunde am Mittag von 1h). Er ist auch sehr anhänglich, d.h, es sagt mir und meinem Mann oft wie lieb er uns hat und kommt kuscheln. Einige Sachen laufen jedoch gar nicht gut. Seit er ca. 1.5 jährig ist, ist er grob zu anderen Kindern. Wenn wir weggehen, sag ich ihm immer, dass er lieb sein soll und er verspricht es mir auch jedesmal.
Schon kleine Kinder merken schnell, dass sie ihre Körperteile als "Waffen" gebrauchen können. Anhand der Reaktionen merken sie, dass man mit beissen oder schlagen Aufmerksamkeit und Zuwendung erhält, auch wenn es negative ist. Er versucht nun, dieses Verhalten immer wieder zu zeigen.
Dein Sohn hat sicher auch gemerkt, dass er mit diesem Verhalten die Kinder z.T auch beherrscht.
Wichtig ist, dass du ihm klar machst, dass du das nicht tolerierst. Sag ihm, dass du von ihm möchtest, dass er lieb und sorgfältig mit den anderen umgehen soll. (Formuliere positiv: also nicht: NICHT schlagen, sondern lieb und anständig umgehen). Sag ihm nicht einfach, dass er lieb sein soll, sondern sprich mit ihm über das was kommt. Wo geht ihr hin, was tut ihr dort, wie lange bleibt ihr, was erwartet ihn dort. Plane gut voraus und sag ihm, was als nächstes passiert und was du von ihm erwartest.
Sag ihm das jeweils auch schon vorher. Also bevor ihr auf den Spielplatz geht, bevor er mit anderen Kindern in Kontakt kommt.
Versuche auch den Fokus vermehrt auf das Positive zu setzen. Also tut er etwas, dass dir gefällt, dann schenke ihm Aufmerksamkeit und lobe ihn. "Hey, das hat mich gefreut, dass du auf dem Spielplatz so toll mit dem Jungen gespielt hast."
Aber kaum da, geht es los, er plagt andere Kinder und haut sie auch, teilen kann er schon gar nicht (muss er das überhaupt in dem Alter?). Ich bin ständig daran ihn zu beobachten und zurechtzuweisen. Wenn er dann wieder gehauen hat, dann entschuldigt er sich zwar, 5min später gehts aber wieder los. Bin auch schon nach Hause gegangen, aber das scheint ihm nichts zumachen, er ist gerne zu Hause.
Wenn er dann schlägt, geh nicht einfach mit ihm nach Hause, sondern nimm ihn einfach einen Moment aus der Situation raus. z.B muss er einen Moment zu dir aufs Bänkli sitzen, oder muss einfach einen Moment aus dem Sandkasten raus. Lass ihn dann nach der abgemachten Zeit (also nach 5-10 Minuten) wieder mit seiner Tätigkeit fortfahren. Auch wenn er nicht grad zu Tode betrübt zu sein scheint, lass dich davon nicht beeindrucken. Das muss er auch nicht. Bei einer log. Konsequenz geht es nicht darum, dass die Kinder "leiden", es geht auch nicht darum sie "fertig" zu machen, damit sie möglichst am Boden zerstört sind. Wenn Kinder so reagieren wie du es bei deinem Sohn beschreibst, dann heisst das, dass er die logische Konsequenz nachvollziehen kann. Also lass dich von einer solchen Reaktion nicht verunsichern. Pass auf, dass du den Fokus nicht zu fest auf dieses Schlagen und plagen legst. Hilf ihm und zeig ihm Alternativen auf, wie er sich denn in einer solche Situation anders verhalten könnte. Hilf ihm auch ins Spiel zu finden. Vielleicht kannst du auch, anstatt ihn zu beobachten, mit ihm zusammen etwas machen, Stöckchen suchen, im Sandkasten einen Kuchen backen, usw. In dem Alter ist es auch normal, dass die Kinder häufig noch nebeneinander und weniger miteinander spielen.
Das ist das eine, das andere, dass er extreme Wutanfälle hat und ich mich oft frage, ob das normal ist in diesem Mass. Im Moment ist es so 1x am Tag, da flippt er voll aus. z.B. waren wir in der Badi.
Einmal am Tag, das ist normal, da musst du dir keine Sorgen machen. n der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Deine Tochter versucht immer mehr ihre eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und sie merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie sie das gerne möchten.
(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:
... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>
Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihm genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihm her und versuch ihn nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihm nicht alles abnimmst und ihm ann deine Hilfe anbietest, wenn er nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."
- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihm eine Auswahl geben und er kann selber entscheiden, was er möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.
- In Situationen in denen er sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst ihn abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihm immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass er sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.
Ich habe ihm extra 30min vorher gesagt, dass wir bald heim müssen. Er wollte dann nicht mitkommen, wollte sich nicht anziehen und brüllte wie ein verrückter. Ich liess ihn dann halt in den Badehosen, ging zu ihm und erklärte, dass ich jetzt gehe weil es spät ist. Er wollte nicht. Ich lief dann mal los und er schreite hinten weiter, als ich immer mehr weg war kam er angerannt und schreite aber noch immer.
Das mit dem Weglaufen ("Ich gehe jetzt, einfach, wenn du nicht mitkommen willst.") geht meistens nach hinten los, weil es häufig Kinder gibt, denen das egal ist und dann muss man ja doch irgendwann mal wieder umkehren und sie holen. Das wissen die Kinder dann genau so gut und nehmen das gar nicht mehr ernst.
