von Kathrin Buholzer » 02.04.2009, 14:39
Hallo Jeenie! Herzlich willkommen erst einmal hier auf dem Elternplaneten, schön, dass du hier dabei bist.
Mein Sohn (2 Jahre) gibt mir seit einiger Zeit Ohrfeigen. Ausschlag gebend ist, dass ich mit Ihm schimpfe.
Kannst du mir da mal ein Beispiel geben? Wann genau passiert das denn? Was sagst du zu ihm? Warum musst du mit ihm schimpfen? Was sagst du dann?
Bei Kindern ist es sehr wichtig, dass man sie nicht mit seinen Plänen überrascht. Du wirst viel weniger schimpfen müssen, wenn du ihm immer vorher genau sagst, was jetzt dann passiert und was ihr tut. "Du darfst jetzt noch einen Moment spielen, wenn ich dann zu dir komme, dann möchte ich, dass du grad mit kommst. Wir gehen dann die Zähne putzen und danach zu Fuss einkaufen." Wenn Kinder sich daneben benehmen, dann hat das oft damit zu tun, dass sie gar nicht wissen, was wir von ihnen erwarten. Achte dich auch darauf, dass du ihm viel positive Aufmerksamkeit schenkst. Also nicht immer nur schimpfen und ihm Aufmerksamkeit schenken, wenn er sich daneben benimmt. Lobe und ermutige ihn, wenn er etwas gut macht, etwas dass dir gefällt. Sag ihm genau, WAS dir gefallen hat. "Das freut mich, dass du grad gekommen bist, als ich es dir gesagt habe. Toll, dass du so lieb gefragt hast..." Pass auf, dass du nicht ins Negative fällst: "Endlich mal, bist du grad gekommen und musste ich es nicht hundert Mal sagen."
Lass ihn viele Dinge selbstständig tun, dann wird er viel Selbstvertrauen bekommen und du musst auch nicht ständig um ihn herum sein.
Dann beginnt er zu schreien und dann kommt die Ohrfeige.
Hast du ihn dann auf dem Arm, oder wie sonst kann er dir eine Ohrfeige geben? Wenn er wütend wird, wenn du ihm etwas sagst, dann lass ihn einfach einen Moment und ignoriere ihn. Du kannst auch einen Moment aus dem Zimmer gehen.
Denk auch daran: Dein Sohn kommt in die Trotzphase.
In der Trotzphase, so ab 2 Jahren (manchmal auch schon etwas früher) erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Dein Sohn versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und er merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie er das gerne möchte.
(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:
... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>
Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihm genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihr her und versuch sie nicht mit Anweisungen zu zutexten.
- Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden.
- Achte darauf, dass du ihm nicht alles abnimmst und ihm dann nur deine Hilfe anbietest, wenn sie nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."
- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihm eine Auswahl geben und er kann dann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.
- In Situationen in denen er sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst ihn abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihm immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass er sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.
Achte darauf, dass du sein Umfeld kindersicher machst. Lege gefährliche Gegenstände ausser Reichweite. Dann musst du auch nicht ständig nein sagen, oder ihm die Dinge wegnehmen.
Wenn er trotzdem mal etwas erwischt, dann kannst du ihm z.B sagen: "Gib mir das Messer grad, du kannst es grad hier in die Schublade versorgen, du darfst dafür dieses hier (z.B eines aus Plastik) nehmen." Wenn er dann wütend wird, dann lass ihn einfach.
Wichtig ist, dass du nicht alles x-mal sagst. Wenn du möchtest, dass dein Kind etwas tut, dann folge diesen Schritten: Geh zu ihm hin (also nicht aus einem anderen Zimmer, von draussen nach drinnen…) rufen, sprich es mit Namen an und sag ihm genau was es tun soll: „bitte geh jetzt deine Zähne putzen, sprich bitte in normalem Ton, versorge bitte deine Schuhe …“ (auch hier, immer sagen, was sie tun sollen, was du von ihnen möchtest). Warte ca. 5 Sekunden und gib ihm Zeit zu gehorchen.
