von Kathrin Buholzer » 04.09.2008, 08:41
Vielen Dank. Zum Glück habe ich dich gestern Abend noch um Rat gefragt. Dein Text hat mich runter geholt und ich denke, ich werde nun eine gute Lösung finden.
Wegen den Mahlzeiten: Wir haben einige Regeln, da uns die Mahlzeiten sehr wichtig sind.
Wichtig ist, dass ihr die Regeln besprecht und dann auch aufschreibt. Positiv formulieren. Schreibt also auf, was du von ihm erwartest, was er denn tun SOLL. Du kannst die Regeln auch ein Blatt schreiben und dann könnt ihr zum besseren Verständnis noch dazu schreiben oder Bilder aufkleben. Hängt die Regeln dann irgendwo gut sichtbar auf. Nicht zuviele Regeln. Auch hier gilt: Nicht zu hohe Erwartungen haben.
Ob er sich an Regeln halten kann, kommt ganz auf euch an. Wichtig ist natürlich auch, dass ihr euch als Eltern auch an die Regeln haltet. Also wenn ihr erwartet, dass die Kinder z.B am Tisch sitzen bleiben, dürft ihr während dem Essen auch nicht mehr aufstehen um irgendetwas zu holen:
- Positiv formulieren, was möchtes du von ihm. Was ist dir beim Essen am Wichtigsten?
- Am wirkungsvollsten ist es, wenn du etwas witziges bastelst, dass er gern hat. Z.B einen Bauernhof einen Zoo, ein Piratenschiff usw. Beim Schloss z.B kannst du auf jedes Fenster den Sticker kleben, beim Zoo auf jedes Feld, Abschnitt und beim Zoo z.B in jedes Gehege. Die Punktekarte darf ruhig phantasievoll sein, witzig aussehen und Spass machen.
-Jedes Mal wenn er es geschafft hat, z.B während dem Essen am Tisch ruhig sitzen zu bleiben, dann darf er einen Kleber aufkleben.
Bei kl. Kindern reicht oft schon der Kleber als Belohnung. Du kannst aber auch zusätzlich noch eine Belohung geben. Es muss nicht immer etwas teures, gekauftes sein. Z.B eine Extra Geschichte lesen, ins Schwimmbad gehen, einen Kuchenbacken, eine Velotour usw. lass dir was einfallen, noch besser ist, wenn du die Belohnungen zusammen mit deinem Kind vorher besprichst und abmachst.
Es ist auch möglich, eine grössere Belohnung in Aussicht zu stellen. Z.B ein Plüschtier, Malfarben muss aber nicht sein.
-Setz ein leichtes Ziel. Also nicht 10 Ziele aufs Mal. (So ein bis höchstens drei Sachen aufs Mal) Also z.B, vor dem Essen aufs WC gehen und Hände waschen und während dem Essen ruhig am Tisch sitzenbleiben. Nach dem ersten Mittagessen, bei dem es geklappt hat, ein Kleberli und eine kl. Belohnung. Nach insgesamt 3 Kleberli evt. eine grössere Belohnung und nach einer Woche dann eine grosse Belohnung.
-Mach es dann etwas schwieriger und lass mit der Zeit die Belohnungen weg und lass die Punktekarte „ausschleichen“. Achtung! Keine Kleber wegnehmen, keine schwarzen Wolken, "gränni Gesichter", keine Minuspunkte. Es werden nur die positiven Veränderungen belohnt. Nicht schimpfen wenns nicht geklappt hat, gibts keine Belohnung (Kleber), motivieren fürs nächste Mal.
So 2-3 Wochen solltest du den Plan schon durchführen.
Ich möchte, dass er "anständig" am Tisch sitzt, also nicht die Knie an der Tischkante und so Seich. Ich möchte, dass er nicht beim Reinkommen schon eine provokative Bemerkung macht wie "was riecht denn hier so gruusig", weil er mir das Kochen völlig verleidet. Ich möchte, dass er mit der Gabel isst, nicht mit den Fingern, weil er dafür nämlich alt genug ist und es sehr gut kann. Ich möchte, dass er neue Sachen zumindest probiert. Was er dann wirklich nicht mag, kann er stehen lassen. Ich schöpfe ihm sehr wenig, weil er kein grosser Esser ist. Aber in letzter Zeit behauptet er nach zwei Gabeln, er habe genug. Auch das ist nur ein Machtkampf, da bin ich mir sicher. Und wenn ich dann sage, okay, er dürfe weg vom Tisch, aber es gebe nichts Süsses am Nachmittag, dann heult er und schreit am Tisch, weil er das dann eben auch nicht will.
Am besten lässt du ihn trotzdem am Tisch bleiben. Wenn er fertig ist, dann soll er den Teller reinschieben und Messer und Gabel in den Teller legen, damit man sieht dass er fertig ist. Er soll dann warten bis eine 2. Person auch fertig ist. Er wird dann vielleicht eher noch weiteressen, wenn er nicht gleich vom Tisch springen darf. Es ist ok, wenn er nicht mehr will. Zwing ihn nicht dazu, er merkst selber wenn er genug hat.
Nachdem das gestern wieder etwa 10 Minuten gedauert hat und ich richtig auf 180 war, weil er einfach die Mahlzeiten IMMER stört, habe ich ihn aufs Zimmer geschickt.
Immer zuerst überlegen, ob es nicht eine logische Konsequenz gibt, also etwas das mit dem Verhalten in Zusammenhang steht. z.b kurz einen Moment den Teller wegnehmen, ihn dann aber auch wieder zurück geben, damit er das richtige Verhalten üben kann. Du kannst ihn auch einen Moment mit dem Stuhl vom Tisch wegschieben. Wenn du ihn in eine Auszeit schickst, dann kann ich dir ein paar grundsätzliche Tipps dazu geben:
Du nimmst ihn damit einen Moment aus der Situation raus, er kann sich beruhigen und wieder etwas zu sich selber finden.
D.h du gehst zu ihm, sagst was er falsch gemacht hast, erinnerst ihn an die Regel und sagst: „Luca, du hesch itze grad der Lea gschlage, mir hei abgmacht, dass mir fiin und lieb mitenand umgöh, drum muesch du itze für 1 oder 2 Min. id Uszyt.“ Du nimmst ihn ganz ruhig und bestimmt, und bringst ihn in den Auszeitraum. Dieser sollte uninteressant sein, also nicht das Kinderzimmer, sondern das Schlafzimmer, Badezimmer…. Wenn er die festgesetzte Zeit ruhig war (es muss nicht mucksmäuschenstill sein, aber er muss sich einigermassen still verhalten), dann gehst du zu ihm und sagst: „du bisch itze schön still gsi, itze darfsch wieder usecho.“ Versuch nicht mehr über den Vorgang zu sprechen, sondern versuch ihn wieder in eine Aktivität zu verwickeln. Die Auszeit zeigt ihm, dass er ganz klar eine Abmachung eine Regel übertreten hat, es gibt ihm aber auch dir die Möglichkeit euch zu beruhigen. Drohe nicht mit der Auszeit, er wird sonst lernen, dass er erst hören muss, wenn du drohst. Das gilt allgemein bei den Drohungen. Also das berühmte „wed itze nid folgisch, denn… oder itze zelle ig no uf drü“ solltest du vermeiden. Dein Kind lernt nämlich dabei: Ich muss erst dann hören, wenn die Mama laut wird, wenn sie schimpft, droht oder auf 3 zählt. Die Auszeit vorher (also wenn es kein Problemverhalten gibt) mit dem Kind vorbesprechen und genau sagen, was passiert, wieso und wie lange man in die Auszeit muss und wann du ihn wieder von der Auszeit zurückholst.
Denk daran: Die Auszeit sollte wirklich an letzter Stelle stehen und du solltest sie so wenig wie möglich brauchen. Nur in ganz schwierigen Situationen wie heftige Wutanfälle, jemandem absichtlich Schmerzen zufügen, hauen, würgen, schlagen, beissen (also jeglicher Art von Gewalt), oder falls du den stillen Stuhl brauchst, als Verstärkung, falls er nicht ruhig auf dem Stuhl sitzen bleibt.
Also nicht für jede Problemsituation einfach die Auszeit verwenden. Immer zuerst nach einer log. Konsequenz suche und auch überlegen, was du schon vorbeugend dafür tun kannst, damit die Situation möglichst nicht eskaliert. Also z.B Regeln abmachen, klare ruhige Anweisungen, abklenken, Alternativen besprechen usw.
Ich praktiziere nicht eigentliche Auszeiten, ich hole ihn auch nicht immer ab. Meistens sage ich ihm, dass er runter kommen kann, wenn er sich beruhigt hat und das und das machen will, z.B. Essen.
Eigentlich ist es besser, wenn DU ihn hinbringst und DU ihn auch wieder abholst. Es ist häufig der Fall, dass man den Kindern sagt: "Wenn du dich wieder beruhigt hast, dann kannst du wieder raus kommen." Die Kinder dann schon nach 10 Sekunden sagen: "Ich bin jetzt wieder lieb."
Ich traue ihm zu, dass er den Zeitpunkt selbst einschätzen kann. Aber gestern wäre es natürlich viel besser gewesen, wenn ich hoch gegangen wäre, denn dann hätte ich das Buch gesehen.
Tja, soviel zu unserem Mahlzeiten-Stress. Übrigens: Ein grosses Problem ist unsere herzliche, grosszügige wirklich liebe Nachbarschaft mit vielen Kindern. Überall bekommt er irgendwas und ich kann das fast nicht verhindern.
So, nun werde ich mit ihm über das Buch sprechen.
Vielen Dank und viele Grüsse
Sehr gern geschehen! Melde dich einfach wieder, ok?
liebe Grüsse
Kathrin