Schreien

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Schreien

Beitragvon Sara » 10.08.2009, 09:41

Ich habe eine fast 5 jährige Tochter (kommt nächste Woche in den Kindergarten) und einen fast 2 jährigen Sohn.
Momentan bin ich überfordert. Sie streiten dauernd, der kleine schreit und weint wenn etwas nicht nach seinem
kopf geht, sodass ich nicht zu Ruhe komme. Das mit dem Streiten sehe ich als fast normal an, erinnere ich mich doch an meine kinderzeit mit meiner Schwester. Aber das ewige Geschrei meines Jungen bringt mich zur Verzweiflung. Ich weiss nicht ob ich ihn ignorieren soll, denn wenn ich immer seinem Wunsch nachgehen würde, dann hört dies ja nie auf. Aber das laute Geschrei, wenn ich ihm keine Beachtung schenke ist anstrengend und geht an die Nerven. Wir gehen im Oktober in die Ferien und ich habe echt keine Lust mit dem Kleinen zu verreisen, wenn ich weiss dass er immerzu schreit und weint wenn er nicht bekommt was er möchte.
Beide sind zudem eifersüchtig und möchten immer meine totale Aufmerksamkeit. Ich habe kaum Zeit um etwas zu erledigen oder in Ruhe zu erledigen. Es ist momentan so, dass ich gar nicht aufstehen möchte am morgen, da ich weiss dass das ganze Geschrei und Gestreite wieder anfängt. Ich hoffe es ist nur eine Phase, würde aber gerne wissen was ich falsch oder was ich besser machen kann.
Besten Dank.
Sara
 
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Re: Schreien

Beitragvon Kathrin Buholzer » 11.08.2009, 09:46

Ich habe eine fast 5 jährige Tochter (kommt nächste Woche in den Kindergarten) und einen fast 2 jährigen Sohn.
Momentan bin ich überfordert. Sie streiten dauernd, der kleine schreit und weint wenn etwas nicht nach seinem
kopf geht, sodass ich nicht zu Ruhe komme. Das mit dem Streiten sehe ich als fast normal an, erinnere ich mich doch an meine kinderzeit mit meiner Schwester. Aber das ewige Geschrei meines Jungen bringt mich zur Verzweiflung. Ich weiss nicht ob ich ihn ignorieren soll, denn wenn ich immer seinem Wunsch nachgehen würde, dann hört dies ja nie auf.
Hallo Sara! Schön, dass du hier auf dem Elternplaneten gelandet bist und bei uns mitschreibst.
Achte dich einmal, wann genau das passiert. Ist er einfach nur wütend und enttäuscht, will er damit deine Aufmerksamkeit erlangen? Bekommt er diese auch jedes Mal? Hat er eine Anweisung nicht verstanden? Braucht er einfach noch Hilfe und Unterstützung und weiss nicht, wie er die anders bekommen soll als mit Schreien? Ist er müde, hungrig? Wurde er von deinen Anweisungen überrascht? Wie oft am Tag passiert das denn? Schreib dir das mal auf und beobachte ihn. Wenn man das beobachtet, merkt man plötzlich die Verhaltensmuster und auch, ob es tatsächlich so oft passiert wie man das Gefühl hat.
Schreib mir doch auch noch ein paar konkrete Situationen auf. Was wolltest du von ihm? Wie hast du die Anweisung gegeben? Wie hat er reagiert? Was hast du getan? Was erwartest du von ihm?
Ich kann dich gut verstehen. Diese Zeit ist sehr anstrengend. Vergiss aber nicht, dass dein Sohn sich mitten in der Trotzphase befindet. Er muss sich so verhalten, das ist normal... :-)
Zuerst ein paar allgemeine Hinweise:
In der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Dein Sohn versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und er merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie er das gerne möchten.

(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:

... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>

Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihm genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihm her und versuch ihn nicht mit Anweisungen zu zutexten. Normalerweise geben wir immer viel zu viele Anweisungen. Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden. Achte darauf, dass du ihm nicht alles abnimmst und ihm ann deine Hilfe anbietest, wenn er nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."

- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihm eine Auswahl geben und er kann selber entscheiden, was er möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.

- In Situationen in denen er sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst ihn abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihm immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass er sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.


Aber das laute Geschrei, wenn ich ihm keine Beachtung schenke ist anstrengend und geht an die Nerven.

Ja ich weiss und du hast auch Recht, das ist sehr anstrengend. Trotzdem ist es wichtig. Versuch den Fokus aufs Positive zu legen. Tut er etwas, dass dir gefällt, dass er gut gemacht hat, dann lobe und ermutige ihn und sag ihm, WAS dir genau gefallen hat. Wenn er schreit und weint, versuch ruhig zu bleiben. Wenn nötig, verlass einen Moment den Raum und ignoriere ihn einfach. Das vorallem, wenn er sich nicht beruhigen oder helfen lässt. Sonst biete ihm Hilfe an. Zeig ihm, wie er es anders lösen könnte. "Du hast dich jetzt grad mächtig geärgert, dass dein Legohaus zusammengekracht ist. Komm wir schauen einmal zusammen. Was wolltest du machen? Was brauchen wir alles um ein Haus zu bauen?

Wir gehen im Oktober in die Ferien und ich habe echt keine Lust mit dem Kleinen zu verreisen, wenn ich weiss dass er immerzu schreit und weint wenn er nicht bekommt was er möchte.

Je mehr du das ignorierst, umso schneller wird sich das auch wieder bessern. Lobe ihn immer, wenn er nicht geschrien hat, anständig gefragt hat. "Toll, dass du jetzt grad ruhig geblieben bist, dass du mich mit einer lieben Stimme gefragt hast..."

Beide sind zudem eifersüchtig und möchten immer meine totale Aufmerksamkeit. Ich habe kaum Zeit um etwas zu erledigen oder in Ruhe zu erledigen.

Am besten versuchst du sie immer wieder in die Arbeiten mit einzubeziehen. Lass sie mithelfen und gib ihnen etwas zu tun. Schau auch, dass du dich z.B über den Mittag etwas ausruhen kannst. Lass sie eine Mittagsruhe machen.
Zum Thema Eifersucht, kann ich dir den "Wunschtag" empfehlen. Schau mal hier, das Thema Eifersucht an: http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... n-d-k.html. Das alles gibst noch als Online Video, Clip 1 der Wunschtag: http://www.elternplanet.ch/erziehung-mi ... basar.html


Es ist momentan so, dass ich gar nicht aufstehen möchte am morgen, da ich weiss dass das ganze Geschrei und Gestreite wieder anfängt. Ich hoffe es ist nur eine Phase, würde aber gerne wissen was ich falsch oder was ich besser machen kann.

Ruhe dich nicht darauf aus, in dem du sagst, es ist ja nur eine Phase.
Plane immer gut voraus und sag ihm frühzeitig, was Sache ist, was passiert und was du von ihm erwartest. Kinder fühlen sich oft von unseren Anweisungen überrumpelt wenn sie aus heiterem Himmel kommen. "Wir schauen jetzt noch ein Buch zusammen an, dann gehen wir Zähneputzen und danach zusammen rauf ins Zimmer." Versuch den Tag in kleine "Häppchen" zu teilen, damit er weiss was als nächstes kommt. Wenn er mit Dingen wirft, dann hat das damit zu tun, dass er sich ganz furchtbar ärgert, was man ja sicherlich meistens gut nachvollziehen kann. Du kannst ihm sagen, dass dass du verstehst, dass er sich grad ärgert, dass er aber aufhören soll mit Sachen zu werfen und was er stattdessen tun soll. Du kannst ihm auch eine Alternative anbieten, damit er seinen Frust und Ärger loswerden kann. Wenn er nicht damit aufhört, dann nimm ihm die Gegenstände einen Moment weg. Sag ihm immer warum du es tust, und gib sie ihm dann nach einer kurzen Weile wieder. "Du wirfst immer noch mit den Klötzen herum, deshalb nehme ich sie dir jetzt für 5 Minuten weg." Versuch ruhig und gelassen zu bleiben.
Hier noch ein paar grundsätzliche Tipps und Anregungen zu den Anweisungen:

Achte dich auch wieder einmal auf deine Anweisungen. Wenn Kinder Anweisungen nicht befolgen hat das oft damit zu tun, wie wir als Eltern die Anweisungen geben. Oft stellen wir sie als Frage: "Kommst du jetzt bitte?" "Hörst du jetzt auf?" "Möchtest du jetzt nicht mal alleine etwas spielen?". Lies doch nochmal in Ruhe das Wichtigste zu den Anweisungen durch und achte dich in den nächsten Tagen mal wieder etwas verstärkt darauf. Ich kopier dir hier den Text aus meinem letzten Posting an dich nochmals rein:

Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten:

Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich es mit Namen an und sag ihm genau was es tun soll: „Ich möchte, dass du jetzt deine Kleider anziehst und dann zum Essen kommst, …“ (auch hier, immer sagen, was es tun soll, was du von ihr möchtest). (Nicht einfach "Nein" sagen, sondern sagen, WAS sie denn tun soll).
Warte ca. 5 Sekunden und gib ihr Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte sie. Wenn sie tut, was du gesagt hast, dann lobe sie.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!).
Wenn sie wieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit ihrem Verhalten in Zusammenhang steht. Das Kind aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.)
Sag ihr immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihr immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihr dann wieder.

Beobachte dich einmal, WIE du Anweisungen gibst. Denk dran:

Nicht zuviele! Oftmals texten wir unsere Kinder von morgens bis abends mit Anweisungen zu. Je mehr Anweisungen wir geben, umso mehr Möglichkeiten haben die Kinder nicht zu gehorchen. Oftmals geben wir auch einfach nur Anweisungen aus lauter Gewohnheit. "Pass auf dort drüber, diese Pflanzen solltest du nicht anfassen, jetzt musst du dann mal den Schlafanzug anziehen." Hier wäre es besser entweder gar nichts zu sagen oder dann: "Komm her zu mir, Lass die Pflanzen in Ruhe, geh jetzt bitte deinen Schlafanzug anziehen." Überleg dir jeweils, BEVOR du eine Anweisung gibst: Ist diese jetzt wichtig? Denk auch daran, dass du dann auch eine Konsequenz parat haben musst, wenn er sie nicht befolgt.

Frageform! Immer wieder geben wir Anweisungen als Frage. "Könntest du bitte deine Füsse vom Tisch nehmen? Kommst du bitte? Gehst du jetzt die Hände waschen?" Wenn wir eine Anweisung als Frage formulieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Kind "Nein" sagt. Also sag immer, WAS genau du von deinem Kind erwartest. Positiv Formulieren!

Zu Ungenau! "Leonie!" oder "Hör auf mit dem Blödsinn!" "Jetzt reichts aber! "Jetzt benimm dich!" Diese vagen Andeutungen sagen dem Kind weder mit was es aufhören, noch was es stattdessen tun soll.

Von weit her! Immer zum Kind hingehen. Nicht von der Küche ins Kinderzimmer schreien!

Zur falschen Zeit! Vorher ankündigen. Nicht einfach den Fernseher ausmachen, oder zum essen rufen. Sag ihr vorher wie lange sie etwas tun darf. Stell eine Uhr, oder geh ca. 5 Min. vorher zu ihr hin und sage: "In 5 Minuten können wir essen, wenn ich das nächste Mal komme, dann möchte ich, dass du gleich mitkommst und dir die Hände wäschst."

Es gibt noch weitere "Erziehungsfallen":

Umgang mit Strafen:
Strafe wird angedroht, aber nicht ausgeführt. Das Kind lernt mit der Zeit, dass die Eltern die Strafen nur androhen, aber trotzdem nix passiert.

Strafe als letzte Möglichkeit:
Die Eltern warten zu lange, bevor sie auf das Problemverhalten reagieren. Strafen fallen dann häufig zu hart aus.

Inkonsequente Bestrafung:
Die Eltern sind sich nicht einig, ob und wie sie Konsequenzen anwenden. Für das Kind ist es schwierig zu merken, welche Linie jetzt gilt.

Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder, mit Fragen, Feedback und am besten mit ein paar konkreten Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
Kathrin Buholzer
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