Bleib in der Nähe und beobachte es. Wenn es tut was du gesagt hast, dann lobe es.
Wenn nicht dann gib die Anweisung noch einmal. (Gilt nicht bei Problemverhalten, dann die Anweisung nur einmal geben!).
Wenn es wieder nicht gehorcht, dann musst du eine logische Konsequenz folgen lassen. ( also irgendetwas, welches mit seinem Verhalten in Zusammenhang steht. Die Kinder aus der Situation entfernen, das Spielzeug, den Teller einen Moment wegnehmen, keine Geschichte vorlesen usw.). Sag ihnen immer wieso du es tust, drohe nicht, sondern tu es einfach. Wichtig ist, dass du ihnen immer wieder die Möglichkeit gibst es wieder zu üben. Entferne das Spielzeug nur für ca. 5-30 minuten und gib es ihnen dann wieder.
Beobachte dich einmal, WIE du Anweisungen gibst. Denk dran:
Nicht zuviele! Oftmals texten wir unsere Kinder von morgens bis abends mit Anweisungen zu. Je mehr Anweisungen wir geben, umso mehr Möglichkeiten haben die Kinder nicht zu gehorchen. Oftmals geben wir auch einfach nur Anweisungen aus lauter Gewohnheit. "Pass auf dort drüber, diese Pflanzen solltest du nicht anfassen, jetzt musst du dann mal den Schlafanzug anziehen." Hier wäre es besser entweder gar nichts zu sagen oder dann: "Komm her zu mir, Lass die Pflanzen in Ruhe, geh jetzt bitte deinen Schlafanzug anziehen." Überleg dir jeweils, BEVOR du eine Anweisung gibst: Ist diese jetzt wichtig? Denk auch daran, dass du dann auch eine Konsequenz parat haben musst, wenn er sie nicht befolgt.
Frageform! Immer wieder geben wir Anweisungen als Frage. "Könntest du bitte deine Füsse vom Tisch nehmen? Kommst du bitte? Gehst du jetzt die Hände waschen?" Wenn wir eine Anweisung als Frage formulieren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das Kind "Nein" sagt. Also sag immer, WAS genau du von deinem Kind erwartest. Positiv Formulieren!
Zu Ungenau! "Marco!" oder "Hör auf mit dem Blödsinn!" "Jetzt reichts aber! "Jetzt benimm dich!" Diese vagen Andeutungen sagen dem Kind weder mit was es aufhören, noch was es stattdessen tun soll.
Von weit her! Immer zum Kind hingehen. Nicht von der Küche ins Kinderzimmer schreien!
Zur falschen Zeit! Vorher ankündigen. Nicht einfach den Fernseher ausmachen, oder zum essen rufen. Sag ihm vorher wie lange er etwas tun darf. Stell eine Uhr, oder geh ca. 5 Min. vorher zu ihm hin und sage: "In 5 Minuten können wir essen, wenn ich das nächste Mal komme, dann möchte ich, dass du gleich mitkommst und dir die Hände wäschst."
Es gibt noch weitere "Erziehungsfallen":
Umgang mit Strafen:
Strafe wird angedroht, aber nicht ausgeführt. Das Kind lernt mit der Zeit, dass die Eltern die Strafen nur androhen, aber trotzdem nix passiert.
Strafe als letzte Möglichkeit:
Die Eltern warten zu lange, bevor sie auf das Problemverhalten reagieren. Strafen fallen dann häufig zu hart aus.
Inkonsequente Bestrafung:
Die Eltern sind sich nicht einig, ob und wie sie Konsequenzen anwenden. Für das Kind ist es schwierig zu merken, welche Linie jetzt gilt.
Im Normalfall schimpfe ich dann mit Ihm und er muss in sein Zimmer.
Es ist gut dass du Stellung beziehst und ihm ganz klar sagst, dass du Hauen und Ohrfeigen nicht tolerierst. Wenn er das einfach so aus einem Reflex heraus macht, dann würd ich ihn noch nicht gerade in eine Auszeit schicken. Geh dann einfach einen Moment von ihm weg und lass ihn einen Moment. Wenn er wirklich einfach darauf loshaut, einen heftigen Wutanfall hat, mit Sachen schmeisst, das Ignorieren nichts mehr hilft, dann kannst du ihn gut in die Auszeit bringen. .
Einen uninteressanten Raum wählen (wenn möglich nicht das Kinderzimmer, das Schlafzimmer, Gästezimmer oder auch das WC). Erklär ihm in einer ruhigen Situation, wie die Auszeit abläuft. Sag ihm dann, was du von ihm erwartest. "Ich möchte, dass du dich jetzt beruhigst." Wenn du 1 Minute (bis der Wecker klingelt) ruhig warst, dann hole ich dich wieder und du darfst rauskommen.
Lass ihn dann einfach und verlasse evt. auch den Raum. Bei einem Wutanfall hat es keinen Sinn auf ihn einzureden. Wenn er dich dann haut oder der Wutanfall wirklich ganz heftig ist, dann schick ihn in die Auszeit. Sag ihm warum du es tust.
Das wird nicht gleich von heute auf morgen klappen. Denk daran: Kinder lernen erst durch Wiederholungen! Das braucht Zeit und Geduld.
Die Auszeit nicht zu oft anwenden, nur im Notfall, wenn alles andere nichts mehr bringt.
Wenn er sich beruhigt hat (und ich auch) erkläre ich Ihm, dass er
nicht schlagen darf.
Sag ihm das vorher, bevor du den Raum verlässt, ihn auf den Boden stellst oder allenfalls in die Ausezeit bringst. " Ich möchte, dass du lieb und anständig mit mir bist, du hast mich jetzt grad gehauen, deshalb musst du jetzt von meinem Arm runter, deshalb gehe ich jetzt einen Moment raus, deshalb musst du jetzt einen Moment in die Auszeit."
Leider hilft dass alles nichts und es ist mir auch schon passiert,
dass ich aus Reflex zurück geschlagen habe. Ich hab Ihm dann im
nachhinein erklärt, dass wir beide, etwas gemacht haben, dass nicht richtig ist.
Aber ich habe das Gefühl, dass er das noch nicht versteht.
Für ihn ist das sicherlich sehr verwirrend. Wenn du von ihm erwartest, dass er nicht schlägt, dann darfst du das auch nicht tun.
Im Gegenzug, wehrt er sich bei anderen Spielkameraden überhaupt nicht,
wenn die Ihn schlagen und rumschupfen.
Das kann er in diesem Alter auch noch nicht. Wichtig ist, dass du ihn zur Selbstständigkeit erziehst. Wenn ihr irgendwo hin geht, dann hilf ihm ins Spiel zu finden. Du kannst auch vorher mit ihm besprechen, was er tun kann, wenn er geschupft wird.
Du kannst ja aus der Nähe beobachten, aber misch dich nicht gleich bei der kleinsten Auseinandersetzung ein. Erst wenn du das Gefühl hast, dass er überfordert ist und selber nicht zurecht kommt, hilf ihm.
Schau auch, dass er im Moment vielleicht eher nur mit einem Spielkameraden beschäftigt ist. Kinder in dem Alter spielen noch nebeneinander und noch nicht so sehr miteinander, das kann gut sein, dass er mit vielen Kindern noch grad etwas überfordert ist.
Haben Sie mir ein Rat, wie ich in solchen Situationen reagieren soll
und wie wir das verhindern können mit dem Schlagen. Aber auch im
Selbstvertrauen geben können, damit er sich
bei Spielkameraden zur Wehr setzen kann?
Ein gutes Vorbild sein (selber nicht schlagen, schreien), viel Lob und Anerkennung, ihn viele Dinge selber tun lassen (wenn er Hilfe braucht, ihm nur eine Hilfestellung geben und es ihn dann selber probieren lassen), klare und ruhige Anweisungen geben, bei Trotzanfällen ruhig und gelassen bleiben (ignorieren und wenn nötig kurz den Raum verlassen), immer gut vorausplanen und ihm sagen, was als nächstes kommt und was du von ihm möchtest.
Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit Fragen, mehr Beispielen und Feedback, ok?
liebe Grüsse
Kathrin