von Kathrin Buholzer » 16.02.2009, 01:54
Hallo Wesley
vielen Dank für deine Nachricht und deine ausführlichen Erklärungen. Da du sehr viel persönliches geschrieben hast, nehme ich an, dass du es mir extra als privat Nachricht geschreiben, damit es nicht grad alle mitlesen können.
Ansonsten wäre ich froh, wenn du mir deine Antworten, Fragen direkt ins Forum schreiben könntest. Einfach unter deinem Eintrag auf antworten drücken.
Ich kann nicht alles kommentieren, was du geschrieben hast. Ist ja eine ganz aussergewöhnliche und auch traurige Geschichte. Ich denke einfach, dass es für den Jungen das Beste wäre, wenn er einen ruhigen Platz bekommen könnte. Sicherlich bist du sehr bemüht, ihm alles zu geben, da du aber sehr viel unterwegs bist, ist es für einen 3-jährigen aber trotzdem nicht ganz optimal. Ich denke, dass ihr da eine Lösung finden müsst. Wahrscheinlich geht das nicht ohne Behörden.
Ich würde dir empfehlen, dass die Mutter des Jungen nur mit dir abspricht, wann sie ihn sehen will. Es macht keinen Sinn, wenn sie es ihm am Telefon verspricht und dann doch nicht kommt. Du kannst ja mit ihr abmachen, dass sie sich bei dir meldet und sobald sie unterwegs ist, dich nochmals kurz anruft oder eine SMS schickt, damit du weiss, dass sie auch tatsächlich kommt. Erst dann würde ich dem Kleinen erklären, dass die Mama ihn besuchen kommt. Sonst ist die Enttäuschung zu gross und er kann so auch gar kein Vertrauen aufbauen, wenn er dann merken muss, dass er immer und immer wieder enttäuscht wird.
Besprich das doch mal so mit ihr und schaut, ob ihr so eine Lösung finden könnt.
Allgmein zu den Trotzanfällen kann ich dir folgendes sagen:
In der Trotzphase, so ab 2,5/3 Jahren erwacht der eigene Wille des Kindes und zeigt sich immer häufiger in Form von Trotzreaktionen und Gehorsamsverweigerungen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Kind in erster Linie gegen seine Eltern wendet, sondern vielmehr, dass das Kind leidet, dass es seine Wünsche nicht selber erfüllen kann.
D.h., es ist in dieser Phase nicht mehr in der Lage die Situation zu überblicken oder zu kontrollieren und gerät darum völlig aus den Fugen.
Dein Sohn versucht immer mehr seine eigenen Wege zu gehen und stösst dabei natürlich und immer wieder an"natürliche" Grenzen. Und er merkt auch, dass du nicht alles so machst und sagst, wie er das gerne möchte.
(Hier noch ein paar Erläuterungen aus dem familienhandbuch.de)
>>Diese ersten Erfahrungen mit dem eigenen Willen und den damit verbundenen aggressiven Gefühlen und Konfliktsituationen bzw. der Umgang damit, werden zu Grunderfahrungen, die das weitere Leben des Kindes er- oder entmutigend prägen werden. Die Kinder erlernen im Idealfall, dass:
... es ist gut, einen eigenen Willen zu entwickeln. Dadurch wird es fähig, eigene Entscheidungen zu treffen und zu erproben, und zu erkennen welche Konsequenzen diese Entscheidungen nach sich ziehen.
... Konfliktsituationen nichts wirklich Bedrohliches sind und zum Leben dazugehören und Lösungen gefunden werden können.
... Konfliktsituationen innere und äußere Spannungen erzeugen. Diese Spannungen sind aber auszuhalten und müssen nicht durch andere Tätigkeiten (z.B. Essen) abreagiert oder sogar verdrängt werden.
... es seine Gefühle äußern und zum Ausdruck bringen kann und seine Eltern halten das aus, bewerten sie nicht, sondern helfen ihm dabei, sie zunehmend in Worte zu fassen und auszudrücken. "Auch wenn ich um mich schlage, schreie und tobe, werde ich von meinen Eltern gemocht."
... bewältigte Konflikte Ereignisse sind, auf die man gemeinsam zurückblicken kann und welche die Beziehung vertiefen.
... es macht Spaß, eigene Erfahrungen zu sammeln, auch wenn manchmal Schmerz und Enttäuschung mit dabei sind. Das Kind verzweifelt nicht, da es von seinen Eltern unterstützt wird, es immer wieder neu zu versuchen. >>
Verhindern kannst du solche Trotzanfälle nicht. Es gibt allerdings ein paar Sachen die du tun kannst, damit es vielleicht nicht gar so häufig vorkommt.
- Lass ihm genügend Freiraum, renn nicht ständig hinter ihm her und versuch ihn nicht mit Anweisungen zu zutexten.
- Stell Regeln auf, aber nicht zu viele und sei konsequent, wenn diese nicht beachtet werden.
- Achte darauf, dass du ihm nicht alles abnimmst und ihm dann nur deine Hilfe anbietest, wenn er nicht weiterkommt. Ganz nach dem Motto: "Hilf mir, es selbst zu tun."
- Oft ist es auch möglich in gewissen Dingen zu verhandeln. D.h du kannst ihm eine Auswahl geben und er kann dann selber entscheiden, was sie möchte. ("Soll ich dir die Hand geben, oder willst du alleine raufgehen?" " Möchtest du die blaue oder die grüne Hose anziehen." usw. Einen Kompromiss eingehen, verhandeln, aber nur dort wo es auch wirklich Sinn macht.
- In Situationen in denen er sich ärgert, nützt es oft auch, wenn du versuchst ihn abzulenken. Manchmal merkst du auch schon vorher, dass es bald zu einem Trotzanfall kommt, dann kannst du mit dem Ablenkungsmanöver schon etwas früher anfangen.
Vorausplanen. Sag ihm immer früh genug, was als nächstes passiert, so dass er sich schon frühzeitig darauf einstellen kann.
Versuche dem Wutanfall möglichst wenig Beachtung zu schenken.
Auch wenns stressig und oft auch nervig ist. Lass dich davon nicht beeindrucken. Wenns dich ärgert, verlass einen Moment den Raum. Oft nützt es auch, wenn man einfach einen Schritt zurück steht, sein Kind aus den Augenwinkeln beobachtet und denkt: "Alles ok, ich habe ein ganz normales Kind." :-) Lass dich nicht erpressen, schimpfe auch nicht mit ihm. Bleib ruhig und standhaft und wenn der Anfall vor bei ist, dann geh wieder zu ihm und sage: "Schön, dass du dich wieder beruhigt hast, jetzt kannst du mir zeigen, was du genau tun wolltest, ich helfe dir."
Mit der Auszeit musst du aufpassen. Auch wenn es oft gut nützt, das Kind einen Moment in die Auszeit zu schicken, solltest du das nur im allerletzten Notfall anwenden. Also wenn er wirklich einen ganz heftigen Anfall hat, wenn er dich haut, beisst oder mit Sachen schmeisst. Die Auszeit, steht ganz am Schluss einer langen Kette von Erziehungsfertigkeiten und sollte sehr sparsam angewendet werden.
Trotzanfälle musst du nicht "bestrafen", die gehören zur normalen Entwicklung dazu. Wichtig ist einfach, wie du damit umgehst. ein paar Tipps habe ich dir ja oben geschrieben. Achte dich auch darauf, dass du nicht den Fokus aufs Negative Verhalten legst. Also nicht negatives Verhalten bestrafen, in dem du einen Strick machst, sondern das Positive belohnen. Er kriegt Aufmerksamkeit, Lob und Motivation, wenn er sich gut verhält. Wenn du ein Belohnungssystem einführst, dann nur das Gute "belohnen", also wenn es klappt, dann gibts einen Sticker. Hier ein paar wichtige Punkte dazu:
Punktekarte/Chläberliplan sind als zusätzliche Motivation gedacht.
Hier gibt es ein paar wichtige Sachen zu beachten:
- Positiv formulieren, was möchtes du von ihm.
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass er gern hat. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Piratenschiff usw. Beim Schiff z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn er es geschafft hat, also z.B die Schuhe angezogen hat, dann darf er ein Kleberli aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen. Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben, einen Bagger, Lego usw. muss aber nicht sein.
-Setz ein leichtes Ziel. Nach dem 1. Morgen, an dem es geklappt hat: eine kl. Belohnung.
Nach insgesamt 3 Morgen evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger (also nur noch 1 Kleber pro morgen) und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, motivieren fürs nächste Mal.
Punktekarten am besten nur anwenden bei Sachen wie: selber anziehen, Schuhe versorgen, Jacken aufhängen, ruhig am Tisch sitzen bleiben, Ämtli erledigen... usw. Belohnungssysteme sind nicht so gut geeignet bei Dingen wie: er will nicht gehorchen, Trotzanfälle, will kein Gemüse essen, haut andere Kinder... In diesen Situationen kannst du schlecht kontrollieren, ob es geklappt hat oder nicht. Hat er jetzt mit einmal hauen noch ein Kleberli verdient oder nicht? Also in diesem Fall lieber kein Belohnungssystem einsetzen.
Wenn du weitere Erziehungsfragen, Probleme hast, dann melde dich doch einfach wieder hier bei mir. Ich geb dir gerne ein paar Tipps und Anregungen. Am besten schreibst du mir einfach dein Problem oder die Situation auf, ein Beispiel dazu ist immer gut, dann kann ich dir besser helfen.
Mit der Sorgerechtsfrage, da kann ich dir leider nicht so gut weiterhelfen. Ich denke, da gibt es so viele Dinge abzuklären, zu berücksichtigen und es sind ja auch viele Personen involviert. Da würde ich dir wirklich empfehlen mit einer entsprechenden Person (Fürsorge, Jugendamt, Soz.dienst) Kontakt aufzunehmen.
Also melde dich einfach wieder, mit mehr Fragen, Feedback oder Beispielen, ok?
liebe Grüsse
Kathrin