30 Minuten sind für ein kleines Kind ein ziemlich weiter Begriff. Sag ihm lieber: "Noch einmal ins Wasser, noch das letzte Mal auf die Schaukel...", damit kann er mehr anfangen.
Wenn du merkst, dass er nicht mitmachen will, dann versuch ihn zu motivieren. Zeig ihm z.B, dass er seine Badehosen in der Garderobe wechseln darf. Oder mach ihm mit einem Badetuch ein lustiges Versteck unter das er kriechen und sich umziehen kann. Lenk ihn ab, sprich mit ihm über Dinge, die nix mit dem Umziehen zu tun haben. Vielleicht darf er nach dem Umziehen noch etwas kleines Essen, oder ihr macht beim Umziehen ein Wettrennen. Versuch schon vorher dir etwas einfallen zu lassen, bevor er austickt.
Das ging dann so bis wir beim Auto waren, geschlagene 30min. Die schuhe wollte er nicht anziehen, weinte aber weil der Boden heiss war. Ich versuchte es nochmals auf einfühlsame Art mit Erklärungen, er wollte aber nichts davon wissen.
Vielleicht kann er vorher die Füsse im Wasser noch etwas abkühlen und dann ohne Schuhe mitkommen, dabei könnt ihr auch gleich seine Fussabdrücke anschauen. Oder ihr zählt, wie viele Schritte es zum Auto sind, oder du erzählst ihm bis dorthin eine kleine Geschichte...
Erst nach ca. 30min, sagt er "Mami ich ha mi jetzt beruhigt" und ich konnte ihm im Auto die Schuhe anziehen.
Jedesmal dauern diese Anfälle 30min oder länger und er schreit wirklich total fest, wirft sich auf den boden und lässt sich durch nichts beruhigen, ich habe wirklich viel Geduld, versuche es auf liebe Art, gehe zu ihm runter und erkläre, aber alles nützt nichts, auch wenn ich mal laut werde, bringt das nichts.
Am besten ignorierst du ihn dann einfach. Wenn du mit ablenken und motivieren nicht weiter kommst. Je mehr du auf ihn einredest und auch ihn eingehst, je mehr Aufmerksamkeit du ihm schenkst, umso spannender wird es für ihn. Lass ihn dann einfach einen Moment in Ruhe, geh etwas von ihm weg und lass ihn dann einen Moment in Ruhe.
Fernsehverbot habe ich ihm auch schon gegeben, unterdessen akzeptiert er das auch, habe jedoch das Gefühl es macht ihm nichts mehr aus.
Versuch immer Konsequenzen zu wählen, welche in direktem Zusammenhang mit dem Problemverhalten stehen. Also Fernsehverbot hat nichts mit einem Trotzanfall zu tun. Im Gegenteil, es provoziert oft grad wieder einen neuen.
Auch morgens steht er schon um 7.00 auf der Matte und will dass wir aufstehen - wenn nicht geht das Gebrüll los, was kann ich nur machen?
Mit ihm genau besprechen, wie das am morgen ablaufen soll. Zeig ihm, was er machen kann, wenn er aufgewacht ist. Zeig ihm ein Sachen in seinem Zimmer, mit denen er spielen darf, wenn er aufgewacht ist. Wenn er brüllt, dann bring ihn ruhig aber bestimmt wieder in sein Zimmer zurück und sag ihm, dass er ruhig sein soll und du ihn dann nach 1-2 Minuten holen kommst.
Wenn ich arbeite und er diese Zeit bei Grosseltern verbringt, klappt alles tiptop - kaum tauche ich auf gehts los.
Und trotzdem ist er sehr ein lieber Junge, er macht viele Sachen sehr toll und ist liebevoll.
Lobe und ermutige ihn viel. Sag ihm immer, was dir gerade gut gefallen hat und setz den Fokus aufs Positive.
Sind diese Wutanfälle normal oder muss ich mir Sorgen machen? Wie kann ich mich noch verhalten oder ihn "bestrafen"? Komisch ist, dass er nach den Wutanfällen immer von selbst sagt "ich ha mi jetzt beruhigt". Haben Sie mir gute Tipps (vorallem wenn ich mit ihm unterwegs bin?)
Gut vorausplanen, ihn nicht mit deinen Plänen überraschen, ablenken und motivieren, wenn du merkst, dass er grad etwas bockig wird, ignorieren, wenn das Problemverhalten noch nicht ganz so schlimm ist und wenn er wirklich ausartet, er sich gar nicht mehr beruhigt, mit Sachen um sich schmeisst, dann kannst du ihn auch mal in die Auszeit bringen.
D.h du gehst zu ihm, sagst was er falsch gemacht hast, erinnerst ihn an die Regel und sagst: „Luca, du hast mich jetzt grad gehauen, wir haben abgemacht, dass wir anständig und lieb miteinander umgehen. Deshalb musst du jetzt 1 oder 2 Min. in die Auszeit.“ Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du warst jetzt schön still, du darfst wieder rauskommen.“
Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln. Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.
Besprich die Auszeit am besten in einer ruhigen Minute mit ihm, damit er weiss, was dann passiert und wann er in die Auszeit muss. Achte dich darauf, dass du ihn nicht für jedes Fehlverhalten in die Auszeit schickst. Nur als letzte Möglichkeit, wenn du merkst, dass er nicht mehr aus dem Wutanfall herausfindet und auch du kurz vor dem Explodieren bist.
Herzlichen Dank und viele Grüsse
Rina
Schau mal was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, Feedback oder mehr Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin