Ich brauche deine Hilfe- meine Kinder streiten nur noch!

Hier gibts Antworten auf die wichtigsten Erziehungsfragen

Moderator: Kathrin Buholzer

Ich brauche deine Hilfe- meine Kinder streiten nur noch!

Beitragvon Sonneschyyn » 17.11.2008, 21:30

Liebe Kathrin

Zuerst mal vielen Dank für das tolle Forum, ich lese immer gerne wieder rein! Ich brauche nun auch mal deinen Ratschlag...

Meine Kinder, Sohn 4.5 Jahre alt, ist im Sommer in den KiGA gekommen und Tochter, knapp 3 Jahre alt zerren mir zur Zeit den letzen Nerv aus...
Bis vor kurzem ging es sehr gut mit den beiden, Eifersucht gab es keine grosse, gar keine eigentlich, der grosse war eigentlich immer sehr lieb mit seiner Schwester.
Aber jetzt, es ist HORROR! Er nimmt ihr ständig alles weg, sie schreit, beisst, und weint. Das umgekehrte, sie nimmt ihm was weg, dasselbe in grün. Da wird geschlagen, gebissen, geschrien.
Und ich weiss nicht, wie reagieren!
Ich habe es versucht mit ignorieren, geht nicht. Das "Opfer" trösten, schimpfen mit dem Verursacher, keinen Erfolg.
Sag mir, wie reagiert man am besten in solchen Situationen?
Es ist nämlich so, dass umso später der Tag, desto schlimmer wirds auch von meiner Seite mit ruhig bleiben, und ich werde lauter und möchte nur noch weglaufen....
Der grosse hat sich schon ziemlich verändert seit dem Kindergarten, ist lauter, frecher und irgendwie einfach anders geworden....
Vielen lieben Dank für deine Antwort!!!
Sonneschyyn
 
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oh

Beitragvon Bienchen » 17.11.2008, 22:09

das nimmt mich auch wunder!

wir haben auch immer wieder solche zwischenfälle (sohn 5 jahre und nochmals sohn 2 jahre) und ich weiss auch nicht wie am besten reagieren!

bin gespannt auf kathrins meinung bzw. rat.

lg
bienchen
Bienchen
 
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Beitragvon Kathrin Buholzer » 17.11.2008, 23:14

Liebe Kathrin

Zuerst mal vielen Dank für das tolle Forum, ich lese immer gerne wieder rein! Ich brauche nun auch mal deinen Ratschlag...

Hallo Sonneschyn! Herzlich willkommen hier auf dem Elternplaneten, ich freue mich, dass du hier mitschreibst.

Meine Kinder, Sohn 4.5 Jahre alt, ist im Sommer in den KiGA gekommen und Tochter, knapp 3 Jahre alt zerren mir zur Zeit den letzen Nerv aus...
Bis vor kurzem ging es sehr gut mit den beiden, Eifersucht gab es keine grosse, gar keine eigentlich, der grosse war eigentlich immer sehr lieb mit seiner Schwester.
Aber jetzt, es ist HORROR! Er nimmt ihr ständig alles weg, sie schreit, beisst, und weint. Das umgekehrte, sie nimmt ihm was weg, dasselbe in grün. Da wird geschlagen, gebissen, geschrien.
Und ich weiss nicht, wie reagieren!

Da zwischen den Beiden ein recht kleiner Altersunterschied besteht, ist natürlich die Rivalität umso grösser. Jeder möchte der Liebste von Mama oder Papa sein. Wichtig ist, die Kinder untereinander nicht zu vergleichen und ihnen die Unterschiede auch nicht zu kommunizieren. "Schau, wie dein Bruder das schon gut kann."
Als erstes ist ganz wichtig, dass du versuchst, den Fokus auf das Positive zu richten. D.h Tun deine Kinder etwas, dass du toll findest, etwas dass sie mehr machen sollten, dann versuch sie zu loben. Also wenn sie z.B einen Moment ganz ruhig und lieb spielen, dann geh später zu ihnen und sage: „ Das isch de schön, dass dir so ruehig und lieb gspielt heit.“ Oder „das hett mi de gfreut, dass dir so schön gspilt heit. Aufpassen dass du nicht ins negative fällst. „Es isch de schön, dass der itze ändlich mal nid so lut sit gsi.“ Man nennt das „Beschreibendes Lob“, also genau die Situation beschreiben die du beobachtet hast und diese loben. Versuch ganz stark, dieses Loben in den Alltag einzubeziehen. D.h nimm dir vor, dein Kind mind. 5 Mal am Tag beschreibend zu loben.

Dann ist ganz wichtig, dass du mit deinen Kindern zusammen ein paar Familienregeln aufstellst. Besprecht miteinander, welchen Umgang ihr untereinander möchtet. Sie können selber versuchen aufzuzählen, wie man sich verhalten soll, damit es untereinander keinen Streit gibt. Schreib es so auf, dass sie wissen WAS GENAU du von ihnen erwartest, was sie tun sollen. Also nicht: „I wott nid, dass du duesch houe“, sondern „I wott, dass du fiin, lieb, aständig bisch. Du kannst das Fehlverhalten schon aufzählen, aber schau darauf, dass du ihm genau erklärst was du von ihm möchtest. Schreibt, zeichnet, klebt diese Regeln (3-4 sollten am Anfang reichen) auf ein Blatt. Gestalte sie so, dass sie alle verstehen und hängt sie irgendwo gut sichtbar auf. Frag sie auch, was passiert, wenn man jemanden beisst oder schlägt, wie sie sich fühlen würde, wenn ihr jemanden weh tut. Versuch auch evt. Alternativen mit ihnen zu besprechen, „ i verstah, dass du mängisch wüetig bisch, was chönnt me denn mache?“.Hesch e Idee? We öpper nid das macht, wo du möchschts, was wär denn e gueti Idee, was chönntsch mache?“ Gib ihnen erst Vorschläge, wenn sie selber keine wissen.
Bei Regeln musst du auch mit ihnen abmachen, was passiert, wenn sie sich nicht daran halten. Bei beissen, kratzen, schlagen usw. würde ich dir vorschlagen, den Stillen Stuhl oder die Auszeit anzuwenden. Bei uns müssen die Kinder bei diesem Verhalten sofort in die Auszeit. D.h du gehst zu ihm, sagst was er falsch gemacht hast, erinnerst ihn an die Regel und sagst: „Luca, du hesch itze grad der Lea gschlage, mir hei abgmacht, dass mir fiin und lieb mitenand umgöh, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“ Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln. Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.


Ich habe es versucht mit ignorieren, geht nicht. Das "Opfer" trösten, schimpfen mit dem Verursacher, keinen Erfolg.
Sag mir, wie reagiert man am besten in solchen Situationen?

Beobachte einmal, wann es passiert? Hat er Hunger, ist ihm Langweilig, sucht er Aufmerksamkeit, weiss er was genau du von ihm erwartest?
Achte dich auch einmal, WARUM dein Grosser das tut? Oft werden die Grossen zur Kasse gebeten, dabei wurden sie von den Kleinen vorher heftig provoziert. Die Zurechtweisungen und Konsequenzen richten sich dann oft immer auf die Grossen und das empfinden diese natürlich als ungerecht.
Wenn du herausgefunden hast, warum er es tut, dann versuch mit ihm zusammen eine bessere Alternative zu finden. Gib ihm nicht immer grad die Lösung vor, sondern sag ihm z.B: "Du bist jetzt wütend, weil der Lukas dein Spielzeugauto genommen hat. Was könntest du jetzt tun? Was passiert, wenn du es ihm einfach wegnimmst? Hast du eine bessere Idee. Die Streitsituationen lassen sich eher verhindern, wenn dein Sohn Alternativen zu seinem jetzigen Verhalten lernt. Deshalb ist es wichtig, wie du ja schon geschrieben hast, dass du nicht als "Polizist" in die Situation reingehst. Dazu nochmals das wichtigste in Kürze:
Wenn sie sich streiten und du zu ihnen gehst, dann versuche nicht gleich selber die Situation zu klären. Also nicht: „ was isch itze hie scho wider los, Luca was hesch ume gmacht? Muesch immer mit de andere stritte, itze gib ihne sofort die Sache zrügg/la ihn i Rueh usw.“ Versuch als erstes mal zuzuhören. Was genau ist passiert, versuch nicht zu bewerten und Partei für jemanden zu ergreifen. Hör zu und mach dir ein Bild. Wenn nötig fass das Gehörte zusammen: „Also hani das richtig verstande, Lukas du bisch verruckt worde, wüll dr Nico dir ds Spilzüg het wäggnoh?"
Versuch auch hier nicht gleich selber die Lösung zu geben. Probier deine Kinder zu einer Lösung zu bewegen. „Also, Lea, was chönntisch de mache, wenn der Lukas dis Spilzüg wägnimmt. Hesch no e anderi Idee, als houe? Was gits itze für ne Möglichkeit? Wie chönnte mir das Problem itze löse?“ Lass sie einfach so viel selber zur Lösung beitragen, wie sie mit ihren 3 Jahren schon kann.
Kinder haben meistens selber sehr gute Ideen Probleme zu lösen, man muss sie nur lassen. Wichtig ist, dass du ihnen nur so viel Hilfe wie nötig gibst, so dass sie das Problem eigentlich selber lösen können. Wenn es dann nicht klappt, oder sie sich nicht einigen können, dann kannst du immer noch einschreiten od. eine Lösung vorschlagen. „Luget, wenn dir öich nid chöit einige, wär itze mit dem Outo spilt, de nimenis itze für ne Moment wäg. 10 Minute gibenis euch de wider und de chöit der de nomal versueche das z löse.“
Es ist nicht deine Aufgabe abzuwägen und den Schiedsrichter oder den Polizist zu spielen, du sollst nur Hilfestellungen geben und die Kinder müssen es dann selber versuchen. Das ist für dich einfacher, denn sonst stehst du immer zwischendrin, du bist immer für irgendjemanden „die Böse“ du kannst es nicht allen recht machen. Deshalb ist es für dich auch viel entspannter, wenn deine Kinder nach Lösungen suchen. Sie werden mit der Zeit auch merken, dass sie dich auch nicht immer rufen müssen, denn du ergreifst ja „keine Partei“ mehr für jemanden.

Ich weiss, das ist sehr schwierig am Anfang, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Wenn sie sich ständig um das Spielzeug streiten, dann setz dich mit dem Grossen einmal zusammen und schaut einmal, welches Spielzeug er auf gar keinen Fall teilen will. Ihr könnt dieses z.B mit einem farbigen Punkt kennzeichnen. Er erklärt sich aber dann einverstanden, dass der Kleine dann mit den anderen Spielsachen spielen darf. (Das könntet ihr z.B auch bei den Regeln aufschreiben).

Einen Tipps zum ständigen Streiten, wer z.B zuerst ein Stück Kuchen nehmen darf, wer welches Glas nehmen kann, wer neben Mama sitzen darf usw. findest du auch noch unter "Erziehung mit Fantasie" unter Eifersucht, schau einfach mal hier:

http://www.elternplanet.ch/46.html



Es ist nämlich so, dass umso später der Tag, desto schlimmer wirds auch von meiner Seite mit ruhig bleiben, und ich werde lauter und möchte nur noch weglaufen....

Ich weiss, dass es am Anfang recht schwierig ist, aus diesem Muster auszubrechen, vor allem wenn man es sich gewohnt ist, immer gleich einzuschreiten und Tipps zu geben oder zu befehlen, wies jetzt läuft. Es braucht Fingerspitzengefühl um sich auch mal zurückzuhalten und den „Ball“ an die Kinder zurückzugeben. Es wird sicher auch nicht gleich beim ersten Mal klappen, aber probier es einfach immer wieder. Du kannst mir ja ein Feedback geben wie es geklappt hat.
Wenn du das Gefühl hast, dass es jetzt grad gar nicht geht zwischen den beiden, dann musst du es ja auch nicht grad unbedingt herausfordern. Dann trenne sie einfach einen Moment oder lass sie bei dir in der Nähe etwas machen, dann kannst du auch besser beurteilen, was abgelaufen ist.
Versuch auch immer konkrete, ruhige Anweisungen zu geben: "Lea, schau mal derLukas hat jetzt grad die Autos hervorgenommen, ich möchte, dass du ihm diese jetzt grad einen Moment lässt und etwas anderes spielst."


Der grosse hat sich schon ziemlich verändert seit dem Kindergarten, ist lauter, frecher und irgendwie einfach anders geworden.... Das ist eigentlich eine normale Reaktion. Der Kindergarten stellt für die Kinder eine grosse Veränderung dar. Viele neue Kinder, eine neue Umgebung, eine neue Lehrerin, viele Regeln, man muss still sitzen, zu hören und Dinge tun, die einem nicht immer so gefallen, man muss teilen, auf andere eingehen, sich mitteilen, sich behaupten, sich immer wieder mit anderen messen, merken, dass man in gewissen Gebieten gut ist in anderen unsicher. Das alles braucht viel Energie und Kraft. Der Frust, die Enttäuschung, Wut, Freude und die Angespanntheit, muss irgendwo raus.
Bei unserer Tochter hat diese Aggressivität nach dem Kindergartenstart auch stark zugenommen. Sie war oft sehr aggressiv, motzte viel rum und stand manchmal richtiggehend "neben sich". Wir haben dann zusammen das besprochen und haben versucht rauszufinden, was sie dagegen tun könnte. Ich habe ihr dann eine Ampel gebastelt, sie konnte dann jeweils die Farbe, je nach Gefühlszustand, selber einstellen. Grün für alles ok, orange soso lala und rot: ich bin hässig, lass mich grad einen Moment in Ruhe.
Ich habe ausserdem gemerkt, dass diese "Aussetzer" dann passieren, wenn sie Hunger hatte. Wenn ihr Blutzuckerspiegel sinkt, dann fiel sie fast wie in eine Art "Hypo" (Unterzuckerung"). Sie merkt jetzt mittlerweile selber, wenn sie "knurrig" wird oder das "Knurri-Monster" kommt. Sie nimmt dann ein Traubenzucker und es geht rasch wieder besser.
Beobachte einmal, wann genau das passiert. Was passierte vorher?
Schau auch, dass er genügend Rückzugsmöglichkeiten hat, also auch mal alleine sein kann und darf und du ihm auch genug Ruhepausen gönnst. Mit dem Kiga Start kommen oft noch ganz viele andere Dinge auf die Kinder zu. Turnen und Judo, Fussball oder regelmässiges Abmachen mit den Kigs Gspändli. Das ist ok und gehört auch dazu. Schau einfach, dass er trotzdem immer wieder genügend Zeit hat sich zu erholen und er nicht alles auf einmal erlebt.

Schau mal, was du damit anfangen kannst und melde dich einfach wieder. Mit mehr Fragen, Beispielen oder Feedback, ok?
liebe Grüsse
Kathrin
Kathrin Buholzer